Sectio trotz personeller Unterbesetzung – Praxishinweise
Der Wunsch des Patienten nach einer bestimmten Behandlung ist grundsätzlich zu berücksichtigen, entlastet den Arzt aber nicht davon, den Patienten auf die mit der Wunschbehandlung einhergehenden Risiken hinzuweisen.
von Philip Christmann, Fachanwalt
für Medizinrecht, Berlin/Heidelberg
http://www.christmann-law.de
Je höher diese Risiken sind und je weniger die Wunschbehandlung medizinisch indiziert ist, desto deutlicher und härter muss diese Aufklärung sein. Diese Aufklärung ist zu dokumentieren, wobei davon abzuraten ist, lediglich ein Formular vom Patienten unterschreiben zu lassen. Vielmehr muss in dem Formular handschriftlich und klar das höchste Risiko (hier: Blutung und Tod bei Sectio) vermerkt und entsprechend hervorgehoben werden (indem dieses z.B mit drei Ausrufungszeichen versehen wird).
All dies hilft aber nicht, wenn der Arzt gar nicht über die Ressourcen verfügt, um die im schlimmsten Fall auftretende Blutung zu kontrollieren, weil er noch eine in einem anderen Kreißsaal bevorstehende Risikogeburt betreuen muss und in dem Krankenhaus wegen der Nachtzeit nur eine geringe Personalausstattung vorliegt. Dann muss der Arzt überlegen, ob der den Wunsch nach einem Kaiserschnitt zurückweist.
Die Entscheidung kollidiert natürlich mit den realen Gegebenheiten in deutschen Kliniken: Die personelle Ausstattung ist schon in den Tagschichten oft unzureichend, die Ärzte sind gestresst und überlastet. Die Ärzte können daher oft gar nicht den medizinischen Standard einhalten. Ausbaden müssen die Patienten diese Situation. Die Klinkleitungen können (zu wenig Personal auf dem Markt) oder wollen (Kostendruck) die Personalausstattung nicht verbessern. Die Politik kann nicht helfen (Kliniken sind in privater Hand und grundsätzlich frei in ihren Personalentscheidungen).
Einziges (aber meist faktisch unzureichendes) Korrekturmittel ist dann die zivilprozessuale Arzthaftung. Da die Haftpflichtversicherungen der Kliniken die Schäden abfangen (müssen), schaden diese Haftungsfälle aber regelmäßig nicht den Kliniken, weshalb die Situation so bleibt, wie sie ist: Ärzte sind überfordert und Patienten kommen zu Schaden.
[!] Für Ärzte bedeutet dies: Schreiben Sie Ihre Überstunden auf. Das zwingt die Kliniken, mehr Personal einzustellen – oder zu schließen, wenn das Haus unwirtschaftlich läuft. Ärzte, die aus Rücksicht auf Ihre Kollegen und aus Angst vor negativen Konsequenzen für ihre klinische Karriere kostenlos Überstunden schieben und „ausbrennen“, helfen damit letztlich niemanden und schaden nur den Patienten.