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Mitgebrachte Speisen im Krankenhaus: Ein schöner, aber hygienisch gefährlicher Brauch?

von Fachanwältin für Medizinrecht Rosemarie Sailer, LL.M., Wienke & Becker – Köln, www.kanzlei-wbk.de

„Krankenhausaufenthalte gefährden Ihre Gesundheit.“ – In Zeiten, in denen jeden zweiten Tag Berichte von MRSA-Keimen in Krankenhäusern in der Tagespresse erscheinen, könnte man fast zu dem Eingangsfazit gelangen. Doch abseits von Übertreibungen stellt sich tatsächlich die Frage, ob der gut gemeinte Brauch von Familien, dem verwandten Patienten selbstgekochte Speisen von zu Hause mitzubringen und vom Pflegepersonal aufwärmen zu lassen, gefährliche Infektionsgefahren birgt.

Positive Wirkung mitgebrachter Speisen

Kann also eine nosokomiale Infektion – d. h. eine Infektion, die im Zuge eines Krankenhausaufenthalts auftritt – durch mitgebrachte Speisen von Angehörigen entstehen? Gerade in hämatologisch-onkologischen Bereichen bringt die eigene „Leibspeise“ zumindest ein Stück Heimat in den fremden Klinikalltag, durchbricht den therapiebedingten Appetitverlust und hat somit einen positiven Effekt auf den Heilungsverlauf – vor allem bei schwerstkranken Menschen, die einen längeren Krankenhausaufenthalt überstehen müssen.

Verdorbene Speisen als Keimquellen für Infektionen

Angesichts der aktuellen Häufung von Problemen mit Krankenhauskeimen und der Vielzahl von Hygieneregeln verwundert der sorglose Umgang einiger Kliniken bei dem Thema. Denn werden die Speisen in der stationseigenen Mikrowelle erwärmt, im Kühlschrank der Stationsküche gelagert und die Reste in dortigen Abfalleimern entsorgt, können zahlreiche Keimquellen entstehen – insbesondere, wenn Speisen mehrfach erwärmt werden.

Gefahr für schwerstkranke und immungeschädigte Patienten

Die Folge kann eine Vermehrung der Erreger von Lebensmittelinfektionen sein – hier sind vor allem Staphylokokken, Salmonellen, Yersinien, Shigellen und Listerien zu nennen. Staphylokokken können in Lebensmitteln ein Toxin erzeugen. Das Problem: Wenn die Nahrung erwärmt wird, stirbt zwar das Bakterium ab – das Toxin bleibt meist aber stabil genug, um entsprechende Wirkung zu zeigen. Gerade für schwerstkranke und immungeschädigte Patienten stellen solche Erreger potenziell eine große Gefahr dar.

Vier wichtige Fragen um selbstgekochte Speisen in der Klinik

Für die tägliche Praxis der Versorgung auf der Normalstation ist zu klären,

  • ob der Verzehr mitgebrachter Speisen grundsätzlich zu dulden ist,
  • ob die Speisen auf Station erwärmt und aufbewahrt werden sollten,
  • welche besonderen Hygienevoraussetzungen dabei zu beachten sind und
  • ob die Klinik bzw. Mitarbeiter haften, wenn doch ein Patient erkrankt.

Rechtsgrundlagen der Krankenhaushygiene

Die gesetzliche Grundlage der Krankenhaushygiene findet sich im Infektionsschutzgesetz (IfSG). Nach § 23 Abs. 3 haben Klinikleiter sicherzustellen,

„ (…) dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um nosokomiale Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen, zu vermeiden.“

 

Zudem müssen Klinikleiter dafür sorgen, dass innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene in Hygieneplänen festgelegt sind. Für Krankenhäuser verbindlich sind insoweit die Richtlinien und Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) bzw. die bei diesem eingerichtete Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention.

RKI-Empfehlungen mit Hygieneregeln für Zubereitung von Speisen

Diese Empfehlungen enthalten auch Anforderungen an die Hygiene bei der Lebensmittelversorgung und ihrer Qualität. Danach sind bei allen Speisen zur Verpflegung von Patienten die allgemeinen hygienischen Regelungen der Herstellung und Zubereitung von Lebensmitteln besonders zu beachten, da die in der Klinik behandelten Patienten aufgrund ihrer Komorbiditäten anfälliger für durch kontaminierte Nahrung verursachte schwere Schäden sind.

Geltung nur für Speisen aus der Klinikküche

Die RKI-Anforderungen und die ebenfalls heranzuziehende EG-Verordnung 852/204/EG gelten allerdings ausdrücklich nur für die Krankenhausküche, sodass Lebensmittel, die von Angehörigen eingekauft oder zubereitet worden sind und ins Krankenhaus mitgebracht wurden, hiervon ausgeklammert sind. Nach Angaben des RKI bestehen auch im Übrigen keine Richtlinien oder Empfehlungen, die den Verzehr mitgebrachter Speisen von Angehörigen regeln. Das bedeutet: Die Details hierzu muss das Krankenhaus regeln!

Hygieneverordnung der NRW-Landesregierung als Beispiel

Auch landesrechtliche Vorschriften enthalten in der Regel keine detaillierten Vorgaben für den Umgang mit mitgebrachtem Essen. Exemplarisch bestimmt die Verordnung über die Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen (HygMedVO), die von der nordrhein-westfälischen Landesregierung erlassen worden ist, dass die Klinikträger die betrieblich-organisatorischen und baulich-funktionellen Voraussetzungen für die Erhal-tung der Hygienegrundsätze sicherstellen müssen. Zudem haben sie für die Umsetzung der notwendigen hygienischen Maßnahmen zu sorgen – insbesondere durch die Bildung einer Hygienekommission.

PRAXISHINWEIS | Jede Klinik muss also selbst darauf achten, auf Grundlage ihres Auftrags zur Infektionsprävention klare Regeln zum Umgang mit mitgebrachten Speisen aufzustellen s- und Mitarbeiter zu informieren und anzuweisen.

 

Therapeutischer Vorteil vs. hygienischer Nachteil

Zumindest in Bereichen, in denen Patienten mit erhöhter Gefährdung versorgt werden – etwa Intensivstation oder Neonatologie -, sollte gänzlich auf potenziell kontaminiertes Essen verzichtet werden. Dies gilt auch für andere Gegenstände: So dürfen hier keine Blumen eingebracht, auf Kinderintensivstationen dürfen zudem keine Kuscheltiere von zu Hause mitgebracht werden. Im Übrigen können mitgebrachte Speisen zugelassen werden, sofern keine medizinischen Einwände bestehen.

Diese Frage ist von der Hygienekommission mit den jeweiligen Chefärzten individuell für jede Abteilung zu erörtern. Aus medizinischer Sicht kann es ratsam sein, Patienten auf Risiken einer Versorgung mit mitgebrachten Speisen von Angehörigen hinzuweisen. Der Oberarzt sollte diese Grundsätze kennen, um bei der Behandlung seiner Patienten vermeidbare Risiken von außen auszuschließen und den Behandlungserfolg nicht zu gefährden.

Haftet des Krankenhauspersonal?

Das Klinikpersonal haftet also nicht für die hygienische Unbedenklichkeit mitgebrachter Speisen, selbst wenn es sie erwärmt. Haftungsrisiken können sich aber ergeben, sobald Personal Keime von mitgebrachten Speisen weiterträgt. Daher sind folgende organisatorische Maßnahmen zu empfehlen:

  • Ausführliche Handdesinfektion nach Zubereitung/Erwärmung der Speisen
  • Regelmäßige Reinigung und Desinfektion der verwendeten Geräte
  • Bestimmungen zur Abfallentsorgung etc. in der Klinik beachten

Vermieden werden sollte unbedingt sowohl das Lagern als auch das mehrfache Erwärmen mitgebrachter Speisen. Wird einmalig erwärmt, sollte die Temperatur ausreichend hoch sein, um gängige Erreger zu minimieren.

PRAXISHINWEIS | Der BGH hat entschieden, dass Hygienemängel große haftungsrechtliche Auswirkungen haben können (Urteil vom 20. März 2007, Az. VI ZR 158/06, Abruf-Nr. 071507). Das Gericht hatte die Infektion einer Patientin aufgrund eines unzureichenden Hygienemanagements eindeutig dem Bereich der voll beherrschbaren Risiken der Klinik zugeordnet. Das bedeutet, dass Ursache und Schuld beim Arzt vermutet werden und dieser sich mühsam entlasten muss.

 

Konsequenzen für die Praxis

Grundsätze für mitgebrachte Lebensmittel können in die Allgemeinen Vertragsbedingungen der Klinik bzw. in die Hausordnung aufgenommen werden – etwa, dass leicht verderbliche oder selbstzubereitete Lebensmittel nur nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt mitgebracht und verzehrt werden dürfen und im Übrigen die hygienischen Vorgaben des Personals einzuhalten sind. Zur Umsetzung solcher Regeln sollten sich Hygienekommission und Chefärzte eng abstimmen. Der Oberarzt sollte Missstände in seiner Abteilung melden, um die Befolgung der Hygieneregeln sicherzustellen.