Leserfrage: Kann im Krankenhaus erlaubt sein, was im ambulanten Bereich verboten ist?
Im Leserforum beantworten wir Fragen der Oberärzte, die sie an die OH-Redaktion gerichtet haben.
FRAGE: Die Leitung meiner Klinik möchte ein neues Behandlungsverfahren etablieren, das aus den USA kommt. Ich weiß, dass dieses Verfahren in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung noch nicht zugelassen ist. Kürzlich hat aber ein Kollege berichtet, dass im stationären Bereich neuartige Behandlungsverfahren eher zulässig seien als im ambulanten Bereich. Dies hänge mit den unterschiedlichen Vergütungssystematiken zusammen. Stimmt das? Wie soll ich mich verhalten, wenn die Klinikleitung oder mein Chefarzt auf mich zukommt?
ANTWORT: Tatsächlich unterscheidet sich die Vergütungssystematik des stationären Bereichs erheblich vom vertragsärztlichen Honorarsystem. Dies betrifft insbesondere neuartige Behandlungsmethoden.
Ambulant: Verbot mit Erlaubnisvorbehalt
Für den ambulanten vertragsärztlichen Sektor gilt ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Dies bedeutet: Vom Grundsatz her ist erst einmal alles verboten – es sei denn, der G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss) hat die Behandlungsmethode als zulässig und abrechnungsfähig anerkannt. Erst dann wird die Methode in den EBM (Einheitlichen Bewertungsmaßstab) aufgenommen.
Stationär: Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt
Genau umgekehrt ist es im stationären Sektor: Hier gilt eine Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt: Es ist zunächst alles erlaubt – es sei denn, der G-BA hat ein Negativ-Votum abgegeben. Das Gesetz fordert allerdings, dass die Methode „das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist.“ Liegen diese Voraussetzungen vor, ist ein neuartiges Behandlungsverfahren stationär zulässig und abrechenbar – auch ohne Positiv-Votum des G-BA.
Die Begründung des Gesetzgebers für die unterschiedliche Systematik: Im stationären Bereich bestehe eine höhere Kontrolldichte, da sich die Klinikärzte gegenseitig im Auge hätten. Im Ergebnis lässt sich sagen: Wenn eine neuartige Behandlungsmethode für den ambulanten vertragsärztlichen Bereich (noch) nicht zugelassen ist, heißt dies nicht zwingend, dass die Etablierung dieser Methode auch im stationären Bereich a priori verboten wäre. Aber auch im stationären Bereich gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot: Alle Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des medizinisch Notwendigen nicht überschreiten.
Liegen diese Voraussetzungen vor, kann eine Behandlungsmethode in der Klinik anwendbar sein, selbst wenn sie im ambulanten Bereich unzulässig ist.