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Von der Gruppe zum erfolgreichen Team – was Oberärzte dazu beitragen können

von Dipl.-Päd. Werner Fleischer, Beratung – Coaching – Moderation, www.ihrcoach.com

Am Erfolg einer Klinik oder einer Abteilung ist immer ein ganzes Team von Fachkräften beteiligt ist. Doch ein Team entsteht nicht automatisch durch die Zusammenarbeit von Individuen. Vielmehr muss das Team aufgebaut und der Teamgeist ständig gefördert werden. Oberärzte mit Führungsfunktion müssen daher ihre Mitarbeiter zu einem Team formieren und für eine gute Zusammenarbeit zu sorgen. Dabei sollten sie allerdings nicht ausschließlich allein agieren – auch die regelmäßige Abstimmung mit dem Chefarzt und mit Oberarzt-Kollegen trägt zur erfolgreichen Leitung bei. 

Wovon hängt die erfolgreiche Teamentwicklung ab?

Für die Stabilität eines Teams sorgen die einzelnen Teammitglieder. Maßgeblich beeinflusst wird der Zustand eines Teams von transparenten Zielen und qualitativ guten Beziehungen. Davon hängt entscheidend ab, ob das Gesamtsystem vorwärtskommt. Die Grafik zeigt die wichtigsten Parameter auf:

Doch ein Team ist kein starres Konstrukt. Vielmehr verändert es sich im Laufe der Zeit: Mitglieder verlassen das Team, neue kommen hinzu, es entstehen Konflikte, Allianzen werden geschmiedet. Die Entwicklung von der Gruppe zum Team lässt sich in vier Phasen einteilen, die von der Teamleitung beachtet und aktiv gestaltet werden sollten.

1. Orientierungsphase: Forming

Die Teamstruktur ist von Unsicherheit geprägt. Die Gruppenmitglieder probieren noch aus, welches Verhalten akzeptabel ist, und sind auf der Suche nach ihrer Position innerhalb des Teams. Die Abhängigkeit von der Leitung ist sehr groß. In dieser Phase sollten Teilaufgaben und Regeln klar definiert sein.

2. Konfrontationsphase: Storming

Nachdem sich die Gruppe etabliert hat, folgt eine Phase, die geprägt ist von Turbulenzen und Konflikten. Meinungen polarisieren sich, Konkurrenz- und Machtverhalten zwischen den Gruppenmitgliedern wird sichtbar. In dieser Phase entstehen auch Konflikte mit der Leitung.

3. Kooperationsphase: Norming

Das Team einigt sich auf Spielregeln, Werte und Normen. Der Widerstand gegenüber der Leitung wird abgebaut, teaminterne Konflikte reduzieren sich. Es entsteht ein „Wir-Gefühl“. Das Verhalten im Hinblick auf die Arbeitsaufgabe ist durch offenen Austausch von Meinungen und Gefühlen gekennzeichnet.

4. Wachstumsphase: Performing

Jetzt ist das Team optimal aufgestellt. Personelle Probleme sind gelöst oder entschärft. Das Team ist auf seine Aufgaben und Ziele fokussiert.

Die Übergänge zwischen diesen Phasen sind fließend. Die Entwicklung eines Teams verläuft nicht zwingend linear. Veränderungen im Team können zu Rückschritten oder raschen Fortschritten in der Teamentwicklung führen.

Kommunikation und Transparenz

Die wesentliche Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Teams ist die offene und partnerschaftliche Kommunikation. Um sich über allgemeine Themen abzustimmen, sind regelmäßige Teambesprechungen unerlässlich. Damit sie zeitlich in einem verträglichen Rahmen bleiben, sollten sie straff geführt und strukturiert werden. Sie sind für alle Teammitglieder verbindlich. Nur wichtige Gründe rechtfertigen es, fernzubleiben.

Allerdings sind Teambesprechungen nicht das alleinige Führungsinstrument. Sie dienen nur der Information über die Themen, die für alle Teammitglieder bedeutsam sind. Keinesfalls entbinden sie von der Pflicht, die Team-Mitglieder, abhängig von ihren jeweiligen Reifegraden, zu führen. Zusätzlich tragen Briefing- und Debriefing-Gespräche bei Schichtbeginn und -ende sowie regelmäßige bilaterale Feedback-Gespräche zum Funktionieren des Teams bei:

  • Briefing-Gespräch bei Schichtbeginn für zwei bis drei Minuten: Welche Teammitglieder sind heute da? Was liegt an? (Ausstrahlen von Zuversicht)
  • Debriefing-Gespräch bei Schichtende für einige Minuten: Dank für die Zusammenarbeit. Was haben wir geschafft? Ggf. Restthemen des Tages klären.

Die Teamziele

Ein wichtiges Merkmal funktionierender Teams ist die konsequente Verfolgung von Zielen. Zielklarheit, Zieltransparenz und Zielverbindlichkeit sind wesentliche Bestandteile der Teamidentität. Eine klare Zielorientierung verhindert Desorientierung und dient der Weiterentwicklung. Daher sollten Ziele für alle verständlich formuliert und einvernehmlich vereinbart werden. Dabei gilt es auch, die folgenden Begleitumstände im Blick zu behalten.

  • Sind die gewählten Vorgehensweisen, zum Beispiel abgestimmte Standard Operating Procedures (SOPs), für die Zielerreichung hilfreich?
  • Werden die Präferenzen und Fähigkeiten der Teammitglieder optimal genutzt?
  • Sind die Funktionen und Aufgaben im Team sinnvoll verteilt?
  • Werden die Spielregeln (wöchentliche Teamsitzungen etc.) eingehalten?

  • Beispiel 1: Drei neue Assistenzärzte werden dem Team zugeordnet.

Aufgrund einer Umstrukturierung wurden einem Team drei neue Assistenzärzte zugeordnet. Sie alle haben bislang schwache Leistungen gezeigt, halten sich kaum an die Spielregeln im Team und bleiben meist unter sich. Best Practice: Die drei sollten in einem Meeting darauf hingewiesen werden, dass ihre Leistungen nicht zufriedenstellend waren. Gleichzeitig wird ihnen genau erklärt, welche Ziele und Spielregeln das Team verfolgt und was sie zur Zielerreichung beitragen müssen. Ihnen wird klargemacht, was sie jetzt konkret tun sollen. Wenn möglich, werden die Ideen der drei Assistenzärzte berücksichtigt. Aber in jedem Fall wird sichergestellt und kontrolliert, dass die Ziele und Spielregeln eingehalten werden.

 

Delegieren und kontrollieren

Damit sich die Stärke eines guten Teams voll entfalten kann, sollten Arbeitsaufgaben möglichst weitgehend an die Gruppe delegiert werden. Das schließt auch die Arbeitsverteilung innerhalb des Teams sowie die Planung von Teilaufgaben und Dienstplänen ein. Allerdings befreit die noch so gut funktionierende Delegation den Oberarzt nicht von seiner Kontrollfunktion. Er muss eingreifen, wenn er bemerkt, dass die Umsetzung nicht optimal läuft. Allerdings sollte er im Sinne einer offenen Kommunikation seine Kritik ehrlich begründen.

  • Beispiel 2: Die Assistenzärztin hält den Abgabetermin nicht ein.

In einer Klinik sollen mehrere neue medizinische Geräte angeschafft werden. Eine Assistenzärztin wurde gebeten, sich gründlich über die unterschiedlichen Angebote zu informieren und eine Auswertung zusammenzustellen, auf deren Basis eine vernünftige Entscheidung über Auswahl und Kosten getroffen werden kann. Den Abgabetermin für die Auswertung hat die Assistenzärztin längst überschritten.

Best Practice: Jetzt gilt es, ihr die Dringlichkeit dieser Aufgabe klarzumachen und ihr nochmals zu erklären, was die Aufstellung enthalten soll und welche Schritte sie unternehmen muss, um die erforderlichen Informationen zu erhalten. Zudem werden wöchentliche Treffen geplant, um ihre Fortschritte zu überprüfen.

 

Konflikte im Team bewältigen

Konflikte gehören unweigerlich zur Teamarbeit und Teamentwicklung dazu. In den einzelnen Teamentwicklungsphasen entstehen immer wieder typische Auseinandersetzungen, an denen sich der Entwicklungsprozess des Teams ablesen lässt. Konflikte treten auf der Sach- und der Beziehungsebene auf.

Typische Ursachen für Konflikte auf der Sachebene: Die gemeinsamen Ziele sind nicht klar. Es werden Ziele verfolgt, die konkurrieren oder sich widersprechen. Es besteht keine Einigung über Vorgehensweisen und Methoden.

Typische Ursachen für Konflikte auf der Beziehungsebene: Die Rollenverteilung ist nicht eindeutig. In der Beziehung zwischen Leitung und Team existieren Spannungen. Zwischen den Teammitgliedern kommt es zu Reibereien.

In der Praxis ist es meist schwierig, einen Konflikt innerhalb eines Teams eindeutig der Sach- oder der Beziehungsebene zuzuordnen. Häufig verbergen sich hinter sachbezogenen Konflikten Positions- oder Machtkämpfe. Hinter einem Streit um medizinische Fachkompetenz dreht es sich mitunter um Schwierigkeiten auf der Beziehungsebene.

Teamleiter sollten daher auf die kleinsten Signale achten und versuchen, die eigentlichen Ursachen des Konflikts zu ermitteln. Konflikte, die nicht erkannt oder „unter den Teppich gekehrt werden“, wirken unterschwellig weiter. Werden sie jedoch konstruktiv bewältigt, bringen sie die Gruppe einen großen Schritt weiter auf ihrem Weg zu einem gut funktionierenden Team.

  • Beispiel 3: Zwei gute Assistenzärzte mit gestörter Beziehungsebene

Zwei Assistenzärzte eines Teams haben seit einiger Zeit Probleme miteinander. Beide sind sehr gute Fachärzte und werden sowohl vom Chef- als auch vom Oberarzt sowie von Kollegen und Mitarbeitern geschätzt. Jedoch ist die Beziehung der beiden von starkem Konkurrenzdruck belastet. Daher kommt es immer wieder zu Konflikten, die die Abläufe auf der Station erheblich stören. Best Practice: Beide Ärzte werden vom Oberarzt zu einem Gespräch gebeten, in dem er deutlich macht, dass er eine Verbesserung der Zusammenarbeit erwartet. Er formuliert klar, dass er keine Entscheidung darüber treffen wird, ob die beiden weiterhin zusammenarbeiten, sondern lediglich darüber, wie die Zusammenarbeit gestaltet werden kann.

 

Das funktionierende Team

In einem funktionierenden Team herrscht eine Atmosphäre des Vertrauens. Es gehört zur Aufgabe der Teamleitung, die Impulse für ein positives Klima innerhalb des Teams zu setzen. Dazu gehört:

  • Der Umgang miteinander ist ehrlich und aufrichtig.
  • Die Aufgaben und Abläufe sind zuverlässig verteilt.
  • Die Teammitglieder verfolgen ein gemeinsames Ziel.
  • Es herrscht eine gut funktionierende Kommunikation.
  • Veränderungen werden als Chance betrachtet.
  • Probleme und Konflikte werden sofort geklärt.

Damit die Funktionsfähigkeit eines Teams erhalten bleibt, müssen die Binnenbeziehungen immer wieder überprüft werden.

FAZIT | Die Wirkung von Teams kann sehr unterschiedlich sein. Ein Team, das gegen seinen Leiter oder einzelne Teammitglieder arbeitet, macht die Arbeit unerträglich. Ein schlecht funktionierendes Team sorgt für zusätzlichen Stress. Ein gut funktionierendes Team hingegen gibt allen ein hohes Maß an Sicherheit.