Medizin

Bei Bluthochdruck auch hormonelle Ursachen im Blick behalten

Bei jüngeren Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck oder bei Menschen, die auf eine medikamentöse Therapie nicht ansprechen, sollten behandelnde Ärztinnen und Ärzte auch auf eine endokrinologische Ursache der Hypertonie hin untersuchen. So lautet eine von mittlerweile 165 „Klug entscheiden“-Empfehlung (KEE), die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in Zusammenarbeit mit zahlreichen internistischen Schwerpunktgesellschaften herausgegeben hat. Um Über- und Unterversorgung in der Inneren Medizin zu bekämpfen, sollen die KEE den Behandelnden helfen, die richtigen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen zu ergreifen und gegebenenfalls unnötige Untersuchungen zu vermeiden.

Bluthochdruck ist eine Volkskrankheit, die auch jüngere und sportliche Menschen treffen kann. Eine arterielle Hypertonie, wie Medizinerinnen und Mediziner die Erkrankung nennen, liegt vor, wenn bei der Blutdruckmessung dauerhaft ein diastolischer Wert von 140 mmHg und ein systolischer Wert von 90 mmHg erreicht wird. „Meist tritt eine Hypertonie erst nach dem 30. Lebensjahr auf, ohne dass eine Ursache erkennbar ist“, sagt Prof. Dr. med. Stephan Petersenn, Endokrinologe aus Hamburg. „Sind die Betroffenen jünger als 30 Jahre oder schlägt die typische Blutdruck-senkende Therapie nicht an, kann dies ein Hinweis auf eine andere Grunderkrankung sein, die zu einem Anstieg des Blutdrucks führt“, so der Experte. „Studien zeigen, dass bis zu zehn Prozent aller Fälle von Bluthochdruck endokrine, also hormonelle, Ursachen oder eine chronisch-entzündliche Erkrankung haben“, sagt Petersenn (1, 2, 3).

Endokrine Erkrankungen, die Einfluss auf den Blutdruck haben, sind beispielsweise Fehlfunktionen oder Tumore in der Schilddrüse, der Nebennierenrinde oder anderer hormonbildender Organe. Hierbei kann es zu einer Störung des Hormonhaushalts kommen, was wiederum Einfluss auf den Blutdruck hat. Gerade bei Jüngeren und Patienten, bei denen der Bluthochdruck sich trotz der Einnahme von Medikamenten nicht reguliert, sollten Ärztinnen und Ärzte immer auch Erkrankungen der Stoffwechsel-Organe in Betracht ziehen, weist Petersenn auf die entsprechende „Klug entscheiden“-Empfehlung hin. „Eine medikamentöse Therapie zur Blutdrucksenkung kann nur Erfolg haben, wenn initial die Ursache der Hypertonie in einem spezifischen Screening lokalisiert und anschließend gezielt behandelt wird“, fasst Endokrinologe Petersenn zusammen.

[!] Insgesamt 165 Positiv- und Negativ-Empfehlungen hat die DGIM-Initiative Klug Entscheiden seit 2016 unter Federführung der gleichnamigen Konsensus-Kommission erarbeitet. Weitere Informationen zu „Klug entscheiden“ finden sie unter www.klug-entscheiden.de.

 

(1) Lenders JWM, Kerstens MN, Amar L, Prejbisz A, Robledo M, Taieb D, Pacak K, Crona J, Zelinka T, Mannelli M, Deutschbein T, Timmers HJLM, Castinetti F, Dralle H, Widimský J, Gimenez-Roqueplo AP, Eisenhofer G. Genetics, diagnosis, management and future directions of research of phaeochromocytoma and paraganglioma: a position statement and consensus of the Working Group on Endocrine Hypertension of the European Society of Hypertension. J Hypertens. 2020;38:1443-1456.

(2) Mulatero P, Monticone S, Deinum J, Amar L, Prejbisz A, Zennaro MC, Beuschlein F, Rossi GP, Nishikawa T, Morganti A, Seccia TM, Lin YH, Fallo F, Widimsky J. Genetics, prevalence, screening and confirmation of primary aldosteronism: a position statement and consensus of the Working Group on Endocrine Hypertension of The European Society of Hypertension. J Hypertens. 2020;38:1919-1928.

(3) Fallo F, Di Dalmazi G, Beuschlein F, Biermasz NR, Castinetti F, Elenkova A, Fassnacht M, Isidori AM, Kastelan D, Korbonits M, Newell-Price J, Parati G, Petersenn S, Pivonello R, Ragnarsson O, Tabarin A, Theodoropoulou M, Tsagarakis S, Valassi E, Witek P, Reincke M. Diagnosis and management of hypertension in patients with Cushing’s syndrome: a position statement and consensus of the Working Group on Endocrine Hypertension of the European Society of Hypertension. J Hypertens. 2022