Patientengespräche – wie Sie den richtigen Ton treffen

von Diplom-Pädagoge Werner Fleischer, Beratung – Coaching – Moderation, www.ihrcoach.com

Für Oberärzte ist die Kommunikation mit ihren Patienten eine enorme Herausforderung. Jeden Tag aufs Neue müssen sie sich auf die unterschiedlichsten Menschen und deren intellektuelle Niveaus einstellen, sie haben es mit Demenzkranken und sprachlichen Barrieren zu tun, müssen schwerwiegende medizinische Diagnosen verkünden und mit unfreundlichen Patienten klarkommen. Zudem führt der demografische Wandel zu einem Zuwachs hochbetagter und mehrfach erkrankter Menschen. 

Patienten sind selbstbewusster

Gleichzeitig verändert sich das Verhalten vieler Patienten gegenüber ihren behandelnden Ärzten. Sie sind zunehmend informierter und selbstbewusster. Sie recherchieren intensiv in Online-Medien und kommen dabei mitunter zu groben Fehleinschätzungen, die im Gespräch mit dem Arzt thematisiert werden müssen. Die Patientenstruktur ist ebenso verschiedenartig wie die Mitglieder unserer Gesellschaft. Doch jeder Patient möchte mit seinen Bedürfnissen ernst genommen werden. Nicht immer eine leichte Aufgabe. Was können Sie als Oberarzt tun, um die Kommunikation mit den Patienten zu verbessern? Worauf gilt es, bei sich und bei den Assistenzärzten zu achten?

infühlungsvermögen ist der Grundpfeiler gelingender Kommunikation mit den Patienten. Das ist leichter gesagt als getan, denn insbesondere in hektischen Situationen ist es nicht immer einfach, sich in die Sichtweise anderer Menschen hineinzudenken. Zudem bedürfen einige Gesprächssituationen auch einer deutlichen Abgrenzung. Grundsätzlich hilft es jedoch, wenn Sie sich sowie Ihren Assistenten ab und an vor Augen führen, dass Patienten

  • meist nicht mit den Abläufen auf der Station vertraut sind,
  • den Klinikaufenthalt als sehr belastend empfinden,
  • die geplanten Maßnahmen anders wahrnehmen als Klinikmitarbeiter,
  • eine andere Einstellung zu den Behandlungsabläufen haben als Ärzte oder Pflegekräfte,
  • sich manchmal den angeordneten Maßnahmen hilflos ausgeliefert fühlen.

Wirkung des eigenen Verhaltens bedenken

Gleichzeitig ist wichtig, sich die Wirkung bewusst zu machen, die Ihr eigenes Verhalten auf die Patienten hat. Wirken Sie souverän und der Situation angemessen, gewinnt Ihr Gegenüber wesentlich schneller Vertrauen und Sicherheit. Häufig ist man sich im Alltag seiner Außenwirkung nur wenig bewusst. Wer sich hin und wieder selbst reflektiert und sein Kommunikationsverhalten hinterfragt, trägt wesentlich zur Verbesserung der Patientenkommunikation bei. Zudem unterstützt eine gut funktionierende Feedback-Kultur dabei, die eigene Außenwirkung besser einzuschätzen. Als Oberarzt sollten Sie auch die Wirkung Ihres Verhaltens auf junge Assistenzärzte Ihres Teams nicht vernachlässigen. Denn Ihr Umgang mit den Patienten ist für sie richtungsweisend. Bemerken Sie bei einem Ihrer Assistenzärzte Verbesserungsbedarf in der Kommunikation mit den Patienten, sollten Sie nicht zögern, wertschätzendes Feedback zu geben und aufzuzeigen, was konkret optimiert werden kann.

Aufgrund der unterschiedlichen Herausforderungen und der Vielfalt der Patienten kann es kein Patentrezept für ein Standard-Patientengespräch geben. Dennoch sind die folgenden Gesichtspunkte eine wichtige Grundlage für den täglichen Patientenkontakt:

  • Patienten mit ihrem Namen ansprechen
  • Blickkontakt herstellen
  • Aktiv und gut zuhören
  • Patienten ausreden lassen
  • Freundlich sein
  • Auf den äußeren Rahmen achten (Diskretion)
  • Loyalität zeigen
  • Nichts versprechen, was nicht gehalten werden kann

Patientenbeschwerden ernst nehmen

Im Klinikalltag ist der Umgang mit Patientenbeschwerden nicht immer einfach. Sie leichtfertig abzutun, mag vielleicht verführerisch sein. Jedoch sind Sätze wie „Jetzt regen Sie sich mal nicht so auf, so schlimm war das doch nicht“ definitiv keine Lösung. Oftmals stecken einfache Missverständnisse oder Unwissenheit hinter einer Beschwerde.

Deeskalation ist wichtig

Auch wenn‘s schwerfällt: Wenn Patienten sich beklagen, gilt es zu deeskalieren und sich neben den o. g. Punkten an folgenden Aspekten zu orientieren:

  • Verständnis zeigen: „Berichten Sie erst mal ganz in Ruhe, was Sie ärgert?“
  • Mit W-Fragen sich dem Anlass der Beschwerde nähern: „Was ist genau passiert?“, „Wie ist es passiert?“, „Wann war das?“, „Wer war beteiligt?“
  • Einwände des Patienten in Fragen umwandeln. Ein Einwand ist kein Widerstand, sondern eine Verständigungshilfe: „Habe ich es richtig verstanden, dass Sie sich ärgern, weil die Wartezeit vor dem MRT zu lang für Sie war?“
  • Ursachen erklären und Lösungen anbieten: „Es kann sein, dass heute schnell ein Notfallpatient untersucht werden musste und Ihre Wartezeit deshalb länger war. Vor Ihrer nächsten Untersuchung in der Radiologie rufen wir dort an und fragen, wann Sie dran sind.“
  • Übereinstimmung herstellen.
  • „Sind Sie mit dieser Lösung einverstanden?“

Herausforderung schwierige Patientengespräche

Besonders belastend sind Situationen, in denen Sie Patienten oder Angehörige über eine schlechte medizinische Prognose oder das Ende der therapeutischen Möglichkeiten informieren müssen. Das ist keine einfache Aufgabe und ihre Bewältigung eher eine Frage der Haltung als der Gesprächstechnik.

Sich selbst abgrenzen

Zum einen müssen Sie mit der eigenen Betroffenheit umgehen und sich vom Geschehen ausreichend abgrenzen. Zum anderen erwarten Patienten und Angehörige, dass Ärzte und Pflegekräfte ihnen professionell und respektvoll gegenübertreten. Daher sollten die Worte sorgfältig gewählt und die Körpersprache eindeutig sein. Mimik und Gestik sollten zum Gesagten passen, damit die Aussage glaubhaft wirkt. Denn gerade belastete Menschen achten genau auf alle Signale ihres Gesprächspartners und reagieren sehr sensibel auf Zwischentöne. Ebenso genau werden unterschiedliche Botschaften von verschiedenen Gesprächspartnern wahrgenommen, analysiert und bewertet. Obwohl jedes „kritische“ Gespräch ein Einzelfall ist, können die folgenden Grundregeln die Vorbereitung hierauf unterstützen:

  • Vor dem entscheidenden Patienten- bzw. Angehörigen-Gespräch tauscht sich das Team über die medizinischen Perspektiven und Behandlungspläne aus und führt ggf. auch eine „ethische Fallbesprechung“ durch.

  • Damit alle verfügbaren Informationen einbezogen werden und um sicherzustellen, dass bei der Schichtübergabe keine Details übersehen wurden, tragen Sie als verantwortlicher Oberarzt aktiv alle Aspekte zusammen.

  • Im Team wird genau abgesprochen, was mitgeteilt wird und wer mit dem Patienten und den Angehörigen spricht.

  • Vor Beginn des Gesprächs ist es hilfreich, sich auf sein Gegenüber einzustellen: Wen habe ich vor mir? Welche Fakten kann ich kommunizieren? Welches medizinische Vorwissen ist vorhanden? Wie realistisch wird die Situation eingeschätzt? Mit welchen Reaktionen ist zu rechnen? – Entsprechend sollten die Worte gewählt und abgestimmt werden.

  • Die Körpersprache liefert viele zusätzliche Informationen. „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Dieses Zitat des Kommunikationspsychologen Paul Watzlawick macht deutlich, dass Mimik, Gestik und Körperhaltung einen wesentlichen Anteil an den Botschaften haben, die Sie vermitteln – auch dann, wenn Sie gerade schweigen.

  • Wertschätzung und Respekt gegenüber Patienten und Angehörigen drücken sich auch in den Rahmenbedingungen aus. Eine ungestörte Gesprächsatmosphäre gehört ebenso zwingend dazu wie Ärzte, die sich Zeit nehmen und empathisch auf ihre Patienten eingehen.

FAZIT | Das Vertrauen in Ärzte sowie Pflegekräfte entsteht – neben der Behandlungsqualität – durch so. „weiche“ Faktoren. Dabei spielt Kommunikation eine große Rolle. Patienten und Angehörige, die sich verstanden fühlen, erhalten eine wichtige Unterstützung im Umgang mit ihren Ängsten und Befürchtungen – eine Erfahrung, die auch auf das Vertrauen in die gesamte Klinik Einfluss hat und die „Compliance“ während der Behandlung sicherstellt.

Freundlichkeit, Respekt und Wertschätzung sind dabei Werte, die nicht nur postuliert, sondern gelebt und von allen Teammitgliedern eingefordert werden – zum Wohle der Patienten und der Mitarbeiter.