Medizin

Wenn Blutzellen zu Medikamenten werden: CAR-T-Zelltherapie als neue Therapieoption bei bösartigen Erkrankungen

Eine CAR-T-Zelltherapie kann bestimmte Blutkrebsarten heilen, bei denen weder Zytostatika noch Bestrahlungen geholfen haben. Zum Einsatz kommen dabei keine herkömmlichen Medikamente, sondern Abwehrzellen, die aus dem Blut des Patienten oder der Patientin selbst gewonnen werden. In Speziallabors für die Herstellung von Zell-basierten Medikamenten werden diese fit für den Kampf gegen die Krebszellen gemacht. Bisher wird diese CAR-T-Zelltherapie nur bei bestimmten Lymphomen und Leukämien eingesetzt. Die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie e.V. (DGTI) rechnet jedoch in Zukunft mit einer breiteren Anwendung.

Die meisten Krebszellen werden vom Immunsystem abgewehrt, bevor es zu einer Erkrankung kommen kann. Für die körpereigene Krebskontrolle sind sogenannte T-Zellen zuständig, die permanent im Körper zirkulieren. Sie sind Bestandteil der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und spielen eine wichtige Rolle im menschlichen Immunsystem. „Diese Zellen tragen einen Rezeptor auf ihrer Oberfläche, mit dem sie Krebszellen finden und zerstören können“, erläutert Professor Dr. Halvard Bönig vom Zentrum für translationale Zelltherapeutikaentwicklung beim DRK Blutspendedienst Baden-Württemberg/Hessen in Frankfurt/M.. Die T-Zellen erkennen die Krebszellen an bestimmten Oberflächenmerkmalen, die als Antigene bezeichnet werden. Doch nicht alle Krebszellen geben sich durch Antigene zu erkennen. Durch die CAR-T-Zelltherapie können jedoch auch diese Zellen aufgespürt werden.

Die Behandlung beginnt mit einer Leukapherese. „Die Technologie bieten Transfusionsmediziner in den meisten Universitätskliniken seit längerem an“, erklärt Bönig. Dem Patienten oder der Patientin werden mit einer Art Blutwäscheverfahren T-Zellen aus dem Blut entnommen. Das restliche Blut wird wieder zurück in den Blutkreislauf des Patienten oder der Patientin geführt. Die Medizinerinnen und Mediziner senden die T-Zellen dann in ein Speziallabor.

Mithilfe der Gentechnologie werden bei dieser neuartigen Zelltherapie im Labor die körpereigenen Immunzellen so verändert, dass sie an der Oberfläche einen neuen Rezeptor ausbilden. „Diese CAR-T-Zellen können durch den neuen Rezeptor bösartige Zellen bei einem Kontakt erkennen und zielgenau abtöten. Immunzellen bekämpfen dann die Tumorzellen“, erläutert Professor Bönig.

Die ersten CAR-T-Zelltherapien wurden für Blutkrebs entwickelt. Dazu gehören eine akute lymphatische Leukämie (ALL), die häufig bei Kindern und Jugendlichen auftritt, und bestimmte Formen von Lymphdrüsenkrebs (Lymphome). Allen diesen Krebsformen ist gemeinsam, dass sie auf ihrer Oberfläche das Antigen CD19 haben. „CD19 ist ein Merkmal von B-Zellen, von denen alle genannten Krebsformen abstammen“, erläutert der Transfusionsmediziner Bönig. B-Zellen sind selbst Teil des Immunsystems. Gesunde B-Zellen sind für die Bildung von Antikörpern zuständig, mit denen Krankheitserreger abgewehrt werden. Erst wenn sich die B-Zellen unkontrolliert vermehren, komme es zur Leukämie oder zum Lymphom.

Nach der Genbehandlung werden die T-Zellen im Labor in Kulturen vermehrt und dann an die Klinik zurückgeschickt, wo der Patient oder die Patientin behandelt wird. Die Krebspatientinnen und -patienten erhalten dann ihre eigenen, genetisch veränderten Zellen zurück transfundiert. Im Körper beginnen die CAR-T-Zellen dann alle Zellen zu vernichten, die das Antigen CD19 aufweisen. Das sind neben den Krebszellen auch gesunde B-Zellen. Weil auch sie vernichtet werden, fehlen den Patientinnen und Patienten später Antikörper zum Schutz vor Krankheitserregern. „Die Antikörper können jedoch durch Immunglobuline von gesunden Spenderinnen und Spendern ersetzt werden“, so Bönig.

Die Behandlung, die in Israel und den USA entwickelt wurde, wird seit einiger Zeit auch in Deutschland mit Erfolg eingesetzt. So konnten mehr als 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit einer gegen normale Chemotherapie und Stammzelltransplantation resistenten akuten lymphatischen Leukämie mit der CAR-T-Zelltherapie geheilt werden. Dabei handelt es sich um Patientinnen und Patienten, die vorher bereits andere Behandlungen erhalten hatten. „Bei allen war es zu einem Rückfall gekommen, oder die herkömmlichen Zytostatika oder Bestrahlungen hatten gar nicht angesprochen. Die CAR-T-Zelltherapie war in der Regel die letzte Möglichkeit, und häufig war sie erfolgreich“, berichtet Bönig.

„Die CAR-T-Zelltherapie gehört zu den zellbasierten Therapien, mit denen sich Transfusionsmediziner schon seit langem beschäftigen“, sagt Professor Dr. med. Hubert Schrezenmeier, 1. Vorsitzender der DGTI. „Blutzellen unterscheiden sich auf vielfältige Weise von konventionellen Medikamenten. Sie sind empfindlicher und außerhalb des Körpers extrem kurzlebig“, so Schrezenmeier. Weil der Umgang mit Blutzellen und die Herstellung von Zelltherapien zu den Kernkompetenzen der Transfusionsmediziner zählen, fordert der Experte deshalb, dass die Blutspendedienste in die Durchführung und Entwicklung der neuen Behandlungsmethode eingebunden werden.

Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie e.V. (DGTI) vom 01.09.2022