BVerfG: Medizinische Zwangsbehandlung ist nur unter engen Voraussetzungen möglich
von RA Benedikt Büchling, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de
Medizinische Zwangsbehandlungen müssen von Ärzten angeordnet werden. Gesetzliche Regelungen, die eine solche ärztliche Anordnung nicht ausdrücklich vorsehen, verstoßen gegen das Grundgesetz (GG). Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für § 23 Abs. 2 S. 2 Psychischkrankengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (PsychKG M-V) festgestellt (Beschluss vom 19.07.2017, Az. 2 BvR 2003/14). Die betreffende Vorschrift ist zum 30.06.2016 geändert worden.
Sachverhalt
Eine an paranoider halluzinatorischer Schizophrenie erkrankte Patientin erhob Verfassungsbeschwerde gegen eine medizinische Zwangsbehandlung. Die Patientin war in eine geschlossene Abteilung eingewiesen worden. Dort hatte sie unter Zwang mehrere Injektionen eines Antipsychotikums erhalten. Rechtsgrundlage für die Zwangsmaßnahmen war noch das PsychKG M-V in der alten Fassung. Beschwerden der Patientin hatten untere Gerichte mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Patientin uneinsichtig und von ihr ein selbstschädigendes Verhalten zu erwarten sei. Das BVerfG gab der Verfassungsbeschwerde der Patientin statt.
Entscheidungsgründe
Nach Auffassung des BVerfG verletzt die Zwangsbehandlung das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Die Vorschrift, auf deren Basis die Zwangsbehandlung durchgeführt worden war (§ 23 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 PsychKG M-V), erfülle nicht die materiellen Anforderungen, die an eine medizinische Zwangsbehandlung zu stellen sind. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit sei u. a. die Anordnung und Überwachung einer Zwangsbehandlung durch einen Arzt unabdingbar. Ferner sei ein deutlich feststellbares Überwiegen des Nutzens gefordert. § 23 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 PsychKG M-V enthalte schon keine Regelung dazu, dass die Anordnung und Überwachung der medizinischen Zwangsbehandlung durch einen Arzt zu erfolgen habe. Die Vorschrift sei daher verfassungswidrig.
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