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In Ihrer Klinik gibt es ein Veränderungsprojekt? – So kann es der Oberarzt erfolgreich mitgestalten

von Diplom-Pädagoge Werner Fleischer, Beratung – Coaching – Moderation, www.ihrcoach.com

Das Umfeld, in dem Kliniken agieren, verändert sich mit zunehmender Geschwindigkeit. Daraus resultiert der Druck, die klinikinternen Strukturen und Abläufe den aktuellen Veränderungen anzupassen – ein Prozess, in den Sie als Oberarzt aktiv eingebunden sind. Damit Veränderungen langfristig erfolgreich sind, müssen sie sorgfältig geplant und gesteuert werden. Doch welche Faktoren tragen zum Erfolg eines von Ihnen geleiteten Projekts oder Teilprojekts bei? |

Erfolgsfaktoren des Change Managements

Veränderungen umzusetzen ist kein mechanischer Prozess. Vielmehr müssen Menschen aktiv einbezogen werden, die eigene Erfahrungen, Wünsche und Vorstellungen besitzen und gleichzeitig in die sozialen und fachlichen Strukturen eingebettet sind. Am Anfang eines Change-Management-Prozesses steht meist eine Person, die die Veränderungen initiiert hat und sie als Projektverantwortlicher vorantreibt. Entscheidend für den Erfolg ist, dass sie einen auf den Wandel gerichteten Führungsstil pflegt, den Informationsfluss nach allen Seiten sicherstellt und eine Vision in Bezug auf das Projekt hat.

Eine Führungspersönlichkeit steuert das Projekt

Veränderung braucht Führung während des gesamten Prozessverlaufs – von der Initiierung über die „Mühen der Ebene“ bis hin zum Projektabschluss. Es reicht bei Weitem nicht aus, z. B. mit einer flammenden Rede die bevorstehenden Veränderungen zu verkünden, um danach zu erwarten, dass sich alle Beteiligten voll mit dem Projekt identifizieren und es unterstützen.

Wer als Oberarzt einen Veränderungsprozess erfolgreich steuern möchte, ist verantwortlich dafür,

  • den Wandlungsprozess effizient zu organisieren und zu planen,
  • die Veränderungsbereitschaft bei nahezu allen Beteiligten zu wecken,
  • während des Veränderungsprozesses Orientierung zu bieten und
  • die Motivation zu lenken – bei sich selbst und den Mitarbeitern.

Der idealtypische Oberarzt misst bei Veränderungsprozessen der Motivation und Inspiration der Mitarbeiter eine hohe Bedeutung bei. Er versteht sich als Visionär, der als authentisches Vorbild für das einsteht, was er von anderen erwartet. Zielgerichtet und mit Willenskraft ausgestattet, plant und steuert er den Veränderungsprozess bis zum erfolgreichen Abschluss. In der Praxis ist eine solche Kombination von Eigenschaften bei einer einzelnen Person äußerst selten anzutreffen. Daher empfiehlt es sich – insbesondere bei großen und langfristigen Veränderungsprojekten -, ein sorgfältig zusammengestelltes Projektteam zu etablieren, das am besten aus starken Vertretern aller betroffenen Berufsgruppen bzw. Funktionsbereiche besteht. Geleitet wird es von der Führungskraft, Einzelaufgaben werden jedoch zielgerichtet an die entsprechend geeigneten Teammitglieder delegiert.

Warum ist der Informationsfluss entscheidend?

Gespräche, in denen Informationen fließen, sind der entscheidende Erfolgsfaktor in Change-Management-Prozessen. Zwar reichen Gespräche allein nicht aus, um Veränderungen erfolgreich zu steuern; sie sind aber der Katalysator des Wandels und haben dabei folgende Aufgaben:

  • Sie übermitteln Informationen.
  • Sie schaffen Transparenz.
  • Sie erkennen Widerstände und schwächen sie ab.
  • Sie informieren über Projekterfolge.
  • Sie unterstützen die soziale Integration.

 

Kommunikation ist allerdings störanfällig. Sie ist interpretationsbedürftig und löst daher leicht Konflikte aus. Daher sollten die nachfolgenden sechs Grundlagen beachtet werden, damit sie ihre Wirkung nicht verfehlt:

  • 1. Wirksame Gespräche passen sich hinsichtlich des Inhalts und des Sprachstils an die jeweilige Zielgruppe an.
  • 2. Gespräche sind der wichtigste Kommunikationskanal. Es ist möglich, spontan nachzufragen und zu erläutern. Zudem schaffen sie Vertrauen.
  • 3. Alle Betroffenen sollten schnell und zeitgleich informiert werden, damit keine Gerüchte und Spekulationen entstehen. Die Projektverantwortlichen behalten so die Informationshoheit.
  • 4. Wer offen auch über die Unwägbarkeiten und Mühen spricht, die mit den Veränderungen einhergehen, sorgt für Transparenz und Glaubhaftigkeit.
  • 5. Ein möglichst hochrangiger Klinikvertreter übernimmt die Erstinformation und berichtet regelmäßig über den Projektverlauf. So wird unterstrichen, wie bedeutend das Veränderungsprojekt ist. Routinemäßig kann kaskadenförmig und dialogisch in den einzelnen Bereichen kommuniziert werden.
  • 6. Erfolge im Verlauf des Projekts sollten sofort kommuniziert werden. So wird deutlich: Zwischenziele sind erreicht, die Mühe aller lohnt sich also!

Wie sollte im Veränderungsprozess kommuniziert werden?

Häufig wird in der Startphase eines Veränderungsprojekts deutlich mehr kommuniziert als im weiteren Verlauf. Doch Gespräche sind in jeder Projektphase von entscheidender Bedeutung. Denn häufig entstehen erst im Projektverlauf Bedenken und Widerstände, die den Erfolg gefährden.

Es kostet viel Energie und verspricht selten Erfolg, gegen diesen Widerstand anzuarbeiten. Wesentlich zielführender ist es, mit dem Widerstand zu arbeiten. Je genauer Sie als Oberarzt die grundlegenden Bedenken und Ängste kennen, die jeder Veränderungsprozess mehr oder weniger hervorruft, umso besser können Sie diese mit entsprechenden Maßnahmen abfedern.

Sechs Phasen des Veränderungsprozesses

Im Wesentlichen sind Veränderungsprozesse und die unterschiedlichen Anforderungen an die Kommunikation von folgenden sechs Phasen mit dafür typischen Fragen gekennzeichnet (nach Blanchard):

Phase 1: Fragen zur Veränderung

  • Worin besteht die Veränderung?
  • Welche Gründe machen sie erforderlich?
  • Wie stark und wie schnell muss sich die Klinik ändern?
  • Was ist, wenn wir uns nicht verändern?

Betroffene Mitarbeiter benötigen volle Transparenz. Sie müssen die Gründe für die Veränderung kennen und brauchen Antworten auf ihre Fragen: Wie? Mit wem? Ab wann? Bis wann? Wichtig sind Vorbilder, eine Vorstellung von der Zukunft und kleine Pilotprojekte, die den Prozess zum Laufen bringen.

Phase 2: Fragen zu persönlichen Folgen

  • Wie wirkt sich die Veränderung auf mich persönlich aus?
  • Was kommt dabei für mich persönlich heraus?
  • Wie werde ich befähigt?
  • Welche neuen Fertigkeiten muss ich erlernen?

Diese Bedenken sollten keinesfalls pauschal behandelt oder abgetan werden. Die Befürchtungen der Mitarbeiter können sehr unterschiedlich sein. Daher sind Einzelgespräche, die Mut und Zuversicht vermitteln, das geeignete Mittel, um diesen Befürchtungen zu begegnen.

Phase 3: Fragen zur Umsetzung

  • Wie wird die Veränderung gesteuert?
  • Was muss ich zuerst tun, was sind die nächsten Schritte?
  • Was ist, wenn ich es nicht schaffe? Bei wem bekomme ich Unterstützung?

Ein genauer Zeit- oder Umsetzungsplan gibt Antworten auf diese Fragen. Damit er tatsächlich verstanden wird, sollte er genau durchgesprochen und erklärt werden. Die Mitarbeiter brauchen neben einer Überprüfung ihrer Gründe für Veränderung auch eine Leitungskraft, die ihnen Begeisterung und Optimismus für die Veränderung vermittelt.

Phase 4: Fragen zu den Auswirkungen

  • Worin bestehen die Vorteile?
  • Ist es die Mühe wert?
  • Was passiert, wenn es schiefgeht?

Die Projektschritte sollten regelmäßig ausgewertet und die bisherigen Erfolge und Schwachstellen analysiert werden – das sorgt für Klarheit. Wenn Sie als Oberarzt über konkrete Veränderungen und die sich daraus ergebenden Effekte berichten, wirkt sich das positiv auf die Akzeptanz des Veränderungsprozesses aus. Ebenso wichtig sind Ereignisse und Rituale, die die Veränderungen im Klinikalltag verankern.

Phase 5: Fragen zur Zusammenarbeit

  • Wer sollte noch beteiligt oder eingebunden werden?
  • Wie machen wir das bekannt?
  • Wie kann ich mit „der“/mit „dem“ zusammenarbeiten?

Diese Zweifel können Sie ausräumen, wenn Sie Teams sorgfältig und planvoll zusammenstellen. Innerhalb dieser Teams sollten die Erfahrungen regelmäßig ausgetauscht werden.

Phase 6: Fragen zu Verbesserungen

  • Wie können wir die Veränderungen noch weiter entwickeln?
  • Können wir die ursprüngliche Idee verbessern?
  • Was sollten wir darüber hinaus noch besser machen?

In dieser Phase benötigen die Mitarbeiter Ihre Ermutigung, den Status quo zu überprüfen und infrage zu stellen. Um Ideen und andere Oberärzte sowie Assistenzärzte einzubinden, sollten Auswertungsworkshops durchgeführt und ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess etabliert werden.

Wichtig | Die sechs skizzierten Phasen verlaufen nicht statisch in genau dieser Reihenfolge. Oftmals sind Rekursionsschleifen erkennbar. Allerdings lassen sich an der Entwicklung der Fragestellungen sehr gut die Fortschritte des Projekts ablesen. Außerdem wird der Grad aufgezeigt, in welchem Maß es gelungen ist, die Mitarbeiter auf dem Weg zur Veränderung „mitzunehmen“.

Vorgabe von Zielen als wichtiger Erfolgsfaktor

Damit der Veränderungsprozess gelingt, müssen Ziele vorhanden sein. Sie beschreiben klar und eindeutig die Richtung der geplanten Veränderung und schaffen somit Orientierung. So können die beteiligten Mitarbeiter verstehen, wozu das Ganze dient und warum dieser neue Weg eingeschlagen wurde. Zudem haben formulierte Ziele enorme Auswirkungen auf die Motivation. Erst wenn die Beteiligten erkennen können, dass ein lohnenswertes Ziel angestrebt wird, wird der Sinn ihres Handelns klar und sie setzen sich für das Veränderungsprojekt ein. Daher gilt: Wer Leistung fordert, muss Sinn bieten.

Erfolgsfaktor Partizipation

Mit „Partizipation“ wird bezeichnet, dass alle Beteiligten in den Veränderungsprozess einbezogen werden – auch die Mitarbeiter multiprofessioneller Teams, die im Organigramm der Fachabteilung nicht dargestellt sind. Idealerweise beginnt Partizipation bereits mit der Analyse und schließt Konzeption und Umsetzung mit ein. Partizipation hat wesentlichen Anteil an der

  • Ausrichtung der Motivation: Die Beteiligten erhalten die Möglichkeit, selbst etwas zu gestalten. So wachsen intrinsische Motivation und Identifikation;
  • Verringerung von Widerständen: Erleben sich Beteiligte als Akteure und nicht als austauschbare Figuren, reduzieren sich Widerstände erheblich;
  • Informationsverbreitung: Nur wer aktiv beteiligt wird, kann auch zeitnah kommunizieren.

Partizipation ist mehr als nur Kosmetik

In der Praxis nehmen Mitarbeiter die Partizipation oft als rein kosmetische Maßnahme wahr, mit der autoritär durchgesetzte Veränderungen kaschiert werden sollen. Projektverantwortliche empfinden Partizipation hingegen häufig als Gratwanderung: zu wenig Partizipation erzeugt Widerstand, zu viel führt hingegen zum Verlust des Führungsanspruchs.

Partizipation sollte dauerhaft gewährt werden

Damit Partizipation glaubwürdig bleibt, muss sie dauerhaft gewährt werden. Generell sollte sich der Grad der Partizipation an den Reifegraden der Mitarbeiter orientieren. In der Praxis macht es wenig Sinn, alle Hierarchieebenen gleichermaßen an der Ausrichtung des Veränderungsprojekts zu beteiligen. Das bedeutet jedoch nicht, dass Mitarbeiter nachgeordneter Hierarchieebenen vom kommunikativen Prozess des Wandels ausgeschlossen werden. Ganz im Gegenteil, sie werden mittels Information und Feedback-Möglichkeiten in den Veränderungsprozess einbezogen.

PRAXISHINWEIS | Vor Beginn des Veränderungsprojekts sollte klar festgelegt werden, wer wann und in Bezug auf welches Thema einbezogen wird. Das Ergebnis dieser Planung sollte beim Projektstart kommuniziert werden. Auf diese Weise lässt sich gut vorbeugen, dass es zu Gerüchten und Widerständen kommt.

 

Erfolgsfaktor Personalentwicklung

Personalentwicklung hat einen erheblichen Einfluss daran, ob der Veränderungsprozess ein Erfolg wird oder nicht:

  • Veränderungen haben häufig zur Folge, dass sich die Anforderungen an den einzelnen Mitarbeiter verändern. Ist dies der Fall, ist es notwendig, ihm eine Weiterqualifizierung anzubieten.
  • Ergreift der Mitarbeiter die Chance auf Weiterbildung, wirkt sich dies unter Umständen positiv auf seine Bereitschaft aus, sich zu verändern.

Obwohl Personalentwicklung dem Wohl der Mitarbeiter dienen soll, löst sie bei einigen auch große Sorgen aus: „Schaffe ich das?“, „Und was passiert, wenn ich es nicht schaffe?“ Diese und ähnliche Fragen werden vor allem von Mitarbeitern gestellt, die nicht gewohnt sind, zu lernen. Eine umsichtige Personalentwicklung geht auf diese Fragen ein.

FAZIT | Für den Erfolg eines Veränderungsprojekts ist es entscheidend, ob und wie professionell es gesteuert wird. Je strukturierter Sie als Oberarzt vorgehen, umso wirksamer beugen sie dem Widerstand der Mitarbeiter vor – dies ist die häufigste Ursache für das Scheitern von Veränderungsprozessen.