Was ist der Unterschied zwischen Compliance und QM – und für wen ist das wichtig?

von Babette Christophers LL.M., Fachanwältin für Medizin- und Sozialrecht, www.christophers.de

Klinik-Geschäftsführer reagieren auf die Idee, ein Compliance Management System (CMS) einzuführen, gern mit dem Argument: „Das brauchen wir nicht! Wir haben doch ein funktionierendes Qualitätsmanagement.“ Wo liegt eigentlich der Unterschied zwischen Qualitätsmanagement (QM) und Compliance? Gibt es Schnittmengen? Ist Compliance im Vergleich zu anderen Branchen der Wirtschaft im Gesundheitswesen überflüssig? 

Was ist gesetzlich geregelt?

Der Gesetzgeber hat mittels der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) allein im Sozialrecht ein QM zwingend vorgeschrieben. So werden beispielsweise im Sozialgesetzbuch V – es trifft Regelungen zur gesetzlichen Krankenversicherung – Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen definiert und Leistungsansprüche durch Versicherte begründet.

Auch wenn es keine gesetzliche Pflicht gibt, werden dennoch auch weitere Rechtsbereiche durch ein Qualitätsmanagement-System (QMS) abgedeckt. Hierzu gehören:

  • das Vertragsrecht, das sich mit der zwischen Vertragspartnern vereinbarten Qualität von Leistungen beschäftigt,

  • das Haftungsrecht, das aus Sicht des Patienten Schadenersatzansprüche begründet, falls die erforderliche Sorgfalt nicht beachtet wird und hierdurch Fehler passieren, die den Patienten schädigen,

  • das Sicherheitsrecht, das als öffentliches Recht Anforderungen an die Qualität von Anlagen und Produkten definiert – z. B. das Produktsicherheitsgesetz (PSiG) oder das Arzneimittelgesetz (AMG),

  • das Berufsrecht, das Ärzte verpflichtet, sich fortzubilden, Qualitätssicherung zu betreiben und die Patienten gewissenhaft und mit geeigneten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu versorgen.

Unterschiedliche Ausrichtung von QMS und CMS

Worin unterscheidet sich das QMS von einem Compliance Management System (CMS)? Das QMS zielt darauf, einen systematischen Verbesserungsprozess in das Unternehmen zu integrieren, um es effektiver und effizienter zu machen. Ein CMS ist darauf ausgerichtet, gesetzliche und vertragliche Vorgaben zu Verhalten und Ethik prophylaktisch zu beachten. Für das Unternehmen schädliche Konsequenzen sollen hierdurch verhindert werden.

Warum sollte die Klinik ein CMS haben?

Selbst wenn z. B. ein Krankenhaus ein funktionierendes QMS vorhält, ist es möglich, dass strafrechtlich relevante Vorgänge nicht auffallen. Wenn etwa geprüft wird, ob in Verträgen die zwischen den Vertragspartnern vereinbarte Qualität eingehalten wird, ein strafrechtliches Verhalten jedoch nicht beleuchtet wird, so tut sich eine Lücke auf. Diese kann durch ein CMS geschlossen werden. Deshalb ergänzt ein CMS auch im Krankenhaus ideal ein vorhandenes QMS. So kann die Klinikleitung mit strukturierten Daten kontrollierter führen, was in vielen Fällen entlastend wirkt.

Da sich QMS und CMS in ihren Strukturen ähneln, bietet es sich an, das CMS in ein bestehendes QMS zu integrieren. Hierbei kann der PDCA-Zyklus (plan – do – check – act) herangezogen werden:

QMS
CMS
Schritt

Planung

Ein QM-System muss von der Leitung einer Einrichtung (z. B. der Geschäftsführung des Krankenhauses, den Chefärzten als Abteilungsleiter, dem Praxisinhaber, dem Vorstand eines Arztnetzes, dem Leiter eines MVZ) gewollt sein Geschäftsleitung und Führungskräfte müssen sich verpflichten, Vorgaben einzuhalten, Compliance-Ziele aufstellen und Compliance-Kultur vorleben
Schritt

Planung

(plan)

Qualitätshandbuch erstellen Individuellen auf das Unternehmen abgestimmten Code of Conduct oder Compliance-Handbuch entwickeln
Schritt

Planung

(plan)

Verantwortlichkeiten für qualitätsrelevante Abläufe festlegen Compliance-Funktion an Compliance-Officer, einzelne Abteilung oder andere Personen übertragen
Schritt

Planung

(plan)

Verbesserungsbedarf erkennen Risiken analysieren
Schritt

Umsetzung

(do)

Mitarbeiter schulen Mitarbeiter schulen
Schritt

Umsetzung

(do)

Prozesse (Konzepte, Leitlinien, Standards) einführen Bericht- und Dokumentationssystem für Compliance-Vorgänge implementieren, Kontrollen und Audits durchführen
Schritt

Umsetzung

(check)

Daten analysieren und Ergebnisse prüfen, interne Audits und Reviews durchführen Ordnungsgemäße Durchführung von Compliance-Kontrollen und Untersuchungen überwachen, Fehlermeldesystem einführen
Schritt

Reaktion

(act)

Veränderungen umsetzen, Teamsitzungen, Qualitätszirkel, Projekte Sofort reagieren, wenn gegen Compliance-Regeln verstoßen wird („Non-Compliance“), Konsequenzen aus Non-Compliance ziehen, CMS ggf. anpassen

 

CMS schließt Lücken in klinikrelevanten Rechtsgebieten

Wenn in einem funktionierenden QMS Lücken bleiben, können sie daher mit einem CMS geschlossen werden. Sicherlich geht es in erster Linie darum, strafrechtlich relevante Vorschriften zu beachten; aber auch in anderen Rechtsgebieten, die für ein Krankenhaus relevant sind, können interne Kontrollen und Audits aufschlussreiche Ergebnisse liefern:

  • das Strafrecht, das insbesondere Betrugsdelikte (Abrechnung!) und Korruptionsdelikte erfasst, die bei der Kooperation mit anderen Leistungserbringern oder der Industrie auftreten können,
  • das Steuerrecht,
  • das Arbeits(straf)recht,
  • das Vergaberecht, wenn Krankenhäuser öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) sind, sowie
  • das Kartellrecht, z. B. bei Krankenhausfusionen.

Aber auch in den Rechtsbereichen, die grundsätzlich durch das QMS abgedeckt sind, kann ein CMS einen Mehrwert haben – z. B. wenn durch eine Risikoanalyse unbearbeitete Risiken auftauchen, die dem Unternehmen möglicherweise schaden können.

Auch wenn mit Mitteln des QM schon Überprüfungen erfolgt sind, muss ein rechtlicher Hochrisikobereich, der vielleicht aus Sicht des QM nicht als so relevant betrachtet wird, bearbeitet werden. Dazu kann es sinnvoll sein, externe Berater oder Rechtsanwälte mit besonderer Expertise einzuschalten.

Nutzung des QM-Fehlermeldesystems

Synergien lassen sich durch die bereits bestehenden Fehlermeldesysteme nutzen. Da gem. Teil A § 4 der QM-Richtlinie des G-BA, die am 16.11.2016 in Kraft getreten ist, für zugelassene Krankenhäuser ein solches Fehlermeldesystem unproblematisch zugänglich sein muss, kann dies auch im Rahmen des CMS genutzt werden.

Schulung der Mitarbeiter

Die Mitarbeiter in der Klinik müssen Fehler melden können – und zwar freiwillig, anonym und sanktionsfrei. Folglich sind die rechtlichen Voraussetzungen bei einem CMS ähnlich wie für ein Whistle-Blowing-System. Da ferner sowohl Einführungen in den Umgang mit Fehlermeldesystemen als auch bei Bedarf regelmäßige Schulungen für die Mitarbeiter nach der Qualitätsmanagementrichtlinie durchzuführen sind, müssen die Schulungen für die Mitarbeiter lediglich um die compliance-relevanten Inhalte ergänzt werden.

Zertifizierung

Auf die Zertifizierung der jeweiligen Systeme ist bisher nicht eingegangen worden, jedoch hat dieser Beitrag die zentralen Inhalte der DIN ISO 19001 für QMS und der DIN ISO 19600 für CMS berücksichtigt.

FAZIT | Ein CMS ist eine perfekte Ergänzung für ein QMS. Weil aber mit einem QMS nicht alle rechtlich relevanten Bereiche kontrolliert werden können, ist es sinnvoll, dies durch ein CMS abzudecken. Existiert bereits ein QMS, kann ein CMS einfach und ressourcenschonend implementiert werden, da die Strukturen beider Managementsysteme ähnlich sind.