Medizinerinnen in Führungsposition und Top-Management

von Dr. Marianne Schoppmeyer, Ärztin und Medizinjournalistin, www.medizinundtext.de

„Spitzenfrauen! Medizinerinnen in Führungsposition und Top-Management.“ Auf dieses Buch haben sicherlich schon viele Medizinerinnen gewartet, will es doch eine Anleitung für die erfolgreiche Karriere geben. Und in der Tat wird nicht zu viel versprochen: Als Medizinerin erhält man viele hilfreiche Ratschläge für eine erfolgreiche Karriere mit und ohne Kittel.

Frauen in Führungspositionen: eher eine Seltenheit

Trotz eines Frauenanteils von mittlerweile 50 Prozent in der Ärzteschaft und steigender Zahlen von Medizinstudentinnen in Richtung 70 Prozent sind Führungspositionen in der Medizin weitgehend männlich besetzt. Nur etwa 10 Prozent der Lehrstühle und Chefarzt-Positionen in Deutschland haben Frauen inne. Besser sieht es bei den Oberärztinnen aus, die immerhin schon mit 30 Prozent vertreten sind. Woran liegt das?

Die gängigen Antworten lauten:

  • Frauenfeindliches Arbeitsumfeld
  • Karrierehemmende männliche Kollegen und Vorgesetzte
  • Fehlende Motivation, Führungsverantwortung zu übernehmen
  • Fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Rollenvorbilder und Mentorinnen

Dass es trotzdem anders gehen kann, zeigen die Lebensläufe von 51 Medizinerinnen, die in den unterschiedlichsten Führungspositionen im Gesundheitswesen arbeiten und in dem Buch zu Wort kommen. Weibliche Rollenvorbilder, die im klinischen Alltag oft fehlen und an denen sich junge Ärztinnen orientieren können, werden hier facettenreich vorgestellt. Die Frauen schildern offen ihre Erfahrungen und geben jeweils kurz und prägnant Auskunft zu folgenden Fragen:

  • 1. Was raten Sie jungen Medizinerinnen zu Beruf, Karriere und Familie?
  • 2. Wann und durch wen haben Sie die meiste Förderung in Ihrem beruflichen Werdegang erfahren?
  • 3. Gibt es für sie ein weibliches Vorbild?
  • 4. Haben Kolleginnen Sie unterstützt und gefördert?
  • 5. Wer oder was waren Ihre größten Widersacher?
  • 6. Was hat Sie immer wieder motiviert, weiterzumachen?
  • 7. Führungstipps – Ihre Tipps kurzgefasst für junge Medizinerinnen?

Zwar weist dieser Teil des Buches Längen auf, da sich die Antworten wiederholen. Dennoch gewinnt der Leser hier interessante Erkenntnisse zu den Schwierigkeiten, denen Frauen im klinischen Alltag begegnen. Ebenso wird geschildert, was weibliche Führungskräfte antreibt und woraus sie ihre Motivation ziehen. Schnell wird klar, dass es keine Patentrezepte für den Weg in eine Spitzenposition gibt. Jede Frau hat ihren eigenen persönlichen Weg gewählt. Dabei spielen Begeisterung, Talent, Willensstärke, Netzwerke und ein gutes Selbstmanagement eine wichtige Rolle.

Familie und Beruf

Es ist schade, dass es zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf so wenig konkrete Tipps gibt. Einzig der Hinweis, das Wort „Rabenmutter“ aus seinem Wortschatz zu streichen, ist wenig hilfreich. Und auch die Tatsache, dass über die Hälfte der Frauen, die in dem Buch zu Wort kommen, keine Kinder neben ihrer Karriere haben, ist für Medizinerinnen auf dem Weg nach oben wenig ermutigend. Eine zusammenfassende Analyse der verschiedenen Interviews identifiziert zehn Punkte, die die Karriereentwicklung der befragten Medizinerinnen maßgeblich beeinflusst haben und richtungsweisend für die eigene Karriereplanung sein können.

1747: die erste Ärztin in eigener Praxis

Vorangestellt ist den Biografien eine Beschreibung, wie sich die Rolle der Frau in der Medizin im Laufe der Zeit gewandelt hat. Ausführlich wird das Leben der ersten deutschen promovierten Ärztin Dorothea Christiane Erxleben dargestellt, die von 1715 bis 1762 gelebt hat und zahlreiche Hürden in einer von Männern dominierten Arbeitswelt zu überwinden hatte.

Weibliche Führung

Im dritten Teil des Buchs werden allgemeine Führungsthemen beleuchtet, wobei der besondere Fokus auf weibliche Aspekte und Bedürfnisse gelegt wird. Hierzu gehören z. B. die verschiedenen Führungsstile sowie der Einfluss weiblicher Führung auf ein Unternehmen, die Bedeutung der sogenannten Soft Skills, die Karriereplanung, Gruppenphänomene im Führungsalltag etc. Daneben werden Projekte und Unterstützungsprogramme für Frauen vorgestellt, die für mehr Gleichberechtigung im klinischen Alltag sorgen sollen.

Ausblick

Das Buch zeigt, dass für Frauen eine Vielzahl von Möglichkeiten, mehr Unterstützungsprogramme als je zuvor, mehr Gender und mehr Gleichberechtigung existieren. Auch gibt es mehr Frauen, die selbstbewusst ihren Weg gehen und nach den Optionen greifen, die sich ihnen bieten. Das Werk schließt mit einer Liste mit Führungstipps ab, die von vielen der am Buch beteiligten Medizinerinnen übereinstimmend genannt werden und der Leserin als kurzer Reminder dienen sollen.

Weiterführender Hinweis

  • Martina Oldhafer (Hrsg.): Spitzenfrauen! Medizinerinnen in Führungsposition und Top-Management. Medizinisch wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin, 2017, ISBN 978-3-95466-289-0