Recht

Finger weg: Verändern der ärztlichen Dokumentation ist strafbar

Ärztinnen und Ärzte müssen alles mögliche dokumentieren – so verlangt es das Gesetz. Doch manche Ärzte vergessen, dass eine Patientenakte eine Urkunde im Sinne des Strafgesetzbuchs darstellt. Wer diese fälscht oder unbefugt ändert, kann sich der Urkundenfälschung (§ 267 Strafgesetzbuch, StGB) oder der Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB) strafbar machen.

von Dr. Lars Blady, Kanzlei Dr. Blady – Medizinrecht für Hamburg

Patient hat Anspruch auf seine Patientenakte

Noch immer sind manche Ärzte der Meinung, die Patientenakte ginge den Patienten eigentlich nichts an. Entsprechend wird auch reagiert, wenn dieser die Herausgabe verlangt: „Bearbeitungszeiten“ von mehreren Monaten sind dabei an der Tagesordnung. Schnell wird zudem vermutet, der Patient wolle den Arzt verklagen. Doch der zögernde Arzt verkennt die Rechtslage: Denn in § 630g Abs. 1 BGB heißt es: Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren (…)“ Unverzüglich heißt dabei „ohne schuldhaftes Zögern“. Dies bedeutet, dass die Anfrage des Patienten sofort bearbeitet werden muss und keine Verzögerung duldet – schon gar nicht mehrere Monate.

Manipulationen werden seltener

Vor Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes 2013 hatten Patienten, die eine Klinik oder einen Arzt haftbar machen wollten, schlechte Karten: Denn mitunter wurden Patientenakten vor der Herausgabe an den Patienten geschönt, um im Falle einer Haftungsklage die Chancen zu verbessern. Dies ist nunmehr kaum noch möglich. Der Grund: Sobald zum Beispiel die elektronische Akte geändert wird, muss die verwendete Software sicherstellen, dass der ursprüngliche Inhalt erkennbar bleibt (§ 630f Abs. 1 Satz 2 und 3). Wörtlich heißt es in § 630f Abs. 1 BGB: Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen.“

Veraltete Software aussortieren

Wer jetzt glaubt, besser eine veraltete Software zu verwenden, die eine nachträgliche Änderung nicht kenntlich macht, ist allerdings auf dem Holzweg: Zum einen verstößt er gegen die Regelung in § 630f Abs.1 BGB, wonach der ursprüngliche Inhalt erkennbar bleiben muss. Zum anderen hat der Bundesgerichtshof kürzlich entschieden: Wird eine ärzt­li­che Be­hand­lung mit einer Soft­ware do­ku­men­tiert, die nach­träg­li­che Än­de­run­gen nicht kennt­lich macht, stellt diese Auf­zeich­nung kein Indiz für den Ab­lauf der Be­hand­lung dar. Mit anderen Worten: Die Dokumentation ist im gerichtlichen Prozess nicht mehr viel wert für den Arzt, da eine nachträgliche Änderung eben nicht ausgeschlossen werden kann.

BGH entschied: Veraltete Software hat keinen Beweiswert

Der Bun­des­ge­richts­hof hat ent­schie­den, dass sie le­dig­lich noch einen As­pekt der Be­weis­wür­di­gung dar­stellt, weil in­zwi­schen vor­ge­schrie­ben ist, dass jede Er­gän­zung oder Än­de­rung in der Pa­ti­en­ten­ak­te er­kenn­bar sein muss (BGH-Beschluss vom 27. Mai 2021, Az. III ZR 329/20). Dem Fall zu Grunde lag eine Netzhautablösung, die von einer Augenärztin nicht entdeckt wurde. Strittig war, ob die Augen des Patienten für die Untersuchung erweitert wurden oder nicht. Die Ärztin hatte dies zwar in der Patientenakte vermerkt; allerdings nutzte sie hierfür eine Software, die nachträgliche Änderungen nicht kenntlich macht. Die Richter argumentierten, dass seit der Ein­füh­rung des Pa­ti­en­ten­rech­te­ge­set­zes Ärz­te ver­pflich­tet seien, ihre Be­hand­lung so zu do­ku­men­tie­ren, dass nach­träg­li­che Än­de­run­gen er­kenn­bar seien. Ver­sto­ße die Ärz­tin gegen diese Regel, könne sie nicht die po­si­ti­ve In­di­z­wir­kung für die Rich­tig­keit und Voll­stän­dig­keit ihrer Do­ku­men­ta­ti­on für sich beanspruchen.

Geschönte Arztberichte sind ebenfalls strafbar

Auch eine weitere, manchmal zu beobachtende Unart ist strafrechtlich relevant: Wenn nämlich nicht nachträglich, sondern aktuell unwahr dokumentiert wird – etwa eine mehrfache nächtliche Überwachung des Patienten dokumentiert wurde, obwohl diese gar nicht erfolgt war. In solch einem Fall begibt sich der Arzt ebenfalls in den strafrechtlich relevanten Bereich von § 267 StGB (Urkundenfälschung).

Sie sollten unverzüglich und wahrheitsgemäß dokumentieren. Dies ist nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung, deren Verstoß strafrechtliche Folgen haben kann. Es ist vielmehr auch ein moralisches Gebot, um geschädigten Patienten ihr Recht nicht vorzuenthalten.