Recht

Verpflichtung ermächtigter Ärzte zum ärztlichen Bereitschaftsdienst ist rechtswidrig

von RAin und FAin für MedR Anke Vorrink, LL.M., Kanzlei Klostermann pp., Bochum, www.klostermann-rae.de

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) darf ermächtigte Krankenhausärzte nicht zum ärztlichen Bereitschaftsdienst verpflichten. Mit dieser Entscheidung hat das Landessozialgericht (LSG) Hessen das Urteil der Vorinstanz kassiert und einem leitenden Oberarzt Recht gegeben (LSG Hessen, Urteil vom 14.12.2016, Az. L 4 KA 18/15 ). Die unterlegene KV Hessen hat inzwischen Revision beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegt.

Sachverhalt

Ein leitender Oberarzt einer Klinik für Urologie, der zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt war, hatte gegen einen Bescheid der KV Hessen geklagt. Aus diesem ergab sich, dass auch ermächtigte Krankenhausärzte zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst verpflichtet seien. Die KV stützte sich auf § 3 der von ihr erlassenen Bereitschaftsdienstordnung (BDO). Danach sollen ermächtigte Krankenhausärzte im Umfang von 25 Prozent ihres Versorgungsauftrags am ärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmen. Im konkreten Einzelfall behielt sich die KV vor, einen höheren Teilnahmeumfang festzulegen. Das LSG Hessen sah diese Regelung als unwirksam an.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des Gerichts verstößt die streitgegenständliche Regelung in der BDO gegen höherrangiges Recht. Zwar räume das BSG den KVen grundsätzlich bei der Ausgestaltung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes einen weiten Gestaltungsspielraum ein (BSG, Urteil vom 06.09.2006, Az. B 6 KA 43/05 R). Die KV überschreite aber diesen Gestaltungsspielraum, indem sie auch ermächtigte Krankenhausärzte grundsätzlich zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst verpflichte. Die Vorgaben des Gesetzgebers zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst seien in erster Linie am Status des Vertragsarztes in freier Praxis ausgerichtet.

Das LSG Hessen sah zwei erhebliche Unterschiede zwischen einem Vertragsarzt in freier Praxis und einem ermächtigten Krankenhausarzt bzw. einem in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) tätigen Vertragsarzt:

  • 1. Nach den gesetzlichen Vorschriften ist die Ermächtigung eines Krankenhausarztes sehr eng begrenzt. Sie kann nur erteilt werden, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten nur mithilfe der besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse des Krankenhausarztes sichergestellt werden kann. Deshalb ist eine Ermächtigung gegenüber der Zulassung nachrangig und zudem durch die Zulassungsgremien explizit auf einen bestimmten Umfang zu begrenzen.

  • MERKE | Im vorliegenden Fall hatte der Zulassungsausschuss für Ärzte der KV Hessen die Ermächtigung des leitenden Oberarztes auf 135 Fälle im Quartal begrenzt. Der leitende Oberarzt durfte zudem nur bestimmte Leistungen auf Überweisung von niedergelassenen Urologen erbringen.
  • 2. Darüber hinaus kann ein ermächtigter, im Krankenhaus (oder MVZ) angestellter Arzt anders als ein in freier Praxis tätiger Vertragsarzt nicht frei über das Personal und die Arbeitsmittel des Krankenhauses/MVZ verfügen. Er kann auch nicht seine Arbeitszeit einfach zur Ableistung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes nutzen.

Diese Unterschiede zwischen dem ermächtigten und dem niedergelassenen Vertragsarzt hielt das LSG Hessen für ausreichend, um eine Ungleichbehandlung in Bezug auf die Einbeziehung zugelassener Vertragsärzte einerseits und ermächtigter Krankenhausärzte andererseits zu rechtfertigen.

Wenn Sie betroffen sind, legen Sie Widerspruch ein!

Die Argumentation und die Entscheidung des LSG Hessen, niedergelassene Ärzte und Krankenhausärzte bei der Verpflichtung zum ärztlichen Bereitschaftsdienst unterschiedlich zu behandeln, sind nachvollziehbar. Die im Urteil getroffenen Aussagen lassen sich problemlos auf die in anderen Bundesländern bestehenden BDOen übertragen, die Regelungen zur Teilnahme von ermächtigten Krankenhausärzten am ärztlichen Bereitschaftsdienst vorsehen.

Solange das BSG noch nicht entschieden hat, sollten Sie daher als ermächtigter Oberarzt im Krankenhaus jedem KV-Bescheid widersprechen, der Sie zum Bereitschaftsdienst heranzieht. Führen Sie als Begründung das Urteil des LSG Hessen an. Selbst wenn eine Entscheidung des BSG nicht rechtzeitig vor Ableistung Ihres Bereitschaftsdienstes gewährleistet werden kann, wahren Sie durch den Widerspruch den Rechtsweg.

PRAXISHINWEIS | Falls das BSG die Rechtsprechung des LSG Hessen im Sinne ermächtigter Krankenhausärzte bestätigt, kann die KV ihren Bescheid entweder selbst korrigieren oder aber Sie können per Klage nachträglich feststellen lassen, dass Ihre Heranziehung zum ärztlichen Bereitschaftsdienst unzulässig war (Fortsetzungsfeststellungsklage). So haben Sie die Möglichkeit, ggf. eine Entschädigung zu erstreiten und für die Zukunft feststellen zu lassen, dass eine Beteiligung am ärztlichen Bereitschaftsdienst unzulässig ist.