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Kampf den multiresistenten Keimen: So kann er im Krankenhaus erfolgreich geführt werden!

von Dr. Marianne Schoppmeyer, Ärztin und Medizinjournalistin, Nordhorn, www.medizinundtext.de

Jedes Jahr sterben bis zu 15.000 Menschen in Deutschland an einer nosokomialen Infektion (Robert-Koch-Institut). Ein Teil dieser Todesfälle ist darauf zurückzuführen, dass sich immer mehr Resistenzen gegen Antibiotika bilden und verbreiten – eine Herausforderung für alle Krankenhäuser. In der Euregio-Klinik Nordhorn gibt es nun ein beispielhaftes Programm. 

Multiresistente Keime

Gegenwärtig treten Mehrfachresistenzen insbesondere bei Methicillin (Oxacillin)-resistenten Staphylococcus-aureus-Stämmen (MRSA), bei multiresistenten gramnegativen Erregern (MRGN) sowie teils bei Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) auf. Auf dem Vormarsch sind jedoch auch Erreger, die Beta-Laktamasen mit erweitertem Wirkungsspektrum produzieren. Dazu gehören u. a. Escherichia coli , die z. B. Harnwegsinfektionen verursachen, und Klebsiella pneumoniae, die im Krankenhaus zu Pneumonie und Sepsis führen können. Bei Infektionen mit diesen Erregern sind die antibiotischen Behandlungsalternativen inzwischen deutlich eingeschränkt.

Niederlande haben Vorbildfunktion

Der beste Schutz gegen multiresistente Keime sind Prävention und Hygiene. In den Niederlanden ist das seit langem erkannt. Im europäischen Vergleich weisen gerade die Niederlande eine sehr geringe MRSA-Last auf und können deshalb auch als Vorbild für entsprechend geeignete Maßnahmen dienen. Im niederländischen Gesundheitssystem arbeiten Hygieniker und Mikrobiologen in Fragen der Hygiene und Antibiotikatherapie eng zusammen.

In Deutschland gibt es eine nationale Empfehlung zum Umgang mit MRSA-Patienten und zur Vermeidung der MRSA-Ausbreitung. Diese Empfehlung enthält nur allgemeine Angaben. Sie wird vom Robert-Koch-Institut veröffentlicht und regelmäßig aktualisiert. Jedes Krankenhaus hat die Aufgabe, diese allgemeine Richtlinie den lokalen Gegebenheiten anzupassen.

Vorbild bei Infektionsmanagement: Euregio-Klinik Nordhorn

Die Euregio-Klinik in Nordhorn setzt auf eine enge Zusammenarbeit mit den Nachbarn. Die Klinik gehört einem grenzüberschreitenden Verbund von Krankenhäusern in Niedersachsen, den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen an, in dem Krankenhauskeime systematisch bekämpft werden. Für seine umfangreichen hygienischen und infektiologischen Maßnahmen hat die Euregio-Klink das dritte Qualitätssiegel im Rahmen des Programms „EurSafety Health-Net für Patientensicherheit und Infektionsschutz“ erreicht.

Screening

Patienten von Risikogruppen werden bei der Aufnahme in die Euregio-Klinik systematisch auf multiresistente Keime untersucht. Alle Risikopatienten werden mittels eines Schleimhaut-Abstrichs untersucht. Die Patienten werden bis zum Eintreffen des Testergebnisses nach etwa fünf Stunden isoliert – eine großen Herausforderung. Zu den Risikopatienten gehören z. B. Menschen mit chronischen Wunden, ehemalige MRSA-Träger oder Patienten mit Kontakt zu MRSA-Trägern, Patienten aus Altenheimen und Landwirte.

MRSA-Sanierung

Fällt der Test positiv aus, wird der Patient weiterhin isoliert und eine MRSA-Sanierung begonnen. Vorher müssen sanierungshemmende Faktoren (z. B. Wunde, Katheter) beseitigt werden. Es existieren genaue Behandlungspläne zur MRSA-Sanierung, die u. a. Rachenspülungen, Körperwaschungen mit desinfizierenden Waschlotionen, desinfizierende Haarspülungen und das Verabreichen von antibakterieller Nasensalbe über fünf bis sieben Tage vorsehen. Wird der Patient aus der Klinik entlassen, wird sein Infektionsstatus im Entlassungsbrief vermerkt. Eine begonnene Therapie zur MRSA-Sanierung führt der Hausarzt nach Absprache mit dem Krankenhaus zu Ende.

 Mikrobiologische Visite

Einmal pro Woche besucht ein klinischer Mikrobiologe und Spezialist für Infektionskrankheiten aus den Niederlanden die Euregio-Klinik. Unklare oder komplizierte infektiologische Patienten bespricht er gemeinsam mit den betreuenden Ärzten und dem Hygieneteam der Klinik. Bei diesen Fallbesprechungen werden Diagnostik und deren Rationalisierung, Infektionsprävention, Hygienemaßnahmen und Therapie kritisch hinterfragt. Dabei erfüllt der Mikrobiologe eine Brückenfunktion zwischen Klinik und Labor.

 Monitoring

Eine weitere wichtige Voraussetzung für gezielte Gegenmaßnahmen sind regelmäßig erhobene Daten zu Antibiotikaresistenzen und zum Antibiotikaverbrauch innerhalb der Klinik. Jedes halbe Jahr wird kontrolliert, wie sich die Resistenzlage und der Antibiotikaverbrauch entwickelt haben und welche Antibiotika wirklich sinnvoll einzusetzen sind. Jährlich wird eine Antibiotikafibel erstellt, in der diese Ergebnisse schriftlich festgehalten werden. Es werden Standardindikationen wie beispielsweise Harnwegsinfekt oder Pneumonie (ambulant/nosokomial) mit den Antibiotika der ersten und zweiten Wahl – abgestimmt auf die Bedürfnisse der Euregio-Klinik – aufgeführt.

Weiterbildung

Ärzte werden speziell geschult, sodass es in allen Bereichen kompetente Ansprechpartner in Fragen zu Hygiene und Mikrobiologie gibt. Mitarbeiter des Hygieneteams besuchen regelmäßig die Stationen und Funktionsbereiche und unterweisen die Ärzte sowie das Pflegepersonal bezüglich der Hygienevorschriften.

Händedesinfektion

In der gesamten Klinik sind gut sichtbar die fünf Indikationsgruppen zur Händedesinfektion der „Aktion saubere Hände“ aufgehängt:

Der Verbrauch von Händedesinfektionsmittel wird nach Stationen bzw. Funktionsbereichen getrennt gemessen. Durch den Vergleich mit Referenzwerten kann das Desinfektionsverhalten direkt eingeschätzt und notwendige Fortbildungsmaßnahmen für das Personal können eingeleitet werden

Langärmeliger Arztkittel wurde abgeschafft

Im Jahr 2015 hat die Euregio-Klinik aus hygienischen Gründen kurzärmelige Kittel für Ärzte eingeführt, da über lange Ärmel Keime von Patient zu Patient übertragen werden können. Außerdem fällt die Ärmelmanschette zwangsläufig über die desinfizierten Hände und behindert so eine effiziente Händedesinfektion. Studien haben gezeigt, dass 60 Prozent der untersuchten Arztkittel mit multiresistenten Keimen besiedelt waren. Zudem wird in der Euregio-Klinik von Ärzten und Pflegern kein Schmuck an Armen und Händen getragen, was auch Armbanduhren und Eheringe beinhaltet.

Weiterführende Hinweise

  • EurSafety Health-Net für Patientensicherheit und Infektionsschutz: www.eursafety.eu

 

  • Weiterbildungen zum Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin sowie zum Krankenhaushygieniker werden vom Gesetzgeber gefördert, wenn die Fort- und Weiterbildung spätestens im Jahr 2019 beginnt. Externe Beratungsleistungen auf diesen Gebieten werden ebenfalls bezuschusst – bis zum Jahr 2023.
  • Kliniken, die Fachärzte im Bereich Infektiologie qualifizieren, können pauschal 30.000 Euro Zuschuss erhalten. Mehr Information unter www.dkgev.de