Recht

Präsenz-Betriebsratssitzung trotz Covid-19-Pandemie zulässig

Der Gesetzgeber hat mit der bis zum Jahresende 2020 befristeten Regelung des § 129 BetrVG die Möglichkeit für Personal- und Betriebsräte geschaffen, virtuelle Sitzungen abzuhalten. Doch darf ein Arbeitgeber eine Präsenzsitzung des Betriebsrates untersagen?

von Klaus-Dieter Franzen, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz (VDAA), Bremen

Ein Gesamtbetriebsrat beabsichtigte, eine Präsenzsitzung durchzuführen. Auf der Tagesordnung standen auch Wahlen. Der Arbeitgeber untersagte dem Gesamtbetriebsrat Präsenzsitzungen und verwies auf Video- oder Telefonkonferenz. Zur Begründung verwies der Arbeitgeber auf die Ansteckungsrisiken, die durch das überregionale Zusammentreffen der Betriebsräte entstehen. Diese seien im Hinblick auf die Gefahr einer Verbreitung der Erkrankung nicht hinnehmbar.

Der Gesamtbetriebsrat wandte sich gegen die Untersagung und hielt an der geplanten Präsenzveranstaltung fest. Das Landesarbeitsgericht entschied: Die geplante Präsenzsitzung sei vom Arbeitgeber hinzunehmen. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz entscheide der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats über die Einberufung der Sitzung und damit über den Sitzungsort. Der Gesamtbetriebsrat könne für die konkret anstehende Sitzung auch nicht auf eine nach § 129 BetrVG mögliche Sitzung in Form einer Video- oder Telefonkonferenz verwiesen werden: Es stünden geheime Wahlen an, deren Durchführung im Rahmen einer Video- oder Telefonkonferenz nicht möglich sei.

Das damit einhergehende möglicherweise erhöhte Ansteckungsrisiko berechtige den Arbeitgeber nicht, die Sitzung zu verbieten. Am Veranstaltungsort gelte zwar eine Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung. Gleichwohl berechtige das (trotz zu erwartender Beachtung der Verhaltensvorgaben) verbleibende Risiko den Arbeitgeber nicht zur Untersagung der Sitzung als Präsenzveranstaltung.

[!] Offen blieb, ob sich für zukünftige Sitzungen ohne anstehende Wahlen etwas Anderes ergebe. Nach Ansicht des Gerichts muss stets im Einzelfall abgewogen werden. Deshalb wurde ein Antrag des Gesamtbetriebsrats zurückgewiesen, der auf eine generelle Erlaubnis von Präsenzsitzungen zielte. Im Einzelfall kann also ein Untersagungsrecht bestehen!

LAG Berlin-Brandenburg vom 24.08.2020 – 12 TaBVGa 1015/20