Recht

EuGH-Urteile: Nicht genommener Urlaub verfällt nicht mehr so leicht

Mit zwei Urteilen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass ein Arbeitnehmer seine Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch verliert, wenn er keinen Urlaub beantragt hat. Nicht genommener Urlaub muss also uneingeschränkt auf das Folgejahr übertragen werden. Endet das Arbeitsverhältnis, muss ausbezahlt werden. Diese Ansprüche können nur untergehen, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen – was der Arbeitgeber zu beweisen hat.

Diese Aussage steht im Widerspruch zu den bisherigen Regelungen: Danach muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr genommen werden (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG), sonst verfällt er. Nur für den Fall, dass dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen, kann der Urlaubsanspruch auf das Folgejahr übertragen werden (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BurlG). Aber auch dann verfällt der Urlaubsanspruch spätestens zum 31.3. des Folgejahres (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG). Diese Regelung hatte den Arbeitgebern die Urlaubsplanung erleichtert und ermöglicht, die Urlaubsrückstellungen für das laufende Jahr grundsätzlich zum Jahresende aufzulösen. Diese alte Regelung hatte auch verhindert, dass arbeitsfreudige Arbeitnehmer von Jahr zu Jahr immer mehr Resturlaub ansammeln, der mit jeder Gehaltserhöhung zunehmend an Wert gewinnt.

Dieses Ansammeln kann nun nach Ansicht des EuGH nur noch vermieden werden, wenn der Arbeitgeber nachweist, dass der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Sachlage darauf verzichtet hat, seinen Jahresurlaub zu nehmen, nachdem er in die Lage versetzt worden war, seinen Urlaub rechtzeitig nehmen zu können.

[!]Dies bedeutet, dass Ihr Arbeitgeber Sie möglichst frühzeitig auffordern muss, den Resturlaub noch im alten Jahr zu nehmen. Gleichzeitig muss der Arbeitgeber Sie darauf hinweisen, dass Ihr Urlaubsanspruch andernfalls am 31.12. verfällt. Sollten dringende Gründe verhindern, dass der Urlaub im alten Jahr genommen wird, muss Ihr Arbeitgeber Sie darauf hinweisen, dass Ihre Urlaubsansprüche spätestens am 31.03. des Folgejahres verfallen, sollte der Urlaub nicht bis dahin genommen sein.

[!] Nur wenn diese Aufklärung – die Ihr Arbeitgeber im Streitfall natürlich nachweisen muss und die daher in jedem Fall schriftlich zu erfolgen hat – vorgenommen wurde, erlöschen Ihre alten Urlaubsansprüche und die finanzielle Vergütung für den nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub zu den genannten Stichtagen.

EuGH, Urteile vom 6.11.2018 – C-619/16 und C-684/16