Gesundheitspolitik

Krankenhaus Rating Report 2016: Leichter Aufwärtstrend hält an

von Prof. Dr. Boris Augurzky, Rheinisch-Westfälisches Institut fürWirtschaftsforschung (RWI), Essen, www.rwi-essen.de

„The trend is your friend“: Krankenhäuser schrieben nach einem Rückgang im Jahr 2013 auch 2014 wieder weniger häufig rote Zahlen als im Vorjahr: Nur 23 Prozent beklagten 2014 auf Konzernebene einen Jahresverlust. Im Jahr 2013 hatten noch 30 Prozent, 2012 sogar 34 Prozent einen Jahresverlust ausgewiesen. Das ist ein Ergebnis des „Krankenhaus Rating Reports 2016“. Das RWI, das Institute for Health Care Business GmbH und die Philips GmbH hatten für die Studie 517 Jahresabschlüsse aus 2013 und 333 aus 2014 untersucht, die insgesamt 871 Krankenhäuser umfassen. 

Wirtschaftliche Lage der Kliniken im Osten am besten

In den ostdeutschen Bundesländern war di e wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser im Jahr 2014 am besten. Am schwierigsten war die Lage in Niedersachsen, Bremen, Baden-Württemberg und Hessen. In vielen Regionen sind die Krankenhausstrukturen – so der Report – nach wie vor ungünstig, d. h. es gibt

  • zu viele kleine Einheiten,
  • eine zu hohe Krankenhausdichte und
  • zu wenig Spezialisierung.

Wiederholt hat sich gezeigt, dass ein hoher Spezialisierungsgrad vorteilhaft ist, sowohl in wirtschaftlicher als auch in qualitativer Hinsicht.

Öffentliche Häuser am meisten insolvenzgefährdet

Gegenüber dem Jahr 2013 hat sich die Insolvenzwahrscheinlichkeit im Jahr 2014 bei öffentlich-rechtlichen Trägern leicht erhöht, bei freigemeinnützigen und privaten Trägern hingegen blieb sie unverändert. Eine erhöhte Insolvenzgefahr hatten 2014

  • 21 Prozent der öffentlich-rechtlichen,
  • 10 Prozent der freigemeinnützigen und
  • 3 Prozent der privaten Krankenhäuser.

Die Schwierigkeiten öffentlich-rechtlicher Kliniken zeigten sich regional unterschiedlich. In Ostdeutschland schnitten sie nur leicht schlechter ab als private Kliniken. Öffentlich-rechtliche Häuser waren dort sogar weniger insolvenzgefährdet als freigemeinnützige. Vor allem in Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Niedersachsen, Bremen, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern – also durchweg in Krankenhäusern der alten Bundesländer – war die Lage vieler öffentlich-rechtlicher Häuser dagegen kritisch.

Bettenzahl verharrt bei rund 500.000

Die Krankenhauskapazitäten haben sich im Jahr 2014 gegenüber dem Vorjahr nur wenig verändert. Die Zahl der Betten verharrte bei knapp über 500.000. Die Zahl der Krankenhäuser (bzw. Institutskennziffern) verringerte sich um 0,9 Prozent auf 1.980. Der bettenbezogene Marktanteil privater Krankenhäuser erreichte im Jahr 2014 wieder das Niveau des Jahres 2012 – 16,8 Prozent. Der Marktanteil öffentlich-rechtlicher und freigemeinnütziger Krankenhäuser blieb nahezu konstant bei 49,0 bzw. 34,2 Prozent.

Verweildauer sinkt auf 7,4 Tage

Die durchschnittliche Verweildauer sank weiter auf 7,4 Tage, die Bettenauslastung verharrte bei 77 Prozent. Das gesamte Casemix-Volumen stieg im Jahr 2014 um 2,0 Prozent, die Fallzahl um 1,9 Prozent. Die Gesamtausgaben für Krankenhäuser erreichten 86 Mrd. Euro (+ 4,3 Prozent). Die Krankenhauskosten je Einwohner fielen 2014 mit rund 892 Euro in Baden-Württemberg am niedrigsten und mit 1.203 Euro im Saarland am höchsten aus.

Bis 2030 nehmen wir derzeit einen Rückgang der Verweildauer auf 6,0 Tage an. Daher ist trotz steigender Patientenzahlen mit einem Rückgang des Bettenbedarfs zu rechnen. Unter Berücksichtigung der Demografie, wachsender Prävalenzraten und des ambulanten Potenzials dürften die Bettenüberkapazitäten von 9 Prozent auf 10 Prozent (2020) und 13 Prozent (2030) steigen. Jedoch erwarten wir in diesem Szenario bis 2020 weiter eine Zunahme der Zahl der Vollzeitkräfte in allen medizinischen Diensten. Weitere interessante Zahlen im Detail:

  • Gegenüber 2012 und 2013 blieb die Insolvenzwahrscheinlichkeit der Krankenhäuser im Jahr 2014 weitgehend unverändert. Immerhin 11 Prozent befanden sich im roten Bereich mit erhöhter Insolvenzgefahr, 11 Prozent im gelben und 78 Prozent im grünen Bereich. Die Ertragslage und damit der Ausblick haben sich allerdings gebessert. Die Umsatzrendite stieg im Jahr 2014 auf 1,8 Prozent nach 1,3 Prozent in 2013 und 0,7 Prozent in 2012.
  • Im Jahr 2014 waren 54 Prozent der Krankenhäuser voll investitionsfähig, nach 47 Prozent im Jahr zuvor. Nach wie vor ist die Kapitalausstattung der Krankenhäuser unzureichend. Ein hoher Anteil des Sachanlagevermögens war bereits stark abgeschrieben.
  • Die Bundesländer stellten 2014 Fördermittel in Höhe von 2,78 Mrd. Euro zur Verfügung. Im Verhältnis zu den Erlösen der Krankenhäuser belief sich ihr Anteil nur auf 3,4 Prozent. Im Jahr 2000 hatte er noch bei 6,8 Prozent gelegen. Mithin sank der Anteil des geförderten am gesamten Anlagevermögen von 60 Prozent im Jahr 2008 auf 51 Prozent im Jahr 2014.
  • Der geschätzte jährliche Investitionsbedarf der Krankenhäuser (ohne Unikliniken) beläuft sich auf rund 5,5 Mrd. Euro, soll das vorhandene Sachanlagevermögen gehalten werden. Er beläuft sich sogar auf 6,6 Mrd. Euro, wenn als Benchmark das Sachanlagevermögen der Krankenhäuser in den neuen Bundesländern angesetzt wird. Die jährliche Förderlücke der Länder liegt damit bei 2,8 bzw. 3,9 Mrd. Euro – 34 bzw. 48 Euro je Einwohner.
  • Krankenhäuser schließen diese Förderlücke teils mit eigenfinanzierten Investitionen von 1,9 Mrd. Euro, sodass sich noch eine Investitionslücke von 0,9 bis 2,0 Mrd. Euro ergibt. Am größten ist der Investitionsstau in Niedersachsen/Bremen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz/Saarland.

Ländliche Grundversorger mit zufriedenen Patienten

Im Rahmen einer Sonderanalyse identifizierte die Studie ländliche Grundversorger im Wesentlichen anhand folgender Kriterien:

  • 50 bis 200 Betten
  • Standort nicht in kreisfreien Städten oder Stadtstaaten
  • keine Fachkliniken

Danach gab es im Jahr 2014 insgesamt 231 ländliche Grundversorger mit insgesamt 30.600 Betten, also rund 133 Betten je Einrichtung. Im Durchschnitt entfielen 60 Betten auf die Innere Medizin und 40 Betten auf die Chirurgie. Weitere wichtige Abteilungen waren Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Klinische Geriatrie sowie Orthopädie. In diesen Häusern war die Patientenzufriedenheit mit 81 Prozent höher als bei städtischen Krankenhäusern mit Grundversorgungsangebot (78 Prozent).

Die wirtschaftliche Lage ländlicher Großversorger fiel dagegen deutlich schlechter aus. Besonders im Jahr 2012 kam es zu einer starken Verschlechterung, jedoch – entgegen dem Trend – mit einer anschließenden Erholung auf niedrigem, aber immer noch unterdurchschnittlichem Niveau.

Ausblick: Wachsender Innovationsbedarf

Unternehmerische Gestaltungsfreiheit ist wichtig, um auch technologischen Innovationen den Zugang zum Gesundheitswesen zu erleichtern. Die anstehende gewaltige Herausforderung der Schließung der wachsenden Finanzierungslücke im Gesundheitswesen – besonders im Laufe der 2020er-Jahre – wird nicht allein dadurch gemeistert werden können, dass die Ablauf- und Aufbauorganisation der Leistungserbringer immer weiter optimiert wird.

Vielmehr werden dazu völlig neue effizienzsteigernde und möglicherweise systemverändernde Innovationen nötig sein. Darunter fallen Themen wie Digitalisierung der Medizin, künstliche Intelligenz, Wearables und „Insideables“, Robotik, 3-D-Druck, Gendiagnostik und mehr. Dazu zählt auch der Trend zur Ambulantisierung der Medizin. Der selbstfahrende Pkw, Drohnen aus der Luft und Telemedizin werden zur Versorgung der Fläche benötigt.