Recht

Elf Stunden statt fünf Stunden operiert: Patient erhält 50.000 Euro Schmerzensgeld

von Dr. Rainer Hellweg, Fachanwalt für Medizinrecht, armedis Rechtsanwälte, Hannover, www.armedis.de

Wegen einer überlangen OP-Dauer von elf Stunden bei einer Wirbelsäulenversteifung sprach das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/M. einem Patienten ein Schmerzensgeld von 50.000 Euro zu ( Urteil vom 03.05.2016, Az. 8 U 224/12, Abruf-Nr. 188952 ). Abgesehen von der langen Dauer wurde die Operation fachgerecht durchgeführt. Weder Zeugen noch das OP-Protokoll konnte erklären, warum die regulär etwa fünfstündige Operation so lange dauerte. Der beleibte Patient erlitt wegen der langen Lagerung eine Nervenläsion und muss daher dauerhaft Opiate einnehmen. 

 Operation dauerte von 9.20 Uhr bis 21.15 Uhr

Der Chefarzt der Klinik für Neurochirurgie hatte den Eingriff vorgenommen. Die Operation erfolgte in Bauchlage. Sie begann um 9.20 Uhr und endete um 21.15 Uhr. Postoperativ zeigte sich eine Quadrizepsparese sowie eine Hüftbeugerparese beidseits. Die Diagnostik sprach für eine ausgeprägte, aber inkomplette Läsion des Nervus femoralis sowie für eine diskrete zusätzliche Wurzelläsion L4/5. Der Operateur führte die Nervschädigung auf den lang anhaltenden Druck der mehrstündigen Lagerung zurück.

Vorwurf des Patienten: Keine stichhaltigen Gründe für Dauer

Der klagende Patient erhob den Vorwurf eines Behandlungsfehlers: Sein kräftiger Körperbau und die Adipositas könnten kein Grund für die überlange Operations-Dauer sein, da seine körperliche Konstitution den Ärzten vor dem Eingriff bekannt gewesen sei. Andere Gründe für die extrem lange Dauer seien nicht gegeben und auch aus dem OP-Protokoll nicht ersichtlich.

Gericht: Operationsdauer liegt außerhalb des Zulässigen

Das OLG Frankfurt gab dem Patienten Recht. Zwar sei weder die Durchführung des Eingriffs noch die operative Vorgehensweise als Behandlungsfehler zu werten. Zudem sei der Patient ordnungsgemäß „nach Mason“ gelagert worden. Allerdings liege die Operationsdauer mit elf Stunden außerhalb des Zulässigen. Dies befand auch der Gutachter: Im vorliegenden Fall sei eine Versteifung in zwei Segmenten vorgesehen gewesen, daher habe man mit einer OP-Dauer von sechs Stunden rechnen können – elf Stunden hingegen seien nicht erklärbar. Das Gericht wertete daher allein die überlange Dauer als Behandlungsfehler, die eine Haftung begründet.

PRAXISHINWEIS | Bemerkenswert ist, dass das OLG Frankfurt allein aus der überlangen Operationsdauer auf einen Behandlungsfehler geschlossen hat. Falls Sie als Oberarzt einmal eine entsprechend lange Operation durchführen, sollten Sie im OP-Bericht detailliert beschreiben, welche Gründe zu der Verzögerung geführt haben. Nur so können Sie bei einem Haftungsprozess dem Vorwurf des Patienten wirksam entgegentreten, dass ein Behandlungsfehler vorliege.