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Was tun, wenn keiner mitmacht? – So gelingt Oberärzten die Führung von Assistenzärzten

von Diplom-Pädagoge Werner Fleischer, Beratung – Coaching – Moderation, www.ihrcoach.com

Wie motiviere ich meine Assistenzärzte? Was tun, wenn keiner mitmacht? Diese Fragen haben sich viele Oberärzte schon einmal gestellt. Ohne Zweifel fühlen sich die meisten Leitungskräfte für die Motivation innerhalb ihres Teams verantwortlich – zu Recht, denn sie werden letztlich an dieser Fähigkeit von Vorgesetzten und Mitarbeitern gemessen. Doch haben Oberärzte tatsächlich Einfluss auf die Motivation ihrer Mitarbeiter? Ist es überhaupt möglich, einen lustlosen Assistenten in einen motivierten zu verwandeln? 

Grundsatz: Jeder Mensch ist motiviert

Das Wort Motivation geht zurück auf das lateinische Verb movere (= bewegen) und wird benutzt, um die Beweggründe menschlichen Handelns und Verhaltens zu bezeichnen. Da zielgerichtetes Handeln und Verhalten zu den grundlegenden Eigenschaften des Menschen gehören, ist Motivation – dem eigentlichen Wortsinn entsprechend – an sich immer vorhanden. Das gilt auch in Situationen, in denen sich Mitarbeiter scheinbar verweigern oder eine ablehnende Haltung einnehmen – z. B. bei anstehenden Veränderungen.

Der grundsätzliche Wille, Leistung zu erbringen, ist allen Menschen zu eigen. Folgerichtig ist es nicht die Aufgabe von Oberärzten, ihre Assistenten zu motivieren, sondern deren vorhandene Motivation

  • zu erkennen,
  • zu lenken und
  • auszurichten.

Kurzum: Führungskräfte sind verantwortlich für die Richtung, die die Motivation ihrer Mitarbeiter nimmt. Doch mit welchen Mitteln können Oberärzte die vorhandene Motivation erhalten oder gar lenken?

Wirkt Geld motivierend?

Geld ist ein Mittel, das im Hinblick auf die Mitarbeitermotivation sehr häufig genannt wird. Aber fragt man Menschen, was sie tatsächlich motiviert, spielt Geld nicht die wichtigste Rolle. Stattdessen sind es Faktoren wie Anerkennung für die erbrachte Leistung, eine erfüllende Arbeit und Verantwortung, die vor allem als Motivatoren genannt werden.

Geld befriedigt nur grundlegende Bedürfnisse

Dies entbindet Kliniken nicht davon, Arbeit angemessen zu bezahlen. Jedoch dient Geld – ebenso wie zufriedenstellende Arbeitsbedingungen und die Sicherheit des Arbeitsplatzes – dazu, grundlegende Bedürfnisse zu befriedigen. Diese müssen erfüllt sein, um die Arbeit überhaupt erledigen zu können.

Geld motiviert nur kurzfristig

Daher funktioniert die Motivation über Geld in Form von Prämien-Zahlungen oder Incentives nur sehr kurzfristig. Regelmäßig eingesetzt, haben sie die Wirkung von Lohnerhöhungen, die entsprechend erwartet werden. Sie motivieren aber nicht dauerhaft. Zudem reicht Geld nicht aus, um fehlende Anerkennung, Sinndefizite oder eine demotivierende Klinikkultur langfristig zu kompensieren – schon gar nicht, wenn gute Mitarbeiter die Möglichkeit haben, bei gleicher Bezahlung einen attraktiveren Arbeitgeber zu finden. „Wer Leistung fordert, muss Sinn bieten“ lautet daher der Grundsatz, an dem erfolgreiche Leitungskräfte ihr Führungshandeln ausrichten.

Führungskraft muss Mitarbeitern einen Sinn bieten

Welchen Sinn aber können Sie als Oberarzt Ihren Mitarbeitern bieten? Schließlich ist die Klinik ein Arbeitsplatz, an dem sich keine Sinnfrage zu stellen scheint, schließlich geht es ja um die Behandlung von Kranken. „Ist das nicht bereits Sinn genug?“ könnte man nun fragen.

Zweifelsohne ist das „Heilen“ ein wichtiger und verbindender Aspekt. Aber er allein reicht nicht, um die Motivation der Mitarbeiter zu erhalten. Denn es gibt viele Faktoren, die Ärzten die tägliche Arbeit schwer machen:

  • Fehlende Anerkennung
  • Unklare Strukturen und Abläufe
  • Über- oder Unterforderungen
  • Nicht nachvollziehbare Entscheidungen

Diese Aspekte lassen gerade Klinikärzte am Sinn ihrer Arbeit zweifeln. Daher sollten die genannten Faktoren thematisiert und optimiert werden – dies ist ein Bestandteil wirksamer Führung, der die Motivation erhält und lenkt.

Miteinander reden, nicht übereinander

Das wichtigste und einzige Mittel, das Führungskräften zur Verfügung steht, um die Motivation ihrer Mitarbeiter zu erhalten und zu lenken, ist das Gespräch. Wem es als Oberarzt gelingt, eine Kultur zu etablieren, in der das Credo „Wir reden miteinander und nicht übereinander“ tatsächlich praktiziert wird, hat bereits viel für die Motivation seines Teams erreicht.

PRAXISHINWEIS | Stellen Sie als Oberarzt fest, dass ein Teammitglied nicht die erwartete Leistung zeigt, so schauen Sie am besten nicht lange zu oder beschweren sich gar bei Oberarzt-Kollegen oder beim Chefarzt! Sprechen Sie stattdessen direkt mit dem Mitarbeiter und erforschen gemeinsam mit ihm, welche Ursachen für seine fehlende Motivation verantwortlich sein könnten.

 

Dem wirksam führenden Oberarzt geht es darum, zu verstehen, welche Faktoren dazu beigetragen haben, dass der Mitarbeiter unzufrieden ist – und zu fragen, wie diese zu beseitigen sind. Ein solches Gespräch hat das Ziel, die weitere Demotivation des Mitarbeiters zu verhindern.

Nicht nur „High Potentials“ motivieren

Dabei geht es nicht nur um die Motivation der „High Potentials“, sondern gerade auch um die Motivation der „B-Player“ – also Mitarbeiter, die ihre Arbeit verlässlich und gut erledigen, aber keine besonderen Karriere-ambitionen haben. Denn sie sind es, die im Wesentlichen den Klinikbetrieb aufrechterhalten und deren Motivation nicht verspielt werden darf.

Ein Lob für alle Fälle?

Mit Blick auf die Mitarbeitermotivation wird häufig erwähnt, man solle loben. Obgleich das Lob ein wichtiges Instrument ist, um jemanden wertzuschätzen und anzuerkennen, hat es nur dann den gewünschten Effekt, wenn es ehrlich und präzise ist. Wird wahllos gelobt, d. h. bei geringfügigen Anlässen oder überschwänglich, wirkt es wie Lobhudelei – und damit demotivierend. In einer gesprächsorientierten Klinikkultur ist Lob stattdessen Teil einer funktionierenden Arbeitsweise, die auf vielen informellen Gesprächen beruht – dazu gehört auch ein spontanes „Danke“ in der passenden Situation.

Was tun, wenn keiner mitmacht?

Gerade in Veränderungsphasen beklagen viele Führungskräfte die fehlende Motivation ihrer Mitarbeiter. Ablehnung und Widerstand gegen veränderte Abläufe sind zwar normal, aber dennoch Teil des Problems. Bei genauerer Betrachtung liegen nur selten gravierende Gründe für den Widerstand vor, denn in den meisten Fällen werden weder Mitarbeiter entlassen oder entmachtet, noch wird deren Gehalt gekürzt. Eine weitaus größere Rolle spielen Widerstände, die nicht auf offenkundigen Nachteilen basieren, sondern deren Ursachen viel mehr im psychologischen Bereich zu suchen sind:

  • Ablehnung des Unbekannten – Menschen neigen dazu, ihre Umwelt nach Unterschieden einzuteilen. Auch wenn mehr als 90 Prozent Gemeinsamkeiten vorliegen, sind es die 10 Prozent mit unterschiedlichen Merkmalen, die Angst machen.

  • Missverständnisse in der Kommunikation – Probleme bei der Kommunikation von Veränderungen rufen sehr leicht Widerstände hervor. Der Grund: Kommunikation ist grundsätzlich sehr störanfällig. Es kann eine große Diskrepanz entstehen zwischen dem, was der Sender einer Nachricht mitteilen will, und dem, was der Empfänger der Nachricht versteht. Schließlich muss das Gesagte nicht das sein, was der Gesprächspartner verstanden hat – und schon gar nicht das, was eigentlich gemeint war.

Für Oberärzte ist es wichtig, dass sie verstehen, was sich hinter der vermeintlich fehlenden Motivation in der Regel verbirgt: nämlich Angst vor Neuem und Unbekanntem sowie ein Schutzmechanismus vor drohender Überforderung. Ist diese Ursache erst einmal erkannt, fällt es leichter, adäquat auf den Widerstand zu reagieren, wie das folgende Beispiel zeigt:

  • Beispielfall: Einführung eines Triage-Systems

Der leitende Oberarzt einer Notaufnahme will in den nächsten Monaten ein Triage-System einführen. Doch die Pflegekräfte, die dafür qualifiziert und eingesetzt werden sollen, lehnen die Veränderungen ab. Die inhaltliche Botschaft des Oberarztes, dass die Einführung der Triage die Wartezeiten verkürzt und somit Spannungen im Wartebereich abbaut, wird überhört, weil der Appell an die Mitarbeiter, nun triagieren zu müssen und damit Verantwortung zu übernehmen, Angst auslöst. Als Grund für ihre Ablehnung liefern sie ein ganz einfaches Argument: „Das haben wir vor fünf Jahren doch schon einmal vergeblich versucht.“

 

Do not: Viele Führungskräfte reagieren verärgert auf vehemente Ablehnung und verleihen ihrem Unmut mit Sätzen wie diesem Ausdruck: „Genau diese Verweigerungshaltung habe ich von Ihnen erwartet!“ Doch damit machen sie nicht nur deutlich, dass sie die Ängste ihrer Mitarbeiter nicht ernst nehmen, sondern auch, wie wenig Wertschätzung sie ihnen entgegenbringen. Ohne es zu wollen, motivieren sie so die Pflegekräfte zu noch mehr Widerstand.

Best Practice: Eine konstruktive Reaktion könnte zum Beispiel sein: „Das ist ja interessant. Wie ist das denn damals gelaufen? Was hat aus Ihrer Sicht dazu geführt, dass die Triage nicht funktioniert hat? Was können wir aus dieser Erfahrung lernen?“ Mit diesen Sätzen fühlen sich die Mitarbeiter respektiert. Ihre Erfahrungen sind gefragt und sie können diese aktiv einbringen. Die Motivation wird so auf einen partizipativen Kurs gebracht.

FAZIT | Generell gilt für die Motivation von Mitarbeitern: Ihre positiven Erwartungen als Führungskraft haben einen positiven Einfluss auf die Leistungen Ihrer Mitarbeiter. Mit vertrauensvoller Führung gelingt es, die Motivation der Mitarbeiter zu erhalten und zu lenken sowie innere Kündigungen zu verhindern.