Gesundheitspolitik

G-BA passt die Bedarfsplanung an

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat Details bei der Bedarfsplanung für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte bzw. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten an aktuelle Verhältnisse im Bundesgebiet angepasst.

Entscheidende Stellschraube dabei ist der sogenannte Morbiditätsfaktor, den der G-BA in diesem Jahr zum ersten Mal verändert hat. Der Morbiditätsfaktor sorgt dafür, dass eine veränderte Krankenlast (Morbidität) der Bevölkerung sowie regionale Unterschiede in der Bedarfsplanung sichtbar werden. Bezogen auf einzelne Arztgruppen heißt das beispielsweise: Die Bedarfsplanungs-Richtlinie des G-BA schafft die Möglichkeit, dass rund 260 zusätzliche Stellen für Hausärztinnen und -ärzte ausgewiesen werden können.

Mit Hilfe der Bedarfsplanung sollen Niederlassungsmöglichkeiten von Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten genau dort ausgewiesen werden, wo sie benötigt werden. So sollen Versicherte – egal wo sie leben – einen bedarfsgerechten Zugang zur ambulanten Versorgung erhalten. Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen können auf Landesebene von der bundeseinheitlichen Systematik abweichen, wenn regionale oder lokale Besonderheiten dies erforderlich machen.

„Aber: Allein mit der Ausweisung von 260 zusätzlichen Hausarztsitzen ist noch keiner Patientin und keinem Patienten geholfen! Entscheidend ist, ob es vor Ort gelingt, auch niederlassungswillige Ärztinnen und Ärzte zu finden. Denn seit einigen Jahren erleben wir, dass Besetzungen neuer Arztsitze oder Nachbesetzungen bereits vorhandener vor allem in ländlichen Regionen immer schwerer werden. Trotz verschiedenster finanzieller oder sonstiger Anreize ist es oft nicht möglich, junge Ärztinnen und Ärzte dafür zu begeistern, ihren Beruf außerhalb der Ballungszentren auszuüben. Mit Blick auf die Altersstruktur der heute praktizierenden Hausärztinnen und Hausärzte drohen hier mancherorts ernsthafte Versorgungsprobleme“, sagt Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA.

Technische Details des Verfahrens

In einem zweistufigen Verfahren werden die bundesweit einheitlichen Basis-Verhältniszahlen – Einwohnerzahl pro Ärztin/Arzt – und damit das als allgemein angemessen betrachtete Soll-Versorgungsniveau ermittelt. Ausschlaggebend sind Alters-, Geschlechts- und Morbiditätsstruktur. Der Morbiditätsfaktor als Teilgröße dieses Verfahrens trägt der Annahme Rechnung, dass eine regional höhere Krankenlast der Bevölkerung mit einem höheren Bedarf an ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzten bzw. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten einhergeht. Das heißt, in Regionen mit einer höheren Morbidität als im Bundesdurchschnitt werden die allgemeinen Verhältniszahlen abgesenkt und somit mehr Stellen für die Patientenversorgung ausgewiesen. In Regionen mit einer geringeren Morbidität als im Bundesdurchschnitt werden dagegen vergleichsweise weniger Ärztinnen und Ärzte bzw. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten benötigt; die regional angepassten Verhältniszahlen erhöhen sich entsprechend.

Mehr Stellen für Hausärztinnen und Hausärzte

Für die hausärztliche Versorgung wirkt sich der veränderte Morbiditätsfaktor so aus: Da die Bevölkerung bundesweit in Deutschland seit 2010 älter geworden ist, wird die Basis-Verhältniszahl abgesenkt. Kam bisher ein Hausarztsitz auf 1671 Einwohnerinnen und Einwohner, sind es im ersten Rechenschritt künftig nur noch 1607 Einwohnerinnen und Einwohner, die von einem Sitz versorgt werden müssen. Zusätzlich zu dieser Basis-Verhältniszahl wirkt sich der regionale Planungsbereich aus. Hier gilt für den hausärztlichen Planungsbereich, dass die Patientinnen und Patienten vergleichsweise älter und kränker sind als früher, so dass auch durch die regional angepassten Verhältniszahlen der Schlüssel sinkt und damit künftig auf 1344 Einwohner ein Hausarztsitz kommt. Datenbasis sind aktuelle Abrechnungsdaten der gesetzlichen Krankenkassen von 2017 und 2019.

Weitere Details mit Angaben zu den Basis-Verhältniszahlen je Arztgruppe und den regional angepassten Verhältniszahlen sind in der aktuellen Bedarfsplanungs-Richtlinie zu finden. Der Beschluss wird vom Bundesministerium für Gesundheit rechtlich geprüft und tritt nach Genehmigung sowie Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

Hintergrund Bedarfsplanung

Aufgabe des G-BA ist es, für die Aufstellung der regionalen Bedarfspläne eine bundeseinheitliche Planungssystematik zu definieren. Diese Rahmenvorgaben legt er in der Bedarfsplanungs-Richtlinie fest. Auf Landesebene werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Krankenkassen die Bedarfspläne erstellt und das Versorgungsniveau ermittelt. Je nach Ergebnis können dann neue Niederlassungsmöglichkeiten je Arztgruppe in einem Planungsbereich ausgewiesen werden. Mit der Reform der Bedarfsplanung 2019 wurde der sogenannte Morbiditätsfaktor eingeführt. Dieser wird alle zwei Jahre aktualisiert – erstmalig 2021.

Die Bedarfsplanungs-Richtlinie eröffnet viele Möglichkeiten für Regionen, von der bundeseinheitlichen Systematik abzuweichen, wenn Besonderheiten in der Versorgungslage vor Ort dies erforderlich machen: Beispielsweise können auf Landesebene sowohl die Basis-Verhältniszahlen, als auch der Morbiditätsfaktor verändert werden, ebenso wie der Zuschnitt der Planungsbereiche der jeweiligen Arztgruppen.

Der Zulassungsausschuss kann außerdem zusätzliche Vertragsärzte aufgrund von Sonderbedarf zulassen und so auf besonderen lokalen oder qualifikationsbezogenen Bedarf reagieren.

Mitteilung des G-BA v. 15.07.2021