Medizin

Bei Vitiligo, kreisrundem Haarausfall oder Autoimmungastritis auch an endokrine Hormonerkrankungen denken!

Menschen, die an einer Autoimmunerkrankung ihrer Hormondrüsen wie Typ-1-Diabetes, Hashimoto-Thyreoiditis oder Morbus Addison leiden, haben ein erhöhtes Risiko, weitere Autoimmunerkrankungen zu entwickeln. Diese können auch nicht-endokrine Organe betreffen. Dazu gehören etwa die Weißfleckenkrankheit (Vitiligo), kreisrunder Haarausfall (Alopecia areata) oder Vitamin B12-Mangel. Umgekehrt stellen diese Befunde auch einen Hinweis auf möglicherweise bereits bestehende, aber noch unerkannte Autoimmunerkrankungen des Hormonsystems dar.

[!] Da die Hormonerkrankungen gerade in Kombination auch schwer verlaufen können, sei es entscheidend, frühzeitig bei diesen nicht endokrinen Autoimmunerkrankungen an die möglichen Zusammenhänge zu denken. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) hin.

Eine Autoimmunerkrankung ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise eigene gesunde Zellen angreift. Dadurch wird körpereigenes Gewebe beschädigt oder auch ganz zerstört. Diese Fehlleitung des Immunsystems betrifft alle Organe, nicht nur die Hormondrüsen. „Dabei können parallel – oder auch mit großem zeitlichen Abstand – verschiedene Organe erkranken“, sagt Professor Dr. med. Karsten Müssig, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Franziskus-Hospital Harderberg der Niels-Stensen-Kliniken.

„Erkranken mindestens zwei endokrine Organe aufgrund autoimmuner Prozesse wird das als autoimmunes polyglanduläres Syndrom (APS) bezeichnet“, so Müssig, der Herausgeber der Fachzeitschrift Experimental and Clinical Endocrinology & Diabetes, dem englischsprachigen Organ der DGE, ist.

Hashimoto-Thyreoiditis und Typ-1-Diabetes treten öfter gemeinsam auf

Eine Form tritt bereits im Kindesalter auf (APS Typ 1). Ursache ist ein Gendefekt eines Autoimmunregulators. Sie ist sehr selten, schätzungsweise erkranken 1:100 000 Menschen/Jahr daran. Häufiger sind jedoch Erwachsene betroffen (APS, adulte Form).

Die Erkrankung wird je nach Kombination der Autoimmunerkrankungen untergliedert in vier Typen. Etwa 1–2:20 000 Menschen/Jahr betrifft es, Frauen im Verhältnis von 3:1 häufiger als Männer. Am meisten tritt die Kombination von Typ-1-Diabetes und einer autoimmunen Erkrankung der Schilddrüse auf, entweder mit der Unterfunktion, Hashimoto-Thyreoiditis, oder seltener, der Überfunktion, Morbus Basedow. „Das bedeutet, wer an einer der beiden Krankheiten leidet, hat ein erhöhtes Risiko, im Lauf seines Lebens auch an der anderen und vielleicht noch weiteren zu erkranken“, so der Endokrinologe und Diabetologe. Dies kann gefährlich werden: Kommt etwa noch ein Morbus Addison hinzu, eine Erkrankung der Nebennierenrinde, die zu Kortisolmangel führt, könne es bei Patienten mit Typ-1-Diabetes zu Unterzuckerungen und, wenn die Erkrankung unerkannt bleibt, zu einer lebensbedrohlichen sogenannten Addison-Krise kommen.

Unabhängig von der Einteilung in APS-Typen leiden die Betroffenen oft auch an einer nicht-endokrinen Autoimmunerkrankung. Dazu gehören etwa Zöliakie, Autoimmungastritis, Vitiligo, rheumatoide Arthritis und viele andere. „Diese Krankheiten können Ärztinnen und Ärzten einen Hinweis auf bereits bestehende autoimmune endokrine Erkrankungen geben“, sagt Müssig. Diese beginnen nämlich oft schleichend und die Betroffenen haben mitunter zunächst keine spezifischen Symptome.“

„APS ließen sich frühzeitiger diagnostizieren, wenn Ärztinnen und Ärzte auch bei eigentlich eigenständigen Störungen wie Vitiligo zumindest daran denken, dass auch ein APS vorliegen könnte“, so der Endokrinologe. Dies gilt etwa auch für einen Vitamin-B12-Mangel. Er kann Folge einer Autoimmungastritis sein, bei der die Vitamin-B12-Resorption aus dem Magen gehemmt wird.

„Es ist wichtig, an die – zugegebenermaßen seltene – Möglichkeit eines APS zu denken und im Zweifel entsprechende Screening-Untersuchungen durchzuführen“ betont auch Professor Dr. med. Stephan Petersenn aus Hamburg.