Mängel in der Dokumentation – wie Routinen (und ein Qualitätsmanagement) Sie retten
Eine unzureichende Dokumentation kann sich für Sie fatal auswirken – darüber wurde hier schon öfter berichtet. Das Oberlandesgericht Dresden hat nun in einem Beschluss den Ärzten in diesem Zusammenhang geholfen: Ein Arzt könne, so die Richter, auch durch den Nachweis einer gefestigten Untersuchungsroutine den Beweis für eine entsprechende Untersuchung im konkreten Einzelfall führen, wenn feststeht, dass es überhaupt eine solche Untersuchung gegeben hat. Gut, wenn man in einem Streitfall eine solche Behandlungsroutine nachweisen kann – z.B. durch Aufzeichnungen im internen Qualitätsmanagement!
Keine Dokumentation? Dann eigentlich Beweislastumkehr!
§ 630 h Absatz 3 BGB bestimmt: „Hat der Behandelnde eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis entgegen § 630f Absatz 1 oder Absatz 2 nicht in der Patientenakte aufgezeichnet oder hat er die Patientenakte entgegen § 630f Absatz 3 nicht aufbewahrt, wird vermutet, dass er diese Maßnahme nicht getroffen hat.“ Diese Vermutung kann nach § 630h Absatz 5 BGB zu einer Umkehrung der Beweislast führen.
Wenn vermutet wird, dass eine Maßnahme nicht getroffen wurde, wird unter bestimmten Voraussetzungen außerdem vermutet, dass diese Unterlassung die Ursache für die eingetretene Gesundheitsbeschädigung ist. Mit anderen Worten: Unterlässt ein Arzt die Dokumentation einer „medizinisch gebotenen wesentlichen Maßnahme“, kann es passieren, dass er beweisen muss, dass seine Behandlung nicht die Ursache der Beschwerden des Patienten ist. Ein solcher Beweis ist sehr schwer zu führen.
OLG Dresden: Nachweis einer gefestigten Untersuchungsroutine kann genügen
Das Oberlandesgericht Dresden (OLG) hat nun in einem Beschluss den Ärzten in diesem Zusammenhang geholfen. Es hat entschieden, dass ein Mangel in der Dokumentation durch eine Parteivernehmung des Arztes geheilt werden kann. Dies sei sogar dann möglich, wenn der Arzt sich an die konkrete Behandlung nicht mehr erinnern kann. Es reiche, wenn er den Beweis führe, dass er eine ständige Praxis nachweise. Der Arzt könne, so die Richter, auch durch den Nachweis einer gefestigten Untersuchungsroutine den Beweis für eine entsprechende Untersuchung im konkreten Einzelfall führen, wenn feststeht, dass es überhaupt eine solche Untersuchung gegeben hat.
Der Fall: Prüfung auf Nackensteife bei Meningitis-Verdacht
Im konkreten Fall ging es um ein 18 Monate altes Mädchen mit Verdacht auf Meningitis im Anfangsstadium. Strittig war, ob der behandelnde Arzt der Kindernotfallambulanz bei der klinischen Untersuchung auf Meningitisanzeichen auch fachgerecht die Nackensteife geprüft hatte. Dass der Arzt im konkreten Fall das Kleinkind klinisch und orientierend neurologisch untersucht hat, ist zwischen den Parteien unstreitig. Dass hierzu routinemäßig auch die Prüfung auf Nackensteife gehört, hatte der Arzt ausgesagt. Dies hielten auch die Richter für glaubhaft.
Muss man Routineuntersuchungen genau dokumentieren?
Es stellte sich die Frage, ob die Prüfung der Nackensteifigkeit sowie ihr Ergebnis überhaupt zu dokumentieren gewesen wäre. Mit Blick auf die Einschätzung des MDK-Gutachters, eine solche Untersuchung dauere lediglich eine Sekunde, hielt der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden dies für zweifelhaft: Ziel und Zweck der vertraglich wie deliktisch begründeten Pflicht zur ärztlichen Dokumentation sei nicht die forensische Beweissicherung, sondern die Gewährleistung einer sachgerechten, medizinischen Behandlung durch den Arzt (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., Rn. 202 m.w.N.).
Eine Dokumentation, die zu therapeutischen Zwecken nicht erforderlich ist, sei aus Rechtsgründen nicht geboten. Bloße Routinemaßnahmen sind daher ebenso wenig wie Negativbefunde grundsätzlich nicht zu dokumentieren, es sei denn, es besteht hierfür ein konkreter Anlass, etwa dann, wenn ärztlicherseits von vornherein ein bestimmter Verdacht auszuräumen war (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. November 2015 – 1 U 96/14 –, Rn. 42, juris Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., Rn. D 388 f. m.w.N.).
[!] Wenn ein Arzt in solchen Situationen immer eine bestimmte Maßnahme ergreift, wird vermutet, dass er dies auch im konkreten Fall getan hat. Die Vermutung des § 630h Abs. 3 BGB („Keine Aufzeichnung, keine Maßnahme“) kann der Arzt dadurch entkräften, dass er den Beweis des Gegenteils (§ 292 ZPO) führt. Das OLG Dresden überträgt damit eine ständige Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht auf die Dokumentationspflicht.
[!] Dr. med.dent. Wieland Schinnenburg, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, Hamburg rät:
„Trotz dieser erfreulichen Entscheidung sollte jeder Arzt eine sorgfältige und im Zweifel zu umfangreiche Dokumentation führen. Schließlich ist in vielen Fällen nicht klar, was eine „medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme“ ist, die dokumentiert werden muss. Deshalb sollte jeder Arzt seine Behandlung sorgfältig dokumentieren, die bloße Notierung von Abrechnungspositionen o.ä. reicht nicht. Es sei auch daran erinnert, dass diese Dokumentation nach § 630 f BGB „in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung“ erfolgen muss, dass Änderungen nur zulässig sind, wenn auch der ursprüngliche Inhalt erkennbar bleibt, und dass die Patientenakte 10 Jahre nach Abschluss der Behandlung aufbewahrt werden muss.“
OLG Dresden, Beschluss vom 14.9.2017; Az:: 4 U 975/17.
Was Behandlungsroutinen mit Qualitätsmanagement zu tun haben, und warum Sie als Fach- und Oberarzt hier in der Pflicht sind, lesen Sie hier: oberarzt-heute.de/verfahrens-und-arbeitsanweisungen-herzstueck-des-qualitaetsmanagements