Recht

Abschiebung der demenzkranken Mutter in tschechisches Pflegeheim: Bewährungsstrafe wegen Freiheitsberaubung

Das Amtsgericht München hat einen 67jährigen Rentner und dessen 56jährige erwerbsunfähige Ehefrau wegen Verbringung der 92jährigen Mutter des Angeklagten in die geschlossene Demenzstation eines ausländischen Seniorenheims ohne medizinische Erfordernis und ohne richterliche Genehmigung zu einer Bewährungsstrafe von je einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.

Der Angeklagte ist der Sohn der 92jährigen Geschädigten, deren vorläufige Betreuerin dessen Frau bis zu ihrer Ablösung am 22.02.2019 durch eine Berufsbetreuerin war. Am 18.01.2019 holten die beiden Angeklagten die Geschädigte bei ihrer Entlassung aus einer gerontologischen Krankenhausabteilung gemeinsam ab und verbrachten sie in ein Seniorenheim nach Tschechien, in welchem die Geschädigte fast sieben Monate ohne medizinische Notwendigkeit und ohne notwendige richterliche Genehmigung auf einer geschlossenen Station untergebracht war. Im Gegenteil hatten die Ärzte bei Entlassung eine erneute häusliche Betreuung der Geschädigten durch einen ambulanten Pflegedienst empfohlen.

Bei ihrer Befreiung durch die Berufsbetreuerin und die betreuungsgerichtlich bestellte Verfahrenspflegerin am 08.08.2019 zeigte sich die Geschädigte in einem stark verschmutzten und ungepflegten Zustand. Sie wies einen massiven Dekubitus am Steißbein sowie drei tennisballgroße Hämatome am Rücken auf. Die Geschädigte hatte sehr fettige Haare und trug stark verschmutzte und klebrige Unterwäsche. Sie äußerte gegenüber den Zeuginnen, dass sie darauf warte, dass ihr Sohn wieder aus dem Urlaub komme und sie dort abhole. Die Angeklagten nahmen zumindest billigend in Kauf, dass die Geschädigte durch die nicht notwendige und nicht genehmigte Unterbringung auf einer geschlossenen Station länger als eine Woche der Freiheit beraubt wird. Die Angeklagten hatten mittlerweile deren Wohnung bezogen.

Die Verfahrenspflegerin gab an, dass ihr die Angeklagten auf ihre Frage nach dem Verbleib der Geschädigten sagten, diese befände sich in einem supertollen geschlossenen Heim in Tschechien und käme nicht mehr nach Deutschland zurück. Sie sei dann kurzerhand mit der neu bestellten Berufsbetreuerin zu diesem Heim gefahren. „Wir haben die Frau in einem dunklen Dreibettzimmer gefunden. Sie war in einem erbärmlichen Zustand. Sie hatte große Angst vor ihren zwei Mitbewohnerinnen. Die Frau ist sofort in Tränen ausgebrochen und meinte, dass sie schon so lange auf ihren Sohn wartete und er ihr versprochen habe wieder zu kommen. Sie hat uns nicht mehr losgelassen und konnte ihr Glück in dem Moment nicht fassen. Wir haben sie dann gefragt, ob sie mit uns nach München kommen möchte und das wollte sie natürlich auch. Sie wurde danach in ein offenes Pflegeheim nach München verbracht. Als ich sie wiedersah, ging es ihr viel besser und sie war ein ganz anderer Mensch geworden. Sie war wieder glücklich und eine gepflegte Frau. Nein, ich konnte mich in diesem geschlossen Heim in Tschechien mit niemanden auf Deutsch verständigen.“

AG München, 22.07.2021 – 820 Ls 275 Js 118454/20
Mitteilung des Amtsgerichts München Nr. 32/2021 vom 20.08.2021