Künstliche Intelligenz verbessert die Früherkennung von Prostatakrebs
65.000 Menschen erkranken in Deutschland jedes Jahr an Prostatakrebs. Die Erkrankung gilt als zweithäufigste krebsbedingte Todesursache bei Männern. Eine frühe Diagnose kann die Überlebenschance deutlich erhöhen. Zwei Experten der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e.V. (DEGUM) haben im Nordschwarzwald ein Projekt auf den Weg gebracht, das niedergelassenen Urolog*innen die Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) in ihren Praxen ermöglicht.
Bei diesem innovativen Verfahren wertet ein KI-System herkömmliche Ultraschallbilder der Prostata aus und soll verdächtige Herde deutlich besser als der bisher nur subjektiv ausgewertete Ultraschall erkennen. Das bisher weltweit einzigartige KI-Netzwerk zur Verbesserung der ultraschallgestützten Erkennung von Prostatakrebs wird vom Land Baden-Württemberg gefördert.
Die Prostatakrebs-Vorsorge für Männer ab 45 Jahren, die von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt wird, besteht lediglich aus einer Tastuntersuchung. „Da ein Tumor oft ungeschickt liegt oder klein ist, können wir damit deutlich weniger als die Hälfte aller Krebserkrankungen entdecken“, sagt Professor Dr. med. Stephan Kruck, Chefarzt der Klinik für Urologie am Siloah St. Trudpert Klinikum und Leiter der DEGUM-Sektion Urologie. Deshalb entscheiden sich viele Männer auf eigene Kosten für weitere Diagnostik, etwa eine Bestimmung des sogenannten PSA-Wertes (Prostata Spezifisches Antigen) im Blut oder die leitlinienkonforme Kernspintomografie (MRT). „Etwas aus der Mode geraten ist dabei der Ultraschall, der aber insbesondere mit anschließender KI-Analyse eine gute Basisuntersuchung im Rahmen der Vorsorge darstellt“, sagt Professor Dr. med. Sascha Kaufmann, Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie im Siloah St. Trudpert Klinikum und stellvertretender Leiter der DEGUM-Sektion Urologie. Die Sonografie ist eine kostengünstige Methode, die in jeder urologischen Praxis durchführbar ist.
KI vergleicht die Ultraschallbilder des Patienten mit rund 70.000 Datensätzen
In der Region Pforzheim/Enzkreis im Nordschwarzwald gibt es seit Kurzem ein KI-Netzwerk zur Verbesserung der ultraschallgestützten Früherkennung von Prostatakrebs, das vom Land gefördert wird und an dem sich bereits eine große Zahl von niedergelassenen Urolog*innen beteiligen. Den Antrag auf Förderung haben Professor Kruck und Professor Kaufmann gestellt. „Eine Ultraschalluntersuchung kann vor Ort in der urologischen Praxis durchgeführt werden. Durch die Kombination von Ultraschall und KI erhoffen wir uns für die Patienten eine höhere Diagnosesicherheit als bisher“, sagt Kaufmann. Der Ultraschall erfolgt über den Enddarm nach einer standardisierten Methode. Die Ultraschallbilder werden im Anschluss an die Untersuchung mit Unterstützung durch künstliche Intelligenz (C-TRUS-ANNA) ausgewertet, um Areale sichtbar zu machen, welche möglicherweise bösartigen Tumoren entsprechen können. Das Verfahren der „artifiziellen neuronalen Netzwerkanalyse“ (ANNA) konnte bereits in mehreren großen Studien mit Langzeitdaten belegt werden. Die KI vergleicht dabei die Ultraschallbilder des Patienten mit rund 70.000 Datensätzen.
„Wir sind hier weltweit Vorreiter, denn obwohl die KI zugelassen ist, wurde sie flächendeckend noch nirgendwo eingesetzt“, erklärt Kruck. Vor allem auf dem Land biete der KI-gestützte Ultraschall große Vorteile, denn hier müsse der Urologe die Probleme vor Ort lösen, große Zentren seien oft nicht in der Nähe. „Ganz wichtig ist uns auch, dass ein Patient vom Arzt seines Vertrauens untersucht wird, der ihn und seine Krankengeschichte kennt“, ergänzt Kaufmann. Im Fall unklarer Befunde sei dann immer noch eine ergänzende hochspezifische MRT-Bildgebung bei zertifizierten Radiolog*innen möglich.
Mitteilung der DEGUM vom 04.08.2022