Zwischen Baum und Borke: Wenn der Oberarzt für die Personaleinteilung verantwortlich ist
Sie sind als Oberarzt für die Personaleinteilung mitverantwortlich? Dann befinden Sie sich zwischen Baum und Borke. Ihr Chef will, dass die Abteilung läuft. Die Klinikverwaltung hält die Personaldecke dünn, denn Personal ist teuer. Die Assistenzärzte erwarten, nicht verheizt zu werden und ihre Facharztausbildung zügig abschließen zu können. Für die Patienten muss stets Facharztstandard gewährleistet werden. Und schließlich müssen Sie darauf achten, gesetzliche Auflagen wie etwa beim Arbeitsschutz oder beim Mutterschutz einzuhalten. Wie also gelingt die Quadratur des Kreises?
Die Herausforderungen bei der Personaleinteilung
Bei der Personaleinteilung können verschiedene Ebenen unterschieden werden: So gibt es einen Urlaubsplan, einen oder mehrere Monatsdienstpläne für Schicht- und Bereitschaftsdienste sowie – in großen Abteilungen – Verteilungspläne für die Woche und die einzelnen Tage. Doch nicht nur der einteilende Oberarzt ist gefragt: Zu konsultieren ist auch der Chefarzt als Führungsverantwortlicher sowie die Assistenzärzte mit ihren Dienstwünschen.
Risikoreiche Personalkonstellationen vermeiden
Oft werden Dienst- und Urlaubspläne auch von Mitarbeitern der Abteilung ausgearbeitet. Jedoch müssen sowohl Chef- als auch leitender Oberarzt darauf achten, dass keine risikoreichen Personalkonstellationen oder -engpässe entstehen. Ein Beispiel: Mehrere unerfahrene Ärzte oder Ärzte ohne Facharzt werden auf Station oder im OP gleichzeitig zum Dienst eingeteilt.
Facharztstandard muss sichergestellt werden
Wer als Oberarzt einen eigenen Klinikbereich verantwortet, bekommt seine ärztlichen Mitarbeiter für die Woche oder den Tag meistens vom leitenden Oberarzt zugeteilt. Allerdings muss er die tägliche „Feineinteilung“ je nach den aktuellen Erfordernissen vornehmen: So muss die ständige fachliche Aufsicht sichergestellt und der Facharztstandard gewährleistet werden.
Jüngere und unerfahrenere Ärzte müssen naturgemäß intensiver unterstützt und häufiger kontrolliert werden als erfahrene Kräfte. Wenn dann noch die Klinikverwaltung aus Kostengründen bestrebt ist, die Facharztdichte einer Abteilung zu senken, indem vermehrt Anfänger eingestellt werden, steht der für die Personaleinteilung zuständige Oberarzt vor einem (weiteren) Problem.
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Personaleinteilung bedeutet Mangelverwaltung
Auch im ärztlichen Bereich bedeutet Personaleinteilung in der Regel Mangelverwaltung. Der Personalschlüssel ist oft von Haus aus so, dass grundsätzlich Personalmangel herrscht – das gilt bereits für den „Normalbetrieb“. In der Urlaubszeit, bei zusätzlichem Arbeitsanfall oder bei Ausfällen durch Krankheit muss die Personaldecke reißen. Diese Löcher werden meist dadurch gestopft, dass man anderswo neue Löcher aufreißt. Typisch dabei ist: Wenn mal nicht Not am Mann ist, haben alle das Gefühl, es sei „nichts los“. Dabei ist der Notstand in vielen Krankenhäusern längst der Normalzustand.
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Oberarzt sollte Chefarzt auf fehlendes Personal hinweisen
Eine Klinik, die sich mit dem Titel eines „akademischen Lehrkrankenhauses“ schmückt, braucht bessere Personalschlüssel als eine Fachklinik, an denen nur geübte Spezialisten arbeiten. Die Personaldiskussionen mit der Verwaltung führen meist die Chefärzte. Als Oberarzt muss man seinen Chef darin unterstützen, indem man klar darauf hinweist, wenn die Mitarbeiterstärke hinten und vorne nicht reicht.
Gute Medizin benötigt auch Zeit für Austausch
Vergessen Sie als Personaleinteiler nicht: Gute Medizin braucht Zeit und lebt vom Austausch zwischen den Ärzten untereinander und mit dem Pflege- und Assistenzpersonal. Zeit für Gespräche und gelegentliche Doppelbesetzungen dienen der Ausbildung und sind nicht etwa Anzeichen für Ineffizienz, sondern dringend notwendig, damit das Leistungsniveau erhalten werden kann. Das muss auch gegenüber der Verwaltung immer wieder vertreten werden.
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Arbeitszeit dokumentieren – Arbeitszeitgesetz beachten
Medizinische Abteilungen, die ihre Leistung und die dafür erforderliche Arbeitszeit sorgfältig dokumentieren, haben bessere Chancen, weiteren Stellenbedarf überzeugend geltend zu machen. Die Oberärzte müssen dabei ihre Chefs in kluger Personalpolitik unterstützen und darauf achten, dass jede erbrachte Arbeitsleistung auch dokumentiert wird.
Leider wird das Arbeitszeitgesetz immer noch an vielen Stellen unterlaufen bzw. missachtet. In vielen Krankenhäusern ist es beispielsweise weiterhin üblich, dass Ärzte morgens nach dem Bereitschaftsdienst nicht nach Hause gehen, sondern weiter „ihre“ Station versorgen oder im OP aushelfen. Meistens führt dies nicht einmal zu Konsequenzen. Es wird nur vereinzelt von Fällen berichtet, wonach Ordnungsgelder wegen systematischer Überschreitung der Arbeitszeit bzw. nicht genommener Pausen verhängt wurden.
Folgen einer übermäßigen Arbeitsbelastung
Die Folgen einer übermäßigen Arbeitsbelastung der Klinikärzte tragen nicht nur diese selbst – etwa durch gesundheitliche Beeinträchtigungen -, sondern auch die Krankenhausabteilungen, die so etwas zulassen: Nicht dokumentierte Arbeit führt unweigerlich dazu, dass die Zahl der Stellen kleiner als erforderlich bleibt. Wenn Assistenzärzte auch „nach Feierabend“ an den Arbeitsplatz zurückkehren, um weiter zu arbeiten, betrügen sie nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Abteilung. Außerdem entstehen juristische Probleme – etwa Haftungsfragen.
Nicht genommene Pausen als Alarmsignal
Auch nicht genommene Pausen während der Arbeit in der Klinik sind ein Alarmsignal. Einige medizinische Abteilungen gehen weitgehend vollzählig gemeinsam zum Mittagessen in die Kantine, in anderen gibt es hingegen fast nie Pausenablösungen – z. B. in manchen OPs. Bei letzteren läuft etwas falsch: Mitarbeiter haben ein Recht auf Pausen! Das ist gesetzlich geregelt. Nicht zuletzt handelt es sich um ihre Freizeit, die nicht bezahlt wird.
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Abwärtsspirale droht
Wenn es „irgendwie“ schon geht, weil alle immer länger arbeiten und ihre Arbeitszeit nicht aufschreiben, schließen einige Klinikverwaltungen daraus, dass die Stellenzahl schon ausreicht und keine Aufstockung des Personals erforderlich ist. Wer jedoch als personalverantwortlicher Oberarzt immer mit dem zufrieden ist, was ihm zugeteilt wird, muss sich nicht wundern, wenn es immer weniger wird. Wenn dann trotzdem „die Zahlen nicht stimmen“, droht weiterer Personalabbau – und eine Abwärtsspirale setzt sich in Gang.
Betriebsrat einbeziehen
Hilfreich kann übrigens eine gute Zusammenarbeit mit der Mitarbeitervertretung, d. h. mit dem Personal- bzw. Betriebsrat sein. Dieser kennt die gesetzlichen und tarifrechtlichen Anforderungen und Grenzen meist am besten und kann Dienst- und Urlaubspläne verschärft kontrollieren und auch ablehnen – das hilft, Personalmangel aufzudecken und abzustellen. In Härtefällen können Einigungsstellen und Arbeitsgerichte eingeschaltet werden.
Umgang mit bestehendem Personalmangel
Bei Personalausfällen – etwa durch Krankheit – ist es oft besser, das Leistungsangebot der Abteilung akut herunterzufahren und dadurch den Personalmangel auch nach außen sichtbar zu machen, anstatt Mitarbeiter kurzfristig aus dem Urlaub zu holen, um die Situation irgendwie zu bewältigen. An freien Tagen kurzfristig zur Arbeit beordert zu werden, kommt äußerst schlecht an und beeinträchtigt das zwischenmenschliche Klima erheblich. Besonders ärgerlich ist es, wenn sich dann herausstellt, dass die Probleme durch Organisationsmängel hausgemacht waren. Noch belastender sind z. B. Urlaubssperren; hierauf wird aber zum Glück nur selten zurückgegriffen.
Arbeitsverdichtung steigert nur scheinbar die Effizienz
In den letzten Jahren ist die Arbeitsverdichtung in den Kliniken extrem geworden. Ärzte empfinden häufig den Druck, in der knappen Zeit noch mehr zu schaffen. Ein gewisser Grad an Redundanz und auch gelegentlicher Leerlauf ist jedoch nicht nur unvermeidlich, sondern sogar wünschenswert, selbst wenn dies – oberflächlich gesehen – der unablässig geforderten Effizienzsteigerung scheinbar entgegensteht.
Es ist nicht zuletzt für das Betriebsklima wichtig, dass Ärzte auch einmal kurzfristig frei bekommen. Ist es nie möglich, eine qualifizierte Doppelbesetzung einzurichten, ist keine gute fachärztliche Weiterbildung möglich. Beschwerden von Assistenzärzten über eine mangelhafte Ausbildung sind die Folge. Ohne gelegentlichen Leerlauf leiden soziale Kontakte, der Erfahrungsaustausch bei der Arbeit und damit wiederum das Betriebsklima.
In vielen Kliniken war früher das gemeinsame „Stationsfrühstück“ mit dem Pflegepersonal eine wichtige Informationsquelle. Man tat deshalb auch als Oberarzt gut daran, sich regelmäßig dazuzusetzen. Falls Sie als Oberarzt die Möglichkeit dazu haben und es die Personalsituation irgendwie erlaubt: Richten Sie ein solches gemeinsames Ritual (wieder) ein!
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