So versenden Sie Arztbriefe richtig

Kommen wichtige Arztbriefe eines untersuchenden Arztes nicht beim behandelnden Arzt an, kann sich eine notwendige Behandlung verzögern. Hier stellt sich dem Arzt die Frage: Wie soll der Arztbrief versendet werden – per Post oder per Fax oder auch an den Patienten?

von Philip Christmann, Fachanwalt für Medizinrecht, Berlin/Heidelberg
www.christmann-law.de

Der Fall

Eine Patienten wurde von ihrem Hausarzt nach Beschwerden im Darm an einen Gastroenterolgen überwiesen. Der (später beklagte) Gastroenterologe tastete die Patientin rektal ab, fand dort einen Befund (Hautveränderung) vor, digital rektal stellte er eine Erhabenheit fest, weswegen er auch nach der Untersuchung des eigentlichen Darms diese Stelle mit dem Endoskop erneut betrachtete und den Befund abtrug hat. Das Gewebe sendete er zur histologischen Untersuchung ein. 

Der beklagte Arzt gab an, in dem Nachgespräch habe er der Patientin anhand der bei der Koloskopie gefertigten Bilder genau erläutert, was für eine Auffälligkeit bestanden habe und, dass er diese mit einer Zange abgetragen habe. Er erläutere auch, dass der Befundbericht noch um die Histologie ergänzt werde. Er habe ihr ferner gesagt, dass in 7 bis 10 Tagen der Bericht bei dem Hausarzt mit der kompletten Histologie eintreffen werde. Der weitere Inhalt dieses Gesprächs ist zwischen Patientin und dem Arzt streitig. 

Der beklagte Arzt fertigte einen Arztbericht (Arztbrief), erhielt am Tag darauf den histologischen Befund („kein invasives Wachstum“) und sandte anschließend den Arztbrief und den histologischen Befund per Post an die Hausärztin der Klägerin. Der Arztbrief enthielt die Therapieempfehlung: bioptische Kontrolle im Abstand von sechs Monaten. Ob dieser Arztbrief bei der Hausärztin ankam, kontrollierte er nicht. 

Die Entscheidung

Das OLG verneinte, wie auch zuvor das Landgericht, einen Behandlungsfehler des beklagten Gastroenterologen (hier verspätete Übersendung und damit fehlerhafte therapeutische Aufklärung). Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Patientin persönlich telefonisch zu informieren oder wiedereinbestellen, sondern es genüge die Information ihrer Hausärztin mittels Arztbrief per Post.

Zwar mag es hochpathologische Befunde geben oder Befunde, die weitere zeitkritische Behandlungsschritte erfordern, bei denen eine rasche Reaktion geboten ist und bei denen deshalb auch eine persönliche Information des Patienten geboten sein kann, so das OLG.

Erhält der behandelnde Arzt einen Arztbericht, in dem für die Weiterberatung und -behandlung des Patienten neue und bedeutsame Untersuchungsergebnisse enthalten sind, die eine alsbaldige Vorstellung des Patienten bei dem Arzt unumgänglich machen, so hat er den Patienten auch dann unter kurzer Mitteilung des neuen Sachverhalts einzubestellen, wenn er ihm aus anderen Gründen die Wahrnehmung eines Arzttermins angeraten hatte.

Eine solche besondere Dringlichkeit war aus Sicht des OLG aber nicht geboten. Bei dem vorliegenden Befund einer abgetragenen Krebsvorstufe reiche ein Kontrollintervall von sechs Monaten und die Befundübermittlung mit der Therapieempfehlung an die Hausärztin aus.

Das OLG war im Übrigen davon überzeugt, dass der Beklagte die Klägerin gefragt hat, ob sie eine Kopie des Befundberichts erhalten wollte und sie dies verneint hat. 

Hinsichtlich der Pflicht des Arztes, zu kontrollieren, ob der Arztbrief auch bei der Hausärztin angekommen ist, differenziert das OLG: 

  • Der Arztbrief ist ein gängiges Mittel zur gebotenen Aufrechterhaltung des Informationsflusses zwischen den an der Behandlung beteiligten Ärzten
  • Normalerweise darf der Absender darauf vertrauen, dass sein Arztbrief beim Empfänger ankommt. Es kann ihm nicht zugemutet werden, sich bei jedem Arztbrief zu vergewissern, dass dieser erfolgreich übermittelt wurde
  • Nur dann, wenn dem Arzt aus vorherigen Fällen z. B. bekannt ist, dass es bei einer Praxis Probleme bei der Postzustellung gibt, kann es eine derartige Pflicht geben – dann sollte der Behandler auf eine andere Kommunikationsmethode (wie etwa Fax) umstellen
  • Nur in dringenden Fällen gilt, dass der Absender überprüfen muss, ob die Information beim Empfänger angekommen ist, z. B. bei hochpathologischen Befunden oder Befunden, die weitere, zeitkritische Behandlungsschritte erforderlich machen

Da sich dem beklagten Arzt aber keine hinreichende Anhaltspunkte für derartige Probleme zeigten, verneinte das Gericht die Pflicht, den Zugang des Arztbriefes per Post bei der Hausärztin zu kontrollieren. 

Praxisempfehlung

Der Patient hat einen Anspruch auf Unterrichtung über die im Rahmen einer ärztlichen Behandlung erhobenen Befunde und Prognosen. Das gilt in besonderem Maße, wenn ihn erst die zutreffende Information in die Lage versetzt, eine medizinisch gebotene Behandlung durchführen zu lassen (Therapeutische Aufklärung/Sicherungsaufklärung). Es ist ein (schwerer) ärztlicher Behandlungsfehler, wenn der Patient über einen bedrohlichen Befund, der Anlass zu umgehenden und umfassenden ärztlichen Maßnahmen gibt, nicht informiert und ihm die erforderliche ärztliche Beratung versagt wird.

Für den untersuchenden Arzt ist es daher der sicherste Weg wenn er:

  • dem Patienten das bisherige Ergebnis medizinisch erläutert
  • den Patienten fragt, ob er eine Kopie des Arztbriefes wünscht
  • den Arztbrief zeitnah an den Hausarzt versendet – tut er dies per Fax, spricht der Sendebeleg (gut aufbewahren) dafür, dass der Brief auch dort angekommen ist. Außerdem ist ein Fax kostengünstiger als ein Brief und es geht schneller

bei sehr wichtigen Befunden, die eine sofortige Weiterbehandlung erfordern (z.B. bösartiger Tumor), sich mit dem Hausarzt noch einmal kurz telefonisch bespricht. So kann er feststellen, ob der Brief angekommen ist. Er sollte dieses Telefonat mit dem Hausarzt kurz in der Behandlungsakte dokumentieren (Kürzel sind ausreichend)

[!] Die postalische Übersendung eines Arztbriefes stellt ein gängiges Mittel zur Aufrechterhaltung des Informationsflusses dar. Es ist nicht zumutbar, sich bei jedem Arztbrief zu vergewissern, dass dieser ankommt. Anders verhält es sich nur, wenn aus früheren Fällen Probleme bei der Zustellung bekannt sind oder wenn ein hochpathologischer Befund mitzuteilen ist, der weitere zeitliche Behandlungsschritte erforderlich macht.

OLG Karlsruhe, 11.3.2020 – 7 U 10/19