Sie arbeiten viel, ohne dass es jemand merkt? – So schärfen Sie Ihr Profil als Oberarzt!

von Diplom-Pädagoge Werner Fleischer, Beratung – Coaching – Moderation, www.ihrcoach.com

Im Klinikalltag wird das Potenzial von Oberärzten sehr häufig übersehen. Sie machen in der täglichen Routine auf Station und im OP hervorragende Medizin und sorgen dafür, dass alles reibungslos läuft. Doch ihr darüber hinausgehendes Engagement und ihr Entwicklungspotenzial bleiben in einigen Krankenhäusern unerkannt. Höchste Zeit also, das eigene Profil zu schärfen und gegenüber dem Chefarzt und der Klinikleitung Werbung in eigener Sache zu machen – vor allem dann, wenn Sie später als leitender Oberarzt oder sogar als Chefarzt weitere Führungsverantwortung übernehmen möchten.

Wie stärke ich den Anspruch in Richtung Führungskraft?

Manche Kliniken haben inzwischen erkannt, dass sie das Potenzial ihrer Oberärzte stärker fördern müssen – einerseits, um die immer komplexer werdenden Aufgaben zu bewältigen, und andererseits, um engagierten Oberärzten eine Entwicklungsperspektive zu bieten. Selbst wenn Sie schon jetzt Ihrem Chefarzt den Rücken freihalten, können Sie Ihr Profil als aktive Führungskraft stärken, indem Sie z. B. folgende Aufgaben übernehmen:

  • Personal: Erstellen Sie Dienst- und Urlaubspläne, arbeiten Sie neue Mitarbeiter ein, übernehmen Sie eine Mentorenfunktion für Assistenzärzte.
  • Fort- und Weiterbildung: Recherchieren und koordinieren Sie die erforderlichen Maßnahmen für die Mitarbeiter im Verantwortungsbereich.
  • Budgetfragen bzw. Controlling: Überprüfen Sie die Einhaltung des Budgets, seien Sie Ansprechpartner für das Medizin-Controlling.
  • Qualitätsmanagement: Erstellen Sie Qualitätsberichte, koordinieren Sie Audits, entwickeln Sie SOPs und Leitlinien weiter.
  • OP-Planung: Erstellen Sie OP-Pläne, leiten Sie die Einsatzplanung für die Ausbildung der Assistenzärzte entsprechend des Facharzt-Curriculums.
  • Arbeitszeiten: Dokumentieren Sie die Entwicklung der Dienstzeiten.
  • Information/Kommunikation: Entwickeln Sie eine funktionierende Besprechungskultur und sorgen Sie für deren Einhaltung.

PRAXISHINWEIS | Einige der aufgeführten Aufgaben sind auf den ersten Blick dröge oder haben keinen guten „Ruf“ unter Oberärzten. Gelingt es Ihnen jedoch, sich in einem eher unbeliebten Bereich zu profilieren, können Sie die Karriereleiter schneller erklimmen – die Zahl der „Wettbewerber“ ist schließlich begrenzt.

Warum sollte ich Führungsverantwortung übernehmen?

Führen Sie sich als Oberarzt deutlich vor Augen, aus welchen Gründen Sie sich aus der Rolle des preiswerten Chefarzt-Gehilfen hin zu einer Führungspersönlichkeit entwickeln wollen:

  • Wenn Sie aktiv Führungsverantwortung übernehmen, tragen Sie maßgeblich zu Ihrer persönlichen Entwicklung bei, die Sie dazu befähigt, Aufgaben mit einer höheren Verantwortung zu übernehmen.
  • Wer sich auf eine Stelle als Chefarzt in einer anderen Klinik bewerben möchte, muss bereits erste Führungserfahrung gesammelt haben.
  • Auch wer keine größeren Karriereambitionen hat, sollte sich bewusst machen, dass er als aktiv führender Oberarzt seinem Chefarzt den Rücken freihält und schon jetzt eine unentbehrliche Unterstützung für ihn ist.

Was aber können Sie tun, um gegenüber Ihrem Chefarzt deutlich zu machen, dass Sie mehr wollen, als nur ein guter Oberarzt zu sein? Wie kann die Übernahme zusätzlicher Führungsverantwortung konkret aussehen und worauf müssen Sie dabei achten?

Mitarbeiterjahresgespräche aktiv nutzen

Der erste Schritt: Suchen Sie das Gespräch mit dem Chefarzt und machen Sie ihm deutlich, dass Sie mehr Verantwortung übernehmen wollen. Hierzu können Sie ihm Bereiche aufzeigen, in denen Sie das bereits tun. Besonders gut eignet sich hierfür das Mitarbeiterjahresgespräch, das in vielen Kliniken am Ende eines Jahres geführt wird. Es sollte weit mehr sein als eine bloße alljährliche Pflichtübung, in der schnell eine Themenliste abgearbeitet wird. Sie haben es gleichermaßen wie Ihr Vorgesetzter in der Hand, das Gespräch konstruktiv mitzugestalten und wichtige Themen einzubringen.

Im Vorfeld Potenziale erkennen und Ziele abstecken

Sie sollten sich sorgfältig auf das Gespräch vorbereiten und im Vorfeld Ihre Potenziale und Ziele genau analysieren, damit das Gespräch keine für Sie unerwartete Wendung nimmt. Diese Vorbereitung beinhaltet auch, dass Sie selbstkritisch analysieren, inwieweit Ihre aktuellen Kompetenzen zu Ihren Vorstellungen und angestrebten Zielen passen. Sie sollten sich zudem darüber klar werden, in welchen Bereichen Sie noch Förderung benötigen.

Bisherige Erfolge darstellen

Im Mitarbeiterjahresgespräch haben Sie die Gelegenheit, Ihr Profil zu schärfen und auf wichtige Aspekte Ihres Aufgabengebiets hinzuweisen, die von Ihrem Chefarzt u. U. nicht ausreichend wahrgenommen oder unterbewertet werden. Bereits bei der gemeinsamen Reflexion Ihrer Kernaufgaben können Sie deutlich machen, was zu Ihren Routineaufgaben gehört und welche neuen Aufgaben Sie im Verlauf des letzten Jahres übernommen haben – und mit welchem Erfolg. Sprechen Sie hierbei neben Fachaufgaben auch organisatorische Projekte an, die Sie verantworten oder an denen Sie mitarbeiten.

PRAXISHINWEIS | Machen Sie sich im Vorfeld auch Gedanken über Erfolge, die nicht messbar und daher nicht sofort sichtbar sind – z. B. Ihren Anteil an der Verbesserung des Aufnahme- und Entlassmanagements. Stellen Sie im Jahresgespräch ebenfalls Ihre repräsentativen Aufgaben dar, wie etwa die erfolgreiche Organisation eines Patientenabends zum neuen minimalinvasiven OP-Verfahren.

Zeigen Sie Ihre Lernwilligkeit

Das Mitarbeitergespräch dient auch dazu, Ihre Ziele zu thematisieren. Betonen Sie z. B., dass Sie unter der Supervision des Chefarztes eine neue OP-Technik lernen möchten. Sprechen Sie auch an, dass Sie im nächsten Jahr an einem Fachkongress teilnehmen und dort einen Vortrag halten möchten. In einem solchen Rahmen haben Sie die Möglichkeit, ihre eigenen Kompetenzen und die der Klinik vor einem größeren Fachpublikum zu repräsentieren.

 Klären Sie Ihre langfristigen Perspektiven

Klären Sie im Mitarbeitergespräch auch Ihre langfristigen Perspektiven. Sprechen Sie offen an, welche Entwicklungspläne Sie haben, und signalisieren Sie z. B., dass Sie leitender Oberarzt werden möchten. Erklären Sie auch, welche Kompetenzen Sie auf dem Weg dorthin noch erwerben müssen. So schaffen Sie auch eine gute Basis, um geeignete Fördermaßnahmen für Sie zu eruieren – wie etwa die Teilnahme an einem Führungscoaching.

Profilierung außerhalb des Jahresgesprächs

Aber auch außerhalb des Jahresgesprächs kann man sich dem Chefarzt als aktive Leitungskraft empfehlen. Handeln Sie daher immer proaktiv und lösungsorientiert. Sprechen Sie an, wenn Ihnen insuffiziente Prozesse auffallen und Sie Verbesserungsideen haben. Sie sind z. B. mit den Abläufen bei der Erstellung der Arztbriefe unzufrieden? Vielleicht hat ein Kollege gute Erfahrungen mit der Einführung eines neuen Systems zur Arztbrief-Bearbeitung gemacht? Stellen Sie das System in der nächsten Abteilungsrunde vor!

Die aktive Übernahme von Führungsverantwortung gelingt Ihnen nur dann, wenn Sie sich nicht von zusätzlichen Aufgaben erdrückt fühlen. Sie sollten daher mit Ihrem Chefarzt klären, welche Aufgaben zu Ihrem aktuellen Reifegrad passen bzw. welche Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen Sie benötigen, um diese Aufgaben zu übernehmen. Zudem sollten Sie mit Ihrem Chefarzt eine aktive Kommunikationskultur pflegen und offen darüber sprechen, wenn Sie Unterstützung benötigen oder die Mehrbelastung zu groß wird.

FAZIT | Oberärzte sind wichtige Leistungsträger in Krankenhäusern. Wenn Sie Ihrer Karriere einen weiteren Schritt hinzufügen möchten, ist es unerlässlich, sich über Ihre fachliche Kompetenz hinaus als aktiv führende Leitungskraft zu empfehlen. Die enge Zusammenarbeit mit Ihrem Chefarzt und eine gute funktionierende Kommunikationskultur sind die wichtigste Voraussetzung dafür.