Auf der Karriereleiter: Fallstricke im Chefarzt-Vertrag und Hinweise zum Oberarzt-Vertrag

von Rosemarie Sailer, LL.M., Fachanwältin für Medizinrecht, Wienke & Becker – Köln, www.kanzlei-wbk.de

Wer Chef(arzt) werden will, sollte sich gut vorbereiten. Das gilt auch für die Vertragsverhandlungen. Denn eine unscheinbare Formulierung kann weitreichende Auswirkungen haben und zu großen Haftungsrisiken oder enormen Honorareinbußen führen. Oder wissen Sie wirklich, worin die Unterschiede bestehen, wenn im Vertrag „nach Anhörung“, „im Benehmen“ oder „im Einvernehmen“ steht? Der Beitrag zeigt die Fallstricke von Chefarzt-Verträgen, die Bewerbern um die Chefarzt-Position vorgelegt werden. Er gibt zudem Hinweise, die auch für aktuelle Oberarzt-Verträge gelten.

Vertrag kann jederzeit nachverhandelt werden

Einige Dienst-Verträge enthalten Regelungen, die Oberärzte unangemessen einschränken bzw. die teilweise sogar unwirksam sind. Selbst wenn der Vertrag schon vor vielen Jahren geschlossen wurde, kann er jederzeit nachverhandelt und angepasst werden. Auch wenn der Oberarzt eine neue Chefarzt-Position übernimmt, sollte er wissen, welche Fallstricke im Vertrag lauern.

Kleine Formulierungen – große Wirkung

Dass eine kleine Formulierung den großen Unterschied machen kann, zeigt sich bei den Möglichkeiten des Chefarztes, Einfluss auf wichtige abteilungsbezogene Entscheidungen des Krankenhausträgers zu nehmen. Hier ist es von entscheidender Bedeutung, ob der Krankenhausträger bestimmte Maßnahmen „nach Anhörung“, „im Benehmen“ oder „im Einvernehmen mit dem Chefarzt“ treffen kann.

  • Bedeutung: „nach Anhörung“, „im Benehmen“, „im Einvernehmen“
  • „Nach Anhörung“ bedeutet, dass dem Chefarzt lediglich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird. Weitere Einflussmöglichkeiten hat er nicht.
  • „Im Benehmen“ bedeutet, dass der Chefarzt seine Meinung sagen darf, der Klinikträger von dieser Meinung aber in begründeten Fällen abweichen kann.
  • „Im Einvernehmen“ bedeutet, dass der Träger nicht allein, sondern nur gemeinsam mit dem Chefarzt entscheiden kann.

Die Formulierung, dass der Klinikträger Entscheidungen „im Einvernehmen“ mit dem Chefarzt trifft, findet sich in Chefarzt-Verträgen selten und wird auch nicht immer durchzusetzen sein. Der angehende Chefarzt sollte daher darauf achten, dass bei wichtigen Entscheidungen zumindest das „Benehmen“ hergestellt wird – allerdings enthalten nur wenige Vertragsentwürfe diese Formulierung. Beim Wirtschaftlichkeitsgebot, bei Personalangelegenheiten und bei der Entwicklungsklausel sind diese Formulierungen entscheidend.

Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots

Im Chefarzt-Vertrag findet sich häufig die folgende Regelung:

  • Original-Auszug aus einem Chefarzt-Vertrag

„(…) Nach Anhörung des Chefarztes wird ein internes abteilungsbezogenes Budget erstellt. Der Chefarzt hat für die Erreichung und Einhaltung des gemäß dieser Vorgabe definierten Leistungsrahmens und der damit verbundenen Erträge sowie für die Einhaltung der zur Verfügung stehenden Ressourcen zu sorgen (…)“

Vertrag sollte nachverhandelt werden

Diese Regelung schränkt den angehenden Chefarzt zu sehr ein: Einerseits soll er keinen Einfluss auf die Budgetplanung haben – er wird nur angehört -, andererseits soll er verpflichtet werden, mit dem ihm auferlegten Budget auszukommen. Enthält der Ihnen vorgelegte Chefarzt-Vertrag eine entsprechende Passage, sollten Sie Nachverhandlungen einleiten. Das Ziel sollte es sein, dass Sie bei der Erstellung des Budgets ein Mitspracherecht haben.

Sind Aspekte der Patientenversorgung ausreichend berücksichtigt?

Der künftige Chefarzt sollte sich darüber hinaus nicht dazu verpflichten lassen, die Budgetvorgaben einhalten zu müssen. Sinnvoller ist es, die Formulierung so abzuwandeln, dass er auf die Einhaltung des Leistungsrahmens und der damit verbundenen Erträge hinzuwirken hat. Die bloße Anhörung bei der Budgetgestaltung kann zudem dazu führen, dass ärztliche Gesichtspunkte der Patientenversorgung nicht ausreichend berücksichtigt werden.

PRAXISHINWEIS | Die Regelungen zum Wirtschaftlichkeitsgebot sind auch für den leitenden Oberarzt bzw. den ständigen Vertreter des Chefarztes zu beachten, auch wenn er sich nicht unmittelbar vertraglich zur Einhaltung des vorgegebenen Budgets verpflichtet hat. In Einzelfällen kann nämlich auch dem Oberarzt in seinem Dienstvertrag eine Verantwortung für das Abteilungsbudget übertragen werden – insbesondere dann, wenn er die Position eines Sektionsleiters innerhalb einer Abteilung innehat. Dies wird in manchen Fällen z. B. in größeren Krankenhäusern und in Universitätskliniken so gehandhabt.

Mitwirkung in Personalangelegenheiten

In ihrer Abteilung möchten viele Chefärzte bei Neueinstellungen mitentscheiden. Häufig werden im Chefarzt-Vertrag jedoch Formulierungen getroffen, die anderes im Sinn haben, wie nachfolgendes Beispiel zeigt:

  • Original-Auszug aus einem Chefarzt-Vertrag

„Bei der Vorbereitung des Stellenplans für den ärztlichen und medizinisch-technischen Dienst der Abteilung erhält der Chefarzt Gelegenheit zur Stellungnahme. Bei der Einstellung, Umsetzung, Versetzung oder Entlassung der nachgeordneten Ärzte seiner Abteilung hat er das Recht, Vorschläge zu unterbreiten.“

Hier sollte der angehende Chefarzt darauf bestehen, mehr Einfluss bei der Auswahl des ihm nachgeordneten Personals zu erhalten. Die bloße Gelegenheit zur Stellungnahme bzw. das Recht zu Vorschlägen reichen nicht aus, um seine Interessen zu wahren.

Die Klinikleitung sollte zumindest das „Benehmen“ mit dem zukünftigen Chefarzt herstellen müssen, sodass sie nur in begründeten Fällen von seinen Vorschlägen abweichen darf. Auch bei der Bestellung eines den Chefarzt vertretenden Oberarztes sollte in jedem Fall das „Einvernehmen“ mit dem Chefarzt vorausgesetzt werden.

PRAXISHINWEIS | Keinesfalls sollte der Oberarzt einen Chefarzt-Vertrag unterschreiben, nach dem er selbst für die Einstellung bzw. Entlassung des nachgeordneten Personals verantwortlich ist. Arbeitsrechtlich würde eine solche Regelung dazu führen, dass der Chefarzt leitender Angestellter im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes ist. Die Folge hiervon: Der Chefarzt-Vertrag kann vom Krankenhausträger jederzeit gekündigt werden, ohne dass dafür Gründe vorliegen müssen.

 

Die Regelung, dass Personalentscheidungen nur in seinem „Einvernehmen“ getroffen werden, ist dagegen unschädlich. Sofern der Chefarzt in Einzelfällen doch für Einstellungen bzw. Entlassungen zuständig sein soll, muss an anderer Stelle des Vertrags klargestellt werden, dass die Kündigungsmöglichkeiten durch die Klinik eingeschränkt werden.

Auch für den Oberarzt ohne aktuelle Chefarzt-Ambitionen gilt, dass ein Blick in den Vertrag nicht schadet, wenn es um die Frage geht, wer ihm gegenüber weisungsbefugt ist, wer für Kündigungen in der Abteilung oder das Ausstellen von Zeugnissen befugt ist. Dies kann in Einzelfällen nämlich auch einmal der eigene Chefarzt und nicht der Krankenhausträger sein.

Steht für den Oberarzt z. B. die Übernahme einer Zusatzfunktion wie Qualitätsbeauftragter, Beauftragter für Arbeitsschutz oder die künftige Verantwortung für die DRG-Abrechnung der Abteilung im Raum, sollten in diesem Zuge zugleich die „problematischen“ Passagen des eigenen Dienstvertrags (neu) verhandelt werden. In Zeiten, in denen manche Krankenhäuser händeringend nach qualifizierten Ärzten suchen, stehen die Chancen nicht schlecht, zumindest bei einzelnen Passagen erfolgreich Änderungen durchzusetzen.

FAZIT | Da die Übernahme der Chefarzt-Position eine Lebensentscheidung ist, sollte sich der Oberarzt vor der Unterzeichnung des Chefarzt-Vertrags ausreichend Zeit nehmen, um dessen einzelne Passagen gründlich zu prüfen. Auch wer als Oberarzt keinen Wechsel in die Chefarzt-Position anstrebt, sollte seinen Dienstvertrag ab und zu zur Hand nehmen um festzustellen, ob er problematische Regelungen enthält, die nachverhandelt werden sollten.