Zielvereinbarungen für Oberärzte: Voraussetzungen und Grenzen

von Rechtsanwalt Manfred Werthern, Fachanwalt für Medizinrecht, Gollob Rechtsanwälte, München, www.gollob-jur.de

Zielvereinbarungen mit Oberärzten können individuell oder gruppenspezifisch vereinbart werden. Dieser Beitrag erörtert die tarifvertraglichen Grundlagen für den Abschluss von Zielvereinbarungen mit Oberärzten. Zudem wird beleuchtet, welche Ziele sich für eine Zielvereinbarung im Arbeitsvertrag des Oberarztes eignen. 

Warum werden Zielvereinbarungen geschlossen?

Die Zielvereinbarung wird als eine freiwillige verbindliche Abrede zwischen dem Arbeitgeber einerseits und dem Arzt bzw. allen Mitgliedern einer Gruppe von Ärzten andererseits definiert. Inhalt der Zielvereinbarung sollen vorrangig abteilungs- oder klinikspezifische Fort- und Weiterbildungen sein. Zudem sind an den Unternehmenserfolg gebundene Prämien möglich.

Nach dem Top-down-Prinzip vereinbart der Klinikträger mit dem Chefarzt Ziele, die wiederum Inhalt der mit seinen Oberärzten geschlossenen Zielvereinbarungen werden. (Zur „Taktik“ bei solchen Gesprächen siehe Beitrag „Führung über das Gespräch“ ab S. 3). Hierdurch werden die Leistungsträger der Klinik motiviert, die positive Entwicklung des Hauses zu unterstützen.

Tariflich gebundene Kliniken

In dem für Universitätskliniken geltenden Tarifvertrag (TV-Ärzte/TdL vom 17.4.2015) sind weder Zielvereinbarungen mit Oberärzten noch Erfolgsprämien vorgesehen. Gleichwohl können Zielvereinbarungen zwischen dem einzelnen Oberarzt und der Leitung des Universitätsklinikums – in Abstimmung mit dem Chefarzt – einzelvertraglich getroffen werden. Dabei darf die im Tarifvertrag festgelegte Vergütung keinesfalls unterschritten werden – auch nicht, wenn das Ziel verfehlt wird. Dies verbietet im tarifgebundenen Krankenhaus das sog. Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz.

Sieht der Dienstvertrag oder – außerhalb von Universitätskliniken – der Tarifvertrag den Abschluss einer Zielvereinbarung vor, so muss die Klinik Verhandlungen hierüber mit dem Oberarzt führen; zudem muss sie realistische Ziele für die jeweilige Periode anbieten (vgl. Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 17.7.2014, Az. 7 Sa 83/14,).

PRAXISHINWEIS | Kommt eine jährlich vorgesehene Einigung des konkreten Bonus wegen des Verhaltens der Klinikleitung nicht zustande, hat der Oberarzt ggf. einen Anspruch auf Schadenersatz. Die Höhe bemisst sich nach dem Betrag, der bei voller Erreichung des Ziels als Höchstsumme ausbezahlt worden wäre.

Besonderheiten bei nicht-tarifgebundenen Kliniken

Im nicht-tarifgebundenen Krankenhaus erlaubt die Vertragsfreiheit dem Klinikträger es auch, nicht mit sämtlichen, sondern nur mit bestimmten Oberärzten Zielvereinbarungen mit zusätzlicher Vergütung zu treffen. Das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot wird dadurch nicht verletzt. Voraussetzung: Der Bonus wird gezahlt, weil der Oberarzt besondere Ziele erreicht hat, die nicht bereits durch den Arbeitsvertrag geschuldet waren.

Zielvereinbarung in Mitarbeitergesprächen

Von den tarif- oder individualvertraglich begründeten Ansprüchen auf Abschluss einer Zielvereinbarung sind die jährlich wiederkehrenden Zielvereinbarungen zu unterscheiden, die auf der Grundlage und als Ergebnis eines jährlichen Mitarbeitergesprächs zu formulieren sind. Hierauf sollte sich der Oberarzt gut vorbereiten und vorher Folgendes festlegen:

  • Was wollen Sie im Bereich der Arbeitsaufgaben, im Arbeitsumfeld, in der Zusammenarbeit oder bei den Entwicklungsperspektiven vereinbaren?
  • Woran lässt sich die Zielerreichung feststellen? Entwickeln Sie Kriterien, die Sie im gemeinsamen Gespräch erläutern!
  • Welche Ergebnisse beabsichtigen Sie ganz konkret?
  • In welchem Zeitraum sollen die Ziele erreicht werden?

Welche Ziele eignen sich für eine Zielvereinbarung?

Individuelle Zielvereinbarungen mit Oberärzten können diese Ziele enthalten:

  • Besuche bei Top-Einweisern, um die Bindung zu steigern
  • Interne Organisation der Weiterbildung/des Curriculums für Assistenzärzte, Weiterbildungszeiten, Weiterbildungsinhalte
  • Entwicklung von Behandlungspfaden
  • Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit (regelmäßige Befragung)
  • Durchführung von Fortbildungen
  • Beteiligung an Kongressen, z. B. durch eigene Vorträge
  • Eigene wissenschaftliche Veröffentlichungen (Kennzahl: Anzahl der Veröffentlichungen, „Science Citation Index“)

Werden Vereinbarungen mit allen Oberärzten der Abteilung getroffen (sog. Gruppen-Zielvereinbarungen), bieten sich folgende Ziele an:

  • Verkürzung der „Schnitt-Naht-Zeiten“ im OP
  • Erhöhung der Einweiserzufriedenheit (fachrichtungsbezogene Befragung)
  • Steigerung der Patientenzufriedenheit (regelmäßige Befragung)
  • Reduzierung von Sachkosten des medizinischen Bedarfs
  • Verbesserung der Kodierqualität der DRGs