Hohe Anforderungen: Aufklärungsbögen genügen nicht

Für den Nachweis einer ordnungsgemäßen ärztlichen Aufklärung in einem Arzthaftungsprozess reicht nicht der Verweis auf ausgefüllte Aufklärungsbögen, meint das Oberlandesgericht Koblenz. Stattdessen soll das Gericht den aufklärenden Arzt und den Patienten anhören und notfalls einen Sachverständigen befragen. Setzt sich diese Rechtsprechung zu den Ermittlungspflichten bei dem Vorwurf eines Aufklärungsfehlers durch, kommt auf alle Beteiligten eines Arzthaftungsprozesses einige Mehrarbeit zu.

von Rechtsanwalt Philip Christmann, Fachanwalt für Medizinrecht, Berlin/Heidelberg – www.christmann-law.de

Der Vorwurf des Patienten, von dem behandelnden Arzt nicht richtig aufgeklärt worden zu sein, ist oft das scharfe Schwert des Arzthaftungsrechts. Das OLG Koblenz stellt hier hohe Anforderungen an den Inhalt des Aufklärungsgespräches. Auch verlangt es von dem Gericht, das einen Aufklärungsfehlervorwurf zu bewerten hat, einen hohen Prüfungs- und Begründungsaufwand (u.a. Anhörung von Arzt und Patient).

Ist streitig, ob sich der Patient in einem echten Entscheidungskonflikt zwischen verschiedenen Behandlungsalternativen befand (hier: offene Leistenoperation vs. minimalinvasive Leistenoperation?), so ist zunächst zu klären, welchen Inhalt eine ordnungsgemäße Aufklärung hätte haben müssen. Dass der Arzt dem Patienten keine Kopie des Aufklärungsbogens übergibt, löst keine eigenen Schadenersatzansprüche des Patienten aus

Praxisanmerkung

Ob sich das Urteil durchsetzen wird, so dass die Anforderungen an die ärztliche Aufklärung in der Praxis steigen, bleibt abzuwarten. Kollege Hanten geht davon aus, dass der für alle Beteiligten erhöhte Arbeitsaufwand wohl eine abschreckende Wirkung zeigen werde (Hanten, jurisPR-MedizinR 11/2018 Anm. 5). Da also die Gerichte nur unwillig alle Schritte werden prüfen wollen, ist es am Anwalt des Patienten, dies zu tun und gegenüber dem Gericht auf Einhaltung der Anforderungen zu bestehen – eine oft undankbare und zeitfressende Aufgabe, die zudem durch die gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren nur unzureichend vergütet wird.

Was sollten Ärzte tun,
um „auf Nummer Sicher zu gehen?“:

• Auf dem Aufklärungsformular sollte neben dem Nachnamen des Arztes (die Aufklärung wird oft an die Assistenzärzte delegiert, die man im Nachhinein nur noch schwer wieder auffinden kann, weil sie die Klinik bereits wieder verlassen haben) auch der Vorname des aufklärenden Arztes notiert werden.

• In der Rubrik „Anmerkungen“ sollte der Arzt auch Themen, zu denen der Patient Nachfragen hatte, stichwortartig notieren (z.B. Fragen Patient zu Dauer der Rehabilitation – abgekürzt als „Fra Pat zu Dauer Reha“). Aus solchen spezifischen Anmerkungen kann das Gericht dann nämlich den Schluss ziehen, dass das Aufklärungsgespräch nicht lediglich vom Arzt „heruntergerattert“ oder gar nicht durchgeführt wurde.

• Handschriftliche Anmerkungen reichen demnach für sich genommen für den Nachweis einer erfolgten mündlichen Aufklärung nicht aus! Damit erhöhten sich die Anforderungen an den Nachweis der Aufklärung deutlich.

• Oft ergeben sich Hinweise auf Behandlungsfehler oder Aufklärungsfehler erst durch die Analyse der Unterlagen der Vor- und Nachbehandler. Das OLG Koblenz stellt klar, dass das Landgericht aber nicht verpflichtet ist, Dokumentationen der Vor- und Nachbehandler beizuziehen, soweit keine Hinweise darauf bestehen, dass sich aus diesen für den Rechtsstreit etwas ergibt: Vielmehr ist es dann Sache des Patienten, diese Unterlagen selbst zu beschaffen und in das Verfahren einzuführen.

Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 17.1.2018 – 5 U 861/17