Medizin

Die nicht-alkoholische Fettleber – noch immer unterschätzt

 Der westliche Lebensstil ist für die Gesundheit unseres Körpers eine Katastrophe: Üppige Ernährung und viel zu wenig Bewegung fördern die Entstehung schwerwiegender Erkrankungen wie Adipositas, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Weitgehend unbeachtet, jedoch zentral für alle Stoffwechselerkrankungen, ist die so genannte nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD). In einem von der DGVS gemeinsam mit anderen Organisationen und Fachgesellschaften verfassten Positionspapier werden nun verstärkte gesundheitspolitische Anstrengungen gefordert, um der rasanten Zunahme der NAFLD in der Bevölkerung entgegenzuwirken und gravierende Gesundheitsfolgen zu vermeiden.

Eine nicht-alkoholische Fettleber entsteht, wenn regelmäßig mehr Energie über die Nahrung aufgenommen als durch Bewegung wieder verbraucht wird. „Die überschüssigen Kalorien werden dann in Form von Fett in den Leberzellen abgelagert“, erläutert Professor Dr. med. Christian Trautwein, Direktor der Klinik für Gastroenterologie und Internistische Intensivmedizin in Aachen. Schätzungen zufolge weist fast jede*r dritte Bundesbürger*in solche Fettablagerungen in der Leber auf. Langfristig schädigen diese die Leberzellen und führen zur so genannten nicht-alkoholischen Fettleberentzündung oder Steatohepatitis (NASH) – einer bereits fortgeschrittenen Form der NAFLD, an der rund vier Prozent der Menschen hierzulande leiden, Tendenz steigend. Die Entzündung führt zur Leberfibrose, bei der das geschädigte Lebergewebe mehr und mehr zu funktionslosem Bindegewebe vernarbt. Dieses kann dann zur Zirrhose mit weitgehendem und lebensbedrohendem Funktionsverlust der Leber führen.

NASH ist mittlerweile eine der häufigsten Ursachen für Leberkrebs

Mit diesen Umbauprozessen steigt das Risiko für Leberkrebs drastisch an. „Die NASH ist mittlerweile eine der häufigsten Ursachen für Leberkrebs und eine der führenden Indikationen für eine Lebertransplantation“, sagt Trautwein. Und auch das Risiko für andere Erkrankungen, die auf den ersten Blick nicht direkt mit der Leber in Verbindung stehen, nimmt zu. So entwickeln die Betroffenen häufig auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und haben ein erhöhtes Risiko für Tumoren außerhalb der Leber.

Wie eng der Lebensstil mit der Entwicklung der NAFLD verknüpft ist, zeigt sich auch an der häufigen Kombination der Leberverfettung mit anderen modernen Wohlstandskrankheiten: Immerhin 60 Prozent der NAFLD-Patienten haben einen Typ-2-Diabetes, 70 Prozent leiden an starkem Übergewicht (Adipositas). „Wir halten es daher für unabdingbar, die NAFLD in das bestehende Disease Management Programm Diabetes und das geplante DMP Adipositas aufzunehmen“, nennt Trautwein eine der Forderungen aus dem Positionspapier. Außerdem solle die NAFLD in das Präventionsgesetz integriert werden und eine Kostenübernahme für gewichtsreduzierende Maßnahmen, die bislang über den so genannten Lifestyle-Paragrafen 34 SGB V ausgeschlossen ist, ermöglicht werden.

„Diese gesundheitspolitischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen sind der erste notwendige Schritt hin zu einer breiten Prävention und Früherkennung der NAFLD“, sagt Trautwein. Darüber hinaus müsse aber sowohl in der Gesellschaft als auch bei Ärzt*innen das Bewusstsein für diese Erkrankung geschärft werden. Weil die NAFLD sich lange unbemerkt entwickelt, wird sie oft erst in einem späten Stadium erkannt, wenn bereits irreversible Schäden eingetreten sind. Für eine effektive Früherkennung sieht das Positionspapier die Einführung eines Diagnosepfades vor, mit dessen Hilfe Risikopatient*innen für eine NAFLD bereits in der hausärztlichen Praxis identifiziert werden können. In die Risikobewertung fließen Vor- oder Begleiterkrankungen wie ein Typ-2-Diabetes, Adipositas oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen ebenso ein wie bestimmte Standard-Leberblutwerte. „Damit steigen die Chancen, eine Fettlebererkrankung so frühzeitig zu erkennen, dass Schäden sich vermeiden oder sogar wieder rückgängig machen lassen“, so Trautwein.

Unabdingbarer Bestandteil der Therapie bleibt dabei auf absehbare Zeit die deutliche und nachhaltige Lebensstiländerung. Ansätze für eine medikamentöse Behandlung der NAFLD gibt es zwar, in zahlreichen Studien werden sowohl diabetologische als auch hepatologische Therapien untersucht. Für diese Indikation zugelassene Wirkstoffe fehlen bislang jedoch noch. „In diese Richtung muss dringend weiter geforscht werden“, sagt Trautwein, betont jedoch, dass es eine bequeme, rein pharmakologische Lösung nicht geben werde.

„Lebensstil-Erkrankungen können letztlich nur durch eine Änderung des Lebensstils therapiert werden“ – diese Anstrengung müssen sowohl die Betroffenen als auch die Gesellschaft auf sich nehmen.

Das gemeinsam von dem Berufsverband der Niedergelassenen Gastroenterologen (bng), der Deutsche Adipositas-Gesellschaft e.V. (DAG), der Deutschen Diabetes Gesellschaft e.V.(DDG), der Deutschen Leberstiftung, der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) erarbeitete Positionspapier finden Sie hier : https://www.dgvs.de/versorgung/gesundheitspolitik/stellungnahmen/zivilisationskrankheit-fettleber-gemeinsam-praevention-vorsorge-und-frueherkennung-staerken/

Quellen:

NAFLD-Positionspapier-_Runder-Tisch_25.07.2021_final.pdf (dgvs.de)
https://www.aerzteblatt.de/archiv/160842/Nichtalkoholische-Fettlebererkrankung