Unerkannte Hepatitis-Fälle rasch diagnostizieren: DGVS fordert Umsetzung des Hepatitis-Screenings für gesetzlich Versicherte ab 35 Jahren
Im November 2020 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Aufnahme eines Screenings auf Hepatitis B und C in den Check-up ab 35 Jahren in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen beschlossen. Beide Virushepatitis-Erkrankungen sind hochansteckend und verlaufen häufig lange symptomlos. Daher ist es wichtig, die Erkrankung durch das Screening frühzeitig zu erkennen, um eine Therapie einleiten zu können. Doch auch ein dreiviertel Jahr nach dem Beschluss können die Versicherten die Leistung noch nicht in Anspruch nehmen.
Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) e.V. drängt auf die zeitnahe Umsetzung des Screenings im Rahmen des „Check-up 35“.
Hepatitis B und C sind durch Viren hervorgerufene Entzündungen der Leber.
Laut WHO leiden weltweit etwa 325 Millionen Menschen an einer chronischen Virus-Hepatitis. Deutschland zählt zwar zu den Ländern mit einer eher niedrigen Rate an Infizierten, aber auch hier tragen bis zu einer halben Million Menschen das Hepatitis B oder C-Virus. „Problematisch bei Hepatitis B und C ist die hohe Dunkelziffer an unerkannt Infizierten. Beide Virus-Hepatitiden können ohne schwere Symptome verlaufen. Infizierte verbreiten so die Erkrankung, ohne es zu wissen“, erklärt Professor Dr. med. Heiner Wedemeyer (MHH Hannover). Die WHO hat sich zum Ziel gesetzt, die durch Hepatitis verursachten Tote bis 2030 um 65 Prozent zu reduzieren und die Inzidenz um 90 Prozent zu senken. Auch Deutschland hat sich diesen Zielen verschrieben.
„Um dieses Ziel zu erreichen, ist es wichtig, alle Erkrankten zu erfassen und zu therapieren. Deutschland hinkt hier gegenüber anderen Ländern deutlich hinterher. Der Beschluss des G-BA vom 20. November 2020 war daher ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg“, so Wedemeyer weiter. Nach Ansicht des Experten könnten die Fallzahlen nur dann gesenkt werden, wenn großflächig gescreent werde. „Es ist wirklich gut, dass der G-BA das Screening auf Hepatitis B und C in den Check-up 35 aufgenommen hat. Jedoch muss jetzt auch die konkrete Umsetzung folgen“, so der Experte. Bevor das Hepatitis-Screening in Anspruch genommen werden kann, muss der Beschluss dem Bundesministerium für Gesundheit zur Prüfung vorgelegt werden. Danach verhandeln Ärzte und Krankenkassen die Höhe der ärztlichen Vergütung und zuletzt wird die Abrechnungsziffer festgelegt.
Wird eine Infektion mit Hepatitis B oder C früh erkannt, ist eine Hepatitis B-Erkrankung sehr gut kontrollierbar und Hepatitis C sogar in fast allen Fällen komplett heilbar. Erfolgt eine Infektion bereits im frühen Kindesalter, wenn beispielsweise die Mutter Hepatitis B positiv ist, verläuft die Erkrankung in 90 Prozent der Fälle chronisch. Leberzirrhosen und Leberkrebs können dann die Folge sein. Hepatitis B und C treten vermehrt in bestimmten Risikogruppen auf. Dazu zählen unter anderem Personen, die aktuell oder in der Vergangenheit intravenös Drogen konsumiert haben, homosexuelle Männer, aber auch Migranten aus Ländern, in denen die Infektionen weit verbreitet sind.
Hepatitis B und C sind Leberentzündungen, die auf eine Infektion mit dem jeweiligen Hepatitisvirus zurückgehen. Beide Infektionen sind in ihren Früh- und Akutphasen hochansteckend und werden über das Blut übertragen. Hepatitis B kann zudem über sexuelle Kontakte übertragen werden, da für eine Infektion schon eine geringe Menge an Viren ausreicht und sich die Viren in allen Körperflüssigkeiten befinden. Daher gehört Hepatitis B auch zu den häufigsten Infektionskrankheiten weltweit. In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission STIKO die Impfung gegen Hepatitis B seit 1995 für Säuglinge und für Erwachsene in Berufen mit einem erhöhten Infektionsrisiko. Diese Empfehlung wurde 2013 auf Menschen mit einem geschwächten Immunsystem erweitert. Für Hepatitis C gibt es bislang noch keine Schutzimpfung.
Die wichtigsten Neuerungen in der Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B-Virusinfektion finden sich in der im Juli 2021 veröffentlichten, aktualisierten S3-Leitlinie der DGVS. Sie enthält neue Empfehlungen, unter anderem zu der wichtigen Frage, wann eine antivirale Therapie, die bisher meist lebenslang empfohlen wurde, auch beendet werden kann.
Quellen:
WHO: https://www.who.int/health-topics/hepatitis#tab=tab_1
RKI: Epidemiologisches Bulletin 30/31 2020 (rki.de)
DGVS S3-Leitlinie Hepatitis-B-Virusinfektion: https://www.dgvs.de/wissen/leitlinien/leitlinien-dgvs/hepatitis-b/