Auch für Ermächtigte: Berufshaftpflichtversicherung wird bald gesetzlich verpflichtend
Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG), das wohl im April 2021 verabschiedet wird, wird für Vertrags(zahn)ärzte und -psychotherapeuten – aber auch für Ermächtigte – der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung verpflichtend geregelt. Damit ist das Bestehen einer Haftpflichtversicherung nicht nur berufsrechtlich, sondern auch gesetzlich verbindlich.
Teil des GVWG ist die Einfügung eines § 95e in das Sozialgesetzbuch V (SGB V). Mit dieser Vorschrift werden u.a. die Zulassung von Vertrags(zahn)ärzten und MVZ sowie die Genehmigung zur Anstellung und die Ermächtigung von Ärzten unter den Vorbehalt des Nachweises einer ausreichenden Berufshaftpflichtversicherung gestellt.
§ 95e SGB V – Berufshaftpflichtversicherung
(1) Der Vertragsarzt ist verpflichtet, sich ausreichend gegen die sich aus seiner Berufsausübung ergebenden Haftpflichtgefahren zu versichern. Ein Berufshaftpflichtversicherungsschutz ist ausreichend, wenn das individuelle Haftungsrisiko des Vertragsarztes versichert ist; die Mindestversicherungssumme nach Absatz 2 darf nicht unterschritten werden.
(2) Die Mindestversicherungssumme beträgt drei Millionen Euro für Personen- und Sachschäden für jeden Versicherungsfall. … Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann jeweils mit der Bundesärztekammer, der Bundeszahnärztekammer, der Bundespsychotherapeutenkammer und der jeweiligen Kassenärztlichen Bundesvereinigung … höhere Mindestversicherungssummen … vereinbaren.
Mit der vorliegenden Neuregelung des § 95e SGB V soll verhindert werden, dass aufgrund von Behandlungsfehlern entstandene Schadensersatzansprüche der Versicherten ins Leere laufen.
Hintergrund: Kammer-interne Regelungen greifen nur unzureichend
Zwar sind Ärztinnen und Ärzte bereits jetzt unabhängig von ihrer vertrags(zahn)ärztlichen Zulassung über die Kammer- oder Heilberufsgesetze der Länder sowie die Berufsordnungen (z.B. § 21 Berufsordnung für die Ärzte Bayerns) verpflichtet, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern. Von (Zahn)Ärzte- und Psychotherapeutenkammern ist allerdings bekannt, dass nur in wenigen Kammerbezirken die Beibringung eines Versicherungsnachweises vorgeschrieben ist. Eine tatsächliche Überprüfung des Versicherungsschutzes findet in den überwiegenden Kammerbezirken nur anlassbezogen bzw. stichprobenartig, nicht jedoch in einem standardisierten Verfahren statt.
Im Fall des Nichtbestehens eines Haftpflichtversicherungsschutzes sieht das einschlägige Berufsrecht im Rahmen von berufsrechtlichen Verfahren die Anordnung des Ruhens der Approbation durch die Approbationsbehörde vor (§ 6 Absatz 1 Nummer 5 Bundesärzteordnung). Nicht immer erlangen die Kammern allerdings die hierfür erforderliche Kenntnis vom Verlust oder von wesentlichen Änderungen im Versicherungsverhältnis.
Selbst in den Kammerbezirken, in denen die Kammern als zuständige Stellen im Sinne des § 117 Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) benannt sind und Umstände, die das Nichtbestehen oder die Beendigung von Versicherungsverhältnissen zur Folge haben, durch die Versicherer angezeigt werden, erhalten die Kammern keine Meldungen, wenn Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten von Beginn an keine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen haben.
Der Bundesgesetzgeber hat hingegen keine Möglichkeit auf eine Verbesserung der Durchsetzung berufsrechtlichen Landesrechts einzuwirken. Daher wird neben der im Berufsrecht verankerten Berufshaftpflichtversicherungspflicht nunmehr in § 95e zusätzlich eine entsprechende vertrags(zahn)ärztliche Pflicht statuiert und umfassende Regelungen zu den Rechtsfolgen bei einer Verletzung dieser Pflicht sowie ergänzende Verfahrensregelungen geschaffen.
Zulassungsausschüsse müssen Verträge überprüfen
§ 95e Absatz 3 SGB V weist den Zulassungsausschüssen die Aufgabe zu, die Einhaltung der vertragsärztlichen Berufshaftpflichtversicherungspflicht zu überprüfen. Die Prüfung kann dabei grundsätzlich durch Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der Zulassungsausschüsse erfolgen. Zu diesem Zweck werden (Zahn-)Ärztinnen und (Zahn-)Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Satz 1 verpflichtet, dem Zulassungsausschuss auf Verlangen eine Versicherungsbescheinigung vorzulegen. Ein Versicherungsnachweis ist auch bei dem Antrag auf Ermächtigung sowie auf Genehmigung einer Anstellung zu erbringen.
Stichproben und Meldepflicht der Ärztinnen und Ärzte
Zudem kann der Zulassungsausschuss insbesondere im Rahmen von anlassbezogenen oder stichprobenartigen Prüfungen das Bestehen einer ausreichenden Berufshaftpflichtversicherung überprüfen. Dies gilt auch für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, die bei Inkrafttreten der vorliegenden Neuregelung bereits zugelassen oder ermächtigt waren. Hierfür muss gewährleistet sein, dass die Zulassungsausschüsse über Umstände, die den Versicherungsschutz betreffen, in Kenntnis gesetzt werden. Die zu diesem Zweck aufgenommen Meldepflichten der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte umfassen insbesondere Umstände wie die Kündigung des Versicherungsverhältnisses, das Ende des Versicherungsverhältnisses durch Zeitablauf sowie den Versicherungsschutz betreffende Anpassungen des Versicherungsvertrages wie Änderungen der Deckungssumme oder der versicherten Tätigkeiten.
Sanktionen: Ruhen der Zulassung oder Entzug der Zulassung
Um die Ausübung vertrag(zahn)ärztlicher und vertragspsychotherapeutischer Tätigkeit ohne ausreichenden Berufshaftpflichtversicherungsschutz zu verhindern, werden die Zulassungsausschüsse ermächtigt und verpflichtet, das Ruhen von Zulassungen von Vertrags(zahn)ärztinnen und Vertrags(zahn)ärzten, Vertragspsychotherapeutinnen und Vertragspsychotherapeuten sowie von medizinischen Versorgungszentren (MVZ) zu beschließen, solange kein ausreichender Versicherungsschutz nachgewiesen wird.
Der Zulassungsausschuss hat nach Ablauf von zwei Jahren nach Beschluss des Ruhens der Zulassung die Zulassung zu entziehen, wenn der Vertragsarzt bis dahin keinen ausreichenden Versicherungsschutz nachgewiesen hat. Ähnlich wie im Fall der dauerhaften Verletzung der Pflicht zur fachlichen Fortbildung (§ 95d Absatz 3 Satz 6 SGB V) wird hier als letzte Sanktionsmaßnahme für die Verletzung einer vertragsärztlichen Pflicht die Entziehung der Zulassung vorgesehen.
Auch für ermächtigte Ärztinnen und Ärzte ohne anderweitigen Versicherungsschutz
Die Absätze zum Ruhen und Entzug der Zulassung gelten entsprechend für ermächtigte Vertrags(zahn)ärztinnen und Vertrags(zahn)ärzte sowie Vertragspsychotherapeutinnen und Vertragspsychotherapeuten, soweit für ihre Tätigkeit im Rahmen der Ermächtigung kein anderweitiger Haftpflichtversicherungsschutz besteht – dies kann insbesondere eine Betriebshaftpflichtversicherung sein, die auch die Tätigkeit im Rahmen der Ermächtigung gleichwertig abdeckt. Für ermächtigte Leistungserbringer sieht das Gesetz anstelle des Beschlusses des Ruhens der Zulassung den Widerruf der Ermächtigung vor.
[!] Damit die für berufsrechtliche Verfahren zuständigen Ärztekammern, Zahnärztekammern und Psychotherapeutenkammern in Fällen, in denen kein ausreichender Berufshaftpflichtversicherungsschutz besteht, die notwendigen Maßnahmen ergreifen können, müssen die Zulassungsausschüsse ihnen bekannte Verstöße gegen die Versicherungspflicht den zuständigen Kammern melden. Damit ist im Extremfall neben der Kassenzulassung auch die Approbation in Gefahr!
Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/26822