Recht

Chefarzt „torpediert“ Klinikfusion: Fristlose Kündigung unwirksam

Ein Chefarzt, der in einem von zwei Kreiskrankenhäusern für die medizinische Versorgung verantwortlich ist, und der die unternehmensrechtliche Entscheidung „torpediert“, diese zwei Kreiskrankenhäuser zu verschmelzen, verletzt hierdurch nicht seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Er verstößt auch nicht gegen seine Loyalitätspflichten. Eine fristlose Kündigung ist deshalb nicht wirksam, entschied das Arbeitsgericht Gera.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung, die hilfsweise ordentlich ausgesprochen worden ist. Der Chefarzt der Geriatrie war bei einer Klinik bzw. deren Rechtsvorgängern seit 1987 beschäftigt. Er war als Chefarzt verantwortlich für die medizinische Versorgung im Krankenhaus einschließlich der Erweiterungen der Klinik als Rehabilitationsklinik. Ihm oblag in kooperativer Zusammenarbeit mit dem Geschäftsführer und der Pflegedienstleistung die medizinische Führung und fachliche Leitung der Klinik-GmbH.

Der Landkreis Gera ist der einzige Gesellschafter der beiden fusionierten Kliniken. Zwischen den Parteien fanden am 26. und 29.08.2022 Gespräche statt. Der Landkreis bot dem Kläger den Abschluss eines Aufhebungsvertrages an. Eine Einigung der Parteien kam nicht zustande. Daraufhin wurde das bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich zum 31.08.2022, hilfsweise unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 31.03.2023 gekündigt: Der Chefarzt habe sich aktiv bemüht, den Verschmelzungsprozess der Kliniken zu verhindern und zu torpedieren. Seine Handlungen seien Ausdruck fehlender Loyalität gegenüber seiner Arbeitgeberin. Er habe an Demonstrationen der Belegschaft gegen die Fusion der Kreiskrankenhäuser teilgenommen. Damit sei er seiner Führungsverantwortung nicht gerecht geworden. Es sei ein Imageschaden in der Öffentlichkeit zu verzeichnen. Zusätzlich wurden weitere vorgebliche Verstöße gegen das wirtschaftliche Handeln etc. angehängt.

Das Arbeitsgericht Gera wies die fristlpse, außerordentliche Kündigung zurück. Es ergebe sich nicht, dass der Chefarzt seine arbeitsvertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten schuldhaft derart gravierend verletzt hat, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet ist. Bei seiner Entscheidungsfindung hatte das Gericht als zutreffend unterstellt, dass der Kläger den Verschmelzungsprozess der beiden Kreiskrankenhäuser torpediert hat. Es zählt jedoch nicht zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des Chefarztes, derartige unternehmensrechtliche Entscheidungen zu unterstützen. Auch ein Verstoß gegen seine Loyalitätspflichten ist nach Auffassung des Gerichts weit hergeholt.

Darüber hinaus lagen alle vom Arbeitgeber vorgetragenen Vorgänge außerhalb der Kündigungserklärungsfrist von zwei Wochen. Der einzige Sachverhalt der innerhalb der Kündigungserklärungsfrist liegt, ist das zwischen den Parteien geführte Personalgespräch. Dass der Kläger das Angebot eines Aufhebungsvertrages abgelehnt hat, kann eine verhaltensbedingte Kündigung nicht rechtfertigen, insbesondere keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung bilden. Die hilfsweise ordentliche verhaltensbedingte Kündigung ist ebenfalls rechtsunwirksam.

Arbeitsgericht Gera, 20.12.2023 – 4 Ca 495/23 (nicht rechtskräftig)

https://landesrecht.thueringen.de/perma?d=NJRE001565272