So nutzen Sie Feedback-Gespräche als wirksames Führungsinstrument

von Diplom-Pädagoge Werner Fleischer, Beratung – Coaching – Moderation, www.ihrcoach.com

Feedback-Gespräche, die den Mitarbeitern fachliche und soziale Orientierung hinsichtlich ihres Reifegrades geben, kommen im Klinikalltag häufig zu kurz. Dabei ist gerade eine funktionierende Feedback-Kultur, die alle Mitglieder des Teams einbezieht, ein wichtiges Mittel, mit dem Sie als Oberarzt wirksam führen können. Mit regelmäßigem Feedback verbessern Sie sowohl die Zusammenarbeit innerhalb Ihres Teams als auch die Identifikation mit der Klinik. Zudem ist Feedback ein hervorragendes Instrument zur Mitarbeiterentwicklung und -bindung. 

Selbst- und Fremdbild

Im Klinikalltag sieht es jedoch vielfach anders aus: meist wird gar kein Feedback gegeben oder es fällt viel zu knapp und zu destruktiv aus. Außerdem kommt es beim Gegenüber auch noch ganz anders an als ursprünglich beabsichtigt. Schließlich muss das, was Sie gesagt haben, nicht das sein, was Ihr Gesprächspartner verstanden hat, und schon gar nicht das, was Sie eigentlich gemeint haben.

Ursache für die unterschiedlichen Wahrnehmungen von Gesprächsinhalten ist eine Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Diese Diskrepanz führt bei jedem Menschen zu mehr oder weniger großen sogenannten blinden Flecken. Das sind jene Bereiche des Verhaltens, die von anderen sehr wohl wahrgenommen werden, die einem selbst aber unbekannt sind. Das Modell des Johari-Fensters (siehe Abbildung), das 1955 von den amerikanischen Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham entwickelt wurde, verdeutlicht sehr anschaulich die Selbst- und Fremdwahrnehmung bekannter sowie unbekannter Persönlichkeits- und Verhaltensmerkmale.

Die vier Ebenen einer Botschaft

Zusätzlich wird Kommunikation dadurch erschwert, dass in jeder Botschaft, die ein Sender an einen Empfänger formuliert, vier Ebenen stecken:

  • Sachebene – ich sage etwas über den Inhalt
  • Selbstoffenbarungsebene – ich sage etwas über mich
  • Beziehungsebene – ich sage etwas über die Beziehung zum Gesprächspartner
  • Appellebene – ich äußere Wünsche an den Gesprächspartner

Und auf genau diese vier Ebenen trifft eine Botschaft auch beim Empfänger. Doch was als Botschaft z. B. auf der Sachebene gedacht war, kommt unter Umständen auf der Beziehungsebene des Empfängers ganz anders an.

  • Beispiel

Ein Oberarzt (Sender) sagt zu seinem Chefarzt: „Das Meeting hat heute zu lange gedauert.“ Der Chefarzt (Empfänger) antwortet: „Meinen Sie etwa, Sie hätten das bei den ganzen wichtigen Themen schneller hinbekommen?“ Der Sender hat seine Botschaft auf der Appellebene formuliert: Ich wünsche mir kürzere Meetings! Die Antwort des Chefs lässt erkennen, dass bei ihm die Beziehungsebene angesprochen wurde. Er empfindet die Äußerung seines Mitarbeiters als Anmaßung und fühlt sich angegriffen.

Mit regelmäßigem Feedback lassen sich t„blinde Flecke“ reduzieren und gleichzeitig Missverständnisse ausräumen – vorausgesetzt, es werden einige Grundregeln eingehalten und die Rückmeldungen akzeptiert.

Ich-Botschaften senden

Den Kern eines Feedback-Gesprächs bilden gelungene Ich-Botschaften, die deutlich die Wahrnehmungen, Wirkungen und Wünsche aus der eigenen Sicht beschreiben:

  • „Ich habe wahrgenommen, dass …“ – Benennen Sie neutral die Zahlen, Daten, Fakten, ohne den Sachverhalt zu bewerten.

  • „Es hat mich geärgert, dass …“ – Beschreiben Sie, welche Gefühle das Verhalten des anderen bei Ihnen auslöst (z. B. Irritation, Enttäuschung, Ärger).

  • „Ich wünsche mir von Ihnen, dass …“ Formulieren Sie kurz-, mittel- oder langfristige Erwartungen, die Sie an Ihren Mitarbeiter haben.

Geber- und Nehmerqualitäten

Geübte Feedback-Geber und -Nehmer zeichnen sich durch die folgenden Qualitäten aus.

Geberqualitäten

  • Ich-Botschaften formulieren: unter vier Augen, persönlich, die Person direkt ansprechen
  • Keine verallgemeinernden Abrechnungen
  • Beobachtungen konkret benennen, Verhalten genau beschreiben
  • Reaktionen und Empfindungen beschreiben, die das Verhalten ausgelöst hat
  • Eigene Ziele und Wünsche klar äußern
  • Nur Feedback zu begrenzten, veränderbaren Verhaltensweisen geben
  • Auf Wertungen und Verurteilungen verzichten
  • Die passende Situation wählen (Ort, Zeit), darauf achten, dass der Feedback-Empfänger sein Gesicht nicht verliert
  • Positives (Anerkennung) benennen und verstärken

Nehmerqualitäten

  • Zuhören, Feedback entgegennehmen
  • Keine Rechtfertigungen, keine Begründungen
  • Nachfragen, wenn etwas nicht verstanden wurde
  • Denkpause einlegen
  • Für das Feedback danken, z. B. „Danke, dass Sie mir dieses Feedback gegeben haben, ich werde darüber nachdenken.“
  • Entscheiden, was verändert oder aber beibehalten werden soll
  • Dem Feedback-Geber zeitnah mitteilen, was sein Feedback bewirkt hat

Aktiv Zuhören

Droht das Feedback-Gespräch durch überbordende negative Emotionen Ihres Gesprächspartners aus dem Ruder zu laufen, können Sie durch aktives Zuhören wirksam gegensteuern. Wichtige Instrumente hierfür sind:

  • Die innere Haltung, den anderen verstehen zu wollen
  • Eine offene, positive Körpersprache
  • Gesprächsinhalte zusammenfassen
  • Emotionale Gesprächsinhalte verbalisieren
  • Fragen stellen
  • Absprachen treffen
  • Perspektiven aufzeigen

FAZIT | Noch immer handeln viele Oberärzte nach der Devise „Nichts gesagt ist genug gelobt“. Doch Feedback ist ein wichtiges Führungsinstrument, dessen idealtypische Form Max Frisch treffend beschrieben hat: „Wenn Du jemandem Rückmeldung gibst, schlage sie ihm nicht wie einen nassen Lappen um die Ohren, sondern halte sie ihm wie einen Mantel hin, in den er hineinschlüpfen kann.“