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Oberarzt hat keinen vertraglichen Anspruch auf Beteiligungsvergütung gegenüber Chefarzt

Von Rechtsanwalt Benedikt Büchling, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

Ein Oberarzt hat keinen vertraglichen Anspruch darauf, dass sein Chefarzt ihm Anteile seiner Privatliquidationserlöse abgibt – selbst wenn die Berufsordnungen mancher Landesärztekammern dies vorsehen. Dies entschied das Amtsgericht (AG) Lüdinghausen in seinem Urteil vom 21. April 2016 (Az. 4 C 288/15). 

Sachverhalt: Ehemalige „Arbeitsfreunde“ streiten ums Geld

Der beklagte Chefarzt leitete eine Universitätsklinik. Hierfür erzielte er über ein Liquidationsrecht Einkünfte aus privatärztlichen ambulanten und stationären Leistungen. Für die Nutzung von Klinikpersonal war er vertraglich verpflichtet, größere Anteile seiner privatärztlichen Einkünfte an das Klinikum abzuführen. Der Vertrag enthielt hingegen keine Verpflichtung, seine nachgeordneten Ärzte an den Einnahmen aus der Privatliquidation zu beteiligen.

Der klagende Oberarzt war Angestellter der Uniklinik und ständiger Vertreter des Chefarztes. Dieser ließ sich nach einem privaten Schicksalsschlag bei den Behandlungen von Privatpatienten, bei denen er selbst privatärztliche stationäre Leistungen (Wahlleistungen) abrechnete, vom Oberarzt vertreten. Unklar blieb vor Gericht, welchen Umfang diese Vertretungen hatten.

 Freundschaftliches Verhältnis zwischen Chef- und Oberarzt

Zwischen dem Chef- und dem Oberarzt entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis, wobei sich die beiden häufiger per E-Mail austauschten. So schrieb der Chefarzt u. a.: „Es soll zwischen uns nichts offen bleiben, denn wir beide brauchen Geld für unsere Kinder“, „Ich danke Ihnen sehr, dass Sie mich so unterstützen“ und „Wir haben noch eine Rechnung offen, und die werde ich begleichen!“ Der Oberarzt schrieb zudem diesen Satz an den Chefarzt: „Vor Eintritt in die Klinik hatten Sie mir gesagt, es gebe keine Beteiligung an der Privatliquidation, weil es so wenig sei.“

Streit über Beteiligungsvergütung nach Pensionierung des Chefarztes

Nachdem der Chefarzt pensioniert worden war, verlangte der Oberarzt eine Mitarbeiterbeteiligung. Dies lehnte der Chefarzt ab, woraufhin sich eine längere Auseinandersetzung entwickelte. Schließlich begehrte der Oberarzt auf dem Klageweg Auskunft darüber, welche Leistungen der Chefarzt erbracht habe, und verlangte die Zahlung einer Beteiligungsvergütung. Er argumentierte, dass der Chefarzt wegen einer konkludent geschlossenen vertraglichen Vereinbarung verpflichtet sei, ihn an den Einnahmen aus der privatärztlichen Liquidation zu beteiligen. Der Chefarzt war der Ansicht, dass er weder vertraglich noch aus sonstigen Gründen verpflichtet war, Liquidationserlöse aus der Behandlung von Privatpatienten an den Oberarzt abzugeben.

Urteil: Oberarzt hat keinen Rechtsanspruch auf Beteiligung

Der Oberarzt hat nach dem Urteil des AG Lüdinghausen keinen Rechtsanspruch auf Beteiligung an Liquidationserlösen des Chefarztes. Eine entsprechende vertragliche Abrede zwischen Chef- und Oberarzt habe es nicht gegeben. Denn diese setze voraus, dass der Chefarzt eine Willenserklärung abgegeben hätte, mit der er sich rechtlich binden wollte, den Oberarzt für die „überobligatorischen“ Vertretungsleistungen an den Erlösen aus den Wahlleistungen in Form von Geldzahlungen zu beteiligen. Ein solcher Rechtsbindungswille und eine entsprechende Einigung seien nicht zu erkennen.

Keine vertragliche Abrede über Beteiligung durch E-Mail-Verkehr

Aus juristischer Sicht müsse verlangt werden, dass eine solche Vereinbarung eine konkrete Form mit eindeutiger Wortwahl habe. Vermeintliche Zusagen im Sinne von „ein Mann – ein Wort“ seien juristisch unbeachtlich. Die Gesamtschau der E-Mail-Korrespondenz zwischen Chef- und Oberarzt lasse, so das Gericht, letztlich nicht sicher darauf schließen, dass hier eine vertragliche Abrede getroffen wurde.

Keine Pflicht zur Beteiligung im Dienstvertrag des Chefarztes

Für den Chefarzt habe es zudem keine dienstvertragliche Pflicht gegeben, etwaige Abgaben oder Abrechnungsanteile direkt an die vertretenden Oberärzte zu leisten. Im Rahmen seines Dienstverhältnisses mit dem Uniklinikum habe der Oberarzt auch die Vertretung des Chefarztes zu übernehmen. Aus der E-Mail-Korrespondenz ergebe sich, dass der Oberarzt bei Eintritt in die Klinik nicht davon ausging, an Privatliquidationen beteiligt zu werden.

Berufsordnung gibt dem Oberarzt keinen Anspruch auf Beteiligung

Soweit der Oberarzt auf standesrechtliche Vorschriften aus der Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe oder auch einer solchen aus Niedersachsen verweist, könne daraus keine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage hergeleitet werden, nach der der Oberarzt an den Liquidationserlösen des Chefarztes beteiligt werden müsse, so das AG Lüdinghausen.

PRAXISHINWEIS | Die meisten ärztlichen Berufsordnungen sehen eine Beteiligung der ärztlichen Mitarbeiter an den Erlösen des Chefarztes für Privatliquidationen aus stationären Wahlleistungen bzw. an seiner Beteiligung hieran vor; doch allein die niedersächsische enthält eine Aussage darüber, welche Beteiligung angemessen ist: mindestens 20 Prozent. Erbringt der nachgeordnete Arzt die Leistung überwiegend, so steigt dieser Anteil auf mindestens 50 Prozent.

 

Doch Vorsicht: Die Berufsordnung begründet keine durchsetzbaren Zahlungsansprüche. Etwas anderes kann sich aus einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen Chefarzt und nachgeordnetem Arzt ergeben, die auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) zustande kommen kann (vgl. Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.11.1991, Az. 5 AZR 36/91 und des Landesarbeitsgerichts Köln vom 13.1.2011, Az. 6 Sa 942/10). Insoweit kann z. B. aus einer wiederholten vorbehaltslosen Zahlung in der Vergangenheit ein Anspruch hergeleitet werden. Erst wenn die wesentlichen Vertragsbestandteile sowie ein Rechtsbindungswille vorliegen, kann angenommen werden, dass eine vertragliche Abrede vorliegt.