ArbeitRecht

Reform des Mutterschutzes: Neue Perspektiven für schwangere Klinik-Ärztinnen?

von Dr. Tobias Scholl-Eickmann und Dr. Christina Thissen, beide Fachanwalt für Medizinrecht bei der Kanzlei am Ärztehaus, kanzlei-am-aerztehaus.de

Die medizinischen Berufe betrifft das Thema Mutterschutz in besonderem Maße. In vielen Kliniken werden (prophylaktisch) Beschäftigungsverbote ausgesprochen, sobald eine Mitarbeiterin ihre Schwangerschaft anzeigt. Vielen Schwangeren ist dieser pauschalierte Ausschluss vom Arbeitsleben aber ein Dorn im Auge. Gerade die Ärzteschaft forderte daher immer lauter eine Reform des Mutterschutzes. Jetzt liegt ein Gesetzentwurf zur Neuregelung des Mutterschutzrechts vor. Dürfen Ärztinnen in Krankenhäusern mit wesentlichen Änderungen rechnen?

Gesetzentwurf – die vorgesehenen Neuerungen

Mit dem Gesetzesentwurf zur Neuregelung des Mutterschutzrechts soll zum 1. Januar 2017 verständlicher geregelt werden, welche Möglichkeiten es gibt, Frauen weiterzubeschäftigen, die schwanger sind oder stillen. Dadurch soll u. a. vermieden werden, dass diese Frauen durch Beschäftigungsverbote berufliche Nachteile erleiden – immer unter der Voraussetzungen, dass die Gesundheit von Mutter und (ungeborenem) Kind angemessen geschützt ist.

 In das Mutterschutzgesetz werden die Regelungen der „Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz“ (MuSchArbV) integriert – hierdurch sollen die Mutterschutzregelungen sowohl für die Arbeitgeber als auch für Frauen in Schwangerschaft und Mutterschaft transparenter werden. Die einheitliche Kodifizierung soll zudem Rechtsunsicherheiten beseitigen.

Pflichten für Arbeitgeber werden neu strukturiert

Die Pflichten der Arbeitgeber, wie sie Arbeitsbedingungen für schwangere und stillende Frauen zu gestalten haben, werden neu strukturiert und klarer gefasst. Arbeitgebern soll es dadurch erleichtert werden, die Gefährdung für Schwangere oder Stillende realistisch einzuschätzen und hierauf angemessen zu reagieren. Zugleich soll vermieden werden, dass Arbeitgeber Vorschriften nicht kennen und infolgedessen ein pauschales Beschäftigungsverbot aussprechen, das der tatsächlichen Sach- und Rechtslage nicht gerecht wird.

Arbeitgeber muss Gefährdungen möglichst vermeiden

Gemäß § 8 des Gesetzesentwurfs ist der angestellten Frau während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und während der Stillzeit die Fortführung ihrer Tätigkeit zu ermöglichen, soweit es nach den Vorschriften des Mutterschutzgesetzes verantwortbar ist. Der Arbeitgeber muss die Arbeitsbedingungen so gestalten, dass Gefährdungen möglichst vermieden werden und eine unverantwortbare Gefährdung ausgeschlossen ist. Wenn unverantwortbare Gefährdungen festgestellt werden, sind sodann gemäß § 12 des Entwurfs vom Arbeitgeber in folgender Reihenfolge Schutzmaßnahmen zu treffen:

  • 1. Umgestaltung des Arbeitsplatzes
  • 2. Ist eine Umgestaltung nicht möglich, muss der Einsatz an einem anderen, geeigneten Arbeitsplatz geprüft werden
  • 3. Nur als Ultima Ratio: Beschäftigungsverbot

Konsequenzen für den Mutterschutz für Ärztinnen

Unbefriedigend war bisher die Situation für schwangere Ärztinnen, die z. B. im Bereich Orthopädie, Dermatologie, Urologie oder Gynäkologie tätig waren: Wurde eine Ärztin in einer dieser Fachgruppen schwanger, ging die Klinikleitung meist auf „Nummer sicher“ und untersagte pauschal sämtliche Tätigkeiten im Operationssaal. Beantragte die Ärztin daraufhin über den Arbeitgeber, den Betriebsarzt oder die zuständige Aufsichtsbehörde, weiterhin operativ tätig sein zu dürfen, wurde dieser Antrag über mehrere Monate nicht beschieden. Das „Problem“ hatte sich irgendwann „von selbst“ erledigt.

Gesetz könnte Praxis des Verzögerns beenden

Diese Praxis führte gerade für Ärztinnen in Weiterbildung zu deutlichen Nachteilen mit Blick auf die zu erreichenden Eingriffszahlen. Die Folge war, dass Ärztinnen ihre Schwangerschaft oft lange verheimlichten. Durch die Neufassung des Gesetzes könnte diese unwürdige Praxis ein Ende finden. Denn nun dürften ausreichende Schutzmaßnahmen möglich sein, um das Risiko bei Tätigkeiten im OP auf ein verantwortungsvolles Maß zu reduzieren.

Berufsverbände haben „Positivlisten“ erstellt

Schon jetzt haben einzelne Berufsverbände sog. „Positivlisten“ erarbeitet, in denen elektive operative Eingriffe benannt sind, die auch schwangere Ärztinnen durchführen können. Vorausgesetzt wird hierbei, dass Schutzmaßnahmen eingehalten werden – z. B. die Abklärung des HIV- und Hepatitis-Status des Patienten oder der Einsatz von stichsicheren Handschuhen.

Beachten Sie | Unverändert wird jedoch weiterhin keine Frau gezwungen, ihre Schwangerschaft zu offenbaren. Man wird abwarten müssen, ob sich die Situation für schwangere Ärztinnen wirklich verändert, nachdem das Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts in Kraft getreten ist.

PRAXISHINWEIS | Unabhängig von der Neuregelung wird es auch künftig ein sog. „Ärztliches Beschäftigungsverbot“ geben. Dieses erfasst lediglich individuelle Umstände in der Schwangerschaft oder nach der Entbindung. Der damit befasste Arzt entscheidet in eigener Verantwortung, ob die Tätigkeit die Gesundheit der schwangeren Frau oder ihres Kindes gefährdet und attestiert der Schwangeren ein ärztliches Beschäftigungsverbot, wenn dies der Fall ist. Der Arzt kann dabei sowohl ein vollumfängliches als auch ein teilweises, befristetes, aufgabenbezogenes oder vorläufiges Beschäftigungsverbot attestieren.

 

Benennt der Arzt in der ärztlichen Bescheinigung die gefährdenden Tätigkeiten oder Arbeitsbedingungen konkret, so wird diese Bescheinigung dadurch ungültig, wenn der Arbeitgeber die benannten Gefährdungen abwendet. Hierfür muss er der Schwangeren eine geeignete und zumutbare Tätigkeit zuweisen und dies in einer neuen konkretisierten Gefährdungsbeurteilung schriftlich dokumentieren.