Die Pflege aus Sicht des Leitungspersonals im Krankenhaus
von Dr. med. Marianne Schoppmeyer, www.medizinundtext.de, Nordhorn
Die Mehrheit der Chefärzte, Pflegedienstleiter und Krankenhaus-Geschäftsführer ist sich einig: Der steigende wirtschaftliche Druck auf bundesdeutsche Kliniken wirkt sich spürbar auf die Patientenversorgung aus. Insbesondere in der Pflege und der menschlichen Zuwendung werden laut einer Studie des Lehrstuhls für Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen erhebliche Defizite wahrgenommen.
Sparmaßnahmen aufgrund wirtschaftlichen Drucks
Die deutschen Krankenhäuser stehen unter großem finanziellem Druck. Fast jede zweite Klinik schreibt rote Zahlen. Zudem besteht ein geschätzter Investitionsstau von ca. 15 Mrd. Euro vonseiten der Bundesländer. Vor diesem Hintergrund können Krankenhäuser ihre finanzielle Situation nur verbessern, indem sie ihre Kosten durch Rationierungsmaßnahmen senken oder ihre Erlöse durch Erhöhung der Fallzahlen steigern.
Vor allem der pflegerische Bereich erschien in den letzten Jahren von dieser Entwicklung betroffen. Während die Fallzahlen von 2004 bis 2012 um elf Prozent stiegen, wurden nur drei Prozent mehr Pflegekräfte eingestellt.
Bundesweite Befragung zur Pflegesituation
Eine Studie des Lehrstuhls für Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen ist nun der Frage nachgegangen, ob die steigenden Arbeitsanforderungen in der Pflege zu Versorgungsdefiziten in der Patientenversorgung führen. Für die Untersuchung verschickten die Wissenschaftler knapp 5.000 Fragebögen an Chefärzte, Pflegedienstleitungen und Klinik-Geschäftsführer, die auf vorab geführten qualitativen Interviews basierten. Einbezogen waren Kliniken mit mehr als 100 Betten. Die Rücklaufquote der Fragebögen war mit gut 43 Prozent relativ hoch. Dabei lag die Beteiligung der Chefärzte und der Pflegedienstleitungen deutlich höher als die der Geschäftsführer.
Übereinstimmend berichteten alle drei Berufsgruppen von einem großen wirtschaftlichen Druck, der sich am stärksten im pflegerischen Bereich bemerkbar macht.
- 71 Prozent der Chefärzte gehen davon aus, dass sich der finanzielle Druck auf die Patientenversorgung auswirkt.
- Vor allem was die persönliche Zuwendung zum Patienten (81 Prozent) und die pflegerische Versorgung (67 Prozent) betrifft, werden Defizite gesehen. Weitere Problembereiche sind die Hygiene und die Essensversorgung.
- Darüber hinaus gibt jeder fünfte Chefarzt Einschränkungen bei Diagnostik, Therapie und der Versorgung mit Medizinprodukten an.
Ursache: zu wenig Personal
Die Ursache der unbefriedigenden Situation in der Pflege scheint in erster Linie die Personalknappheit zu sein, auch wenn dieser kausale Zusammenhang nicht unmittelbar aus der Befragung hervorgeht. In Krankenhäusern, in denen ein hoher wirtschaftlicher Druck wahrgenommen wird, werden Pflegeleistungen eher rationiert. Ebenso führt eine schlechte Personalbesetzung häufiger zu einer Rationierung von Leistungen. Neben den finanziellen Rahmenbedingungen wirkt sich auch der zunehmend spürbare Fachkräftemangel in der Pflege auf die unzureichende Personalausstattung der Kliniken aus. 56 Prozent der Pflegedienstleitungen berichten von Problemen bei der Stellenbesetzung, 6 Prozent von größeren Schwierigkeiten.
Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass das Mortalitätsrisiko von Patienten steigt, wenn Pflegekräfte eine steigende Anzahl von Patienten zu betreuen haben.
Pflegeberufegesetz soll kommen
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe sieht in dem geplanten Pflegeberufegesetz eine Möglichkeit, dem Fachkräftemangel in der Pflege wirksam entgegenzutreten. Geplant ist, die bisher getrennten Berufe in der Kranken-, Alten- und Kinderkrankenpflege durch einen einheitlichen Pflegeberuf abzulösen. Gröhe will den Pflegeberuf so aufwerten und für junge Menschen attraktiver machen. Einhergehen müsse das laut Gröhe mit einer angemessenen Vergütung. Er hält – trotz vieler Widerstände – an dem Ziel fest, das Pflegeberufegesetz noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen.
Weiterführender Hinweis
- Reifferscheid A. et al.: Pflegerische Versorgungsdefizite in deutschen Krankenhäusern – Ergebnisse einer bundesweiten Befragung von Krankenhaus-Leitungspersonen. Gesundheitswesen 2016, 78 (Suppl. 1): e97-e102