Gesundheitspolitik

Qualität in der Endoprothetik: Krankenhausstrukturreform, Zentrumsbildung, Mindestmengen – warum Patientinnen und Patienten profitieren

Es ist erwiesen dass Zentrumsbildung und Mindestmengen die Qualität verbessern. Das aktuelle Abrechnungssystem der Krankenhäuser/DRG-System kommt derzeit an seine Grenzen. Viele Krankenhäuser können hiermit nicht mehr kostendeckend arbeiten. Mehr und mehr melden Insolvenz an. Dies hat die Politik zur Kenntnis genommen und wird das marode DRG-System verändern.

von Prof. Dr. med. Karl-Dieter Heller – Ärztlicher Direktor des Herzogin Elisabeth Hospitals Braunschweig, Chefarzt der Orthopädischen Klinik

Diese Veränderungen sehen jedoch so aus, dass nicht mehr Geld in die Krankenhäuser kommt, was bitter nötig wäre, sondern dass die Verteilung anders vorgenommen wird. Es werden je nach Art der Operation 40 bis 60 Prozent der jetzigen Fallpauschale als Vorhaltekosten an das Haus gezahlt und der Rest wird über eine abgespeckte (residuale) DRG bezahlt. Dies heißt aber letztendlich, dass bei gleichbleibender Krankenhausmenge nicht mehr Geld ins System kommt. Um die Krankenhäuser adäquat bezahlen zu können, ist somit eine Klinikreform, sprich eine Reduktion der Anbieter notwendig, um bei gleicher Geldmenge die großen und spezialisierten Kliniken gegebenenfalls besser entlohnen zu können.

Die von der Regierungskommission vorgeschlagene Klinikstrukturreform berücksichtigt auch die Endoprothetik und die Wechselendoprothetik, hierfür wurden eigene Leistungsgruppen konzipiert. Es ist intendiert, diese Leistungen auf Kliniken mit hohen Fallzahlen zu konzentrieren, was bei derzeit über 1100 Anbietern im Bereich der Endoprothetik sehr sinnvoll ist. Eine Vielzahl dieser Kliniken hat Fallzahlen von unter 100 Prothesen im Jahr. Die derzeitigen Versuche der Politik, und dies ist in Nordrhein-Westfalen sehr schön zu sehen, führen aber nicht so weit.

In den derzeit geforderten Leistungsgruppen für Endoprothetik des Hüft- und Kniegelenkes sowie für die Revisionsendoprothetik des Hüft- und Kniegelenkes sind als Mindestvoraussetzungen nur eine Facharztmenge, sprich, es sollen drei Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie in der Klinik vorhanden sein, definiert – es finden sich weder Prozess- noch Strukturqualitäten noch Mindestmengen. Das heißt, von einem großen Wurf ist hier derzeit nicht auszugehen.

Eine Konzentration auf spezialisierte Kliniken mit adäquaten Mindestmengen ist unverzichtbar, um einerseits eine korrekte Indikation und andererseits aber auch eine korrekte Durchführung der Operation zu garantieren. Eine sehr gute Orientierung wäre EndoCert. Deswegen sind über die Mindestmenge, die für den normalen Einbau einer Knietotalendoprothese gefordert sind, hinaus auch Mindestmengen für die elektive Hüfte, den elektiven Hüftwechsel, die Teilprothese am Knie und die Revision des Kniegelenkes zu fordern.

Gerade diese komplexeren Eingriffe bedürfen größerer Erfahrung. Bei der Definition dieser Mindestmengen ist die Fachkompetenz der Fachgesellschaft zwingend einzubeziehen. Zu berücksichtigen ist hierbei unbedingt, dass das Fordern von Mindestmengen zu einer Umverteilung der Patienten führt. Diese Umverteilung kann bei meist ausgelasteten Kliniken nur erfolgen, wenn die Ressourcen der bedachten Kliniken hier erhöht werden, sprich, es bedarf Betten- und OP-Kapazität, um mehr Leistung erbringen zu können.

Warum sind Mindestmengen notwendig?

Die Mindestmenge bedingt eine Qualitätssteigerung, es wird durch einen besonders erfahrenen Arzt oder in einer besonders erfahrenen Klinik behandelt. Die Mindestmenge basiert auf der Annahme, dass Quantität und Qualität voneinander abhängig sind. Somit dient die Mindestmenge als Instrument der Qualitätssicherung und letztendlich auch als Instrument der Überversorgung. Es kommt zu einer Zentralisierung von Leistungen zu Gunsten einer höheren Spezialisierung und zulasten einer breiteren Streuung.

Somit werden zukünftig bei konsequenter Umsetzung der Mindestmenge Leistungen nur noch in spezialisierten Kliniken durchgeführt, auch mit der Akzeptanz längerer Wegstrecken. Voraussetzung für die Implementierung einer Mindestmenge ist eine wissenschaftlich nachgewiesene Abhängigkeit zwischen Versorgungsmenge und Leistungsmenge, diese ist klar gegeben.

Das vorrangige Ziel ist eine bessere medizinische Versorgung der Patientensicherheit und eine höhere Qualität der Behandlung. Es gibt zahlreiche Studien und Register, somit auch das deutsche Endoprothesenregister (EPRD), die klar einen Zusammenhang zwischen Mindestmenge und Qualität belegen, so sei das Beispiel der Schlittenprothesen genannt, die im Jahresbericht des Endoprothesenregisters Deutschland eine klare Überlegenheit der Kliniken mit mehr als 100 Versorgungen insbesondere zu den Kliniken mit weniger als 30 Versorgungen belegen.

Die Ambulantisierung wird zu einer weiteren Unterfinanzierung führen

Parallel zur Krankenhausstrukturreform wird eine Ambulantisierung umgesetzt. Das heißt, dass etwa 25 Prozent aller Leistungen, die derzeit noch stationär erfolgen, im ambulanten Sektor durchgeführt werden sollen. Hierfür wird eine sogenannte Hybrid-DRG ausgelobt, die in der jetzt seitens der Regierung festgelegten Vergütung zu keinen gravierenden Änderungen führen wird, da auch diese Leistungen, wie allzu oft in Deutschland, unterfinanziert sind und damit nicht kostendeckend durchgeführt werden können.

Die Ambulantisierung wird, was die Insolvenzsituation der Kliniken angeht, zu einer weiteren Unterfinanzierung führen, die ein Kliniksterben noch anfeuern wird. Der Kellertreppeneffekt der üblichen DRGs setzt sich mitunter weiter fort und die Honorierung wird rückläufig. Die Krankenhausversorgung, die sich Mitglieder der Regierungskommission vorstellen, sieht bei derzeitig 1329 allgemeinen Plankrankenhäusern eine Reduktion auf 360 Versorgungskrankenhäuser und 50 Maximalversorger vor, dies dürfte die Versorgung der Patienten deutlich reduzieren, die Wartezeiten erhöhen und die Anreisewege weit über das Gewünschte vergrößern.

Es ist unbestritten, dass höhere Fallzahlen zu besseren Ergebnissen führen, dies sehen wir in allen nationalen und internationalen Registern, Mindestmengen sind definitiv sinnvoll und notwendig. Es ist unstreitig, dass andere europäische Länder einen deutlich höheren Grad an Spezialisierung und eine deutlich geringere Krankenhausdichte haben. Dieser Wechsel muss aber mit Bedacht vollzogen werden und kann nicht in kürzester Zeit umgesetzt werden, dies führt zu einem kalten Strukturwandel mit allen dadurch bedingten Nachteilen. Die Ambulantisierung wird derzeit definitiv umgesetzt, sie ist ein Konstrukt zur Überwindung von Sektorengrenzen und zum Abbau stationärer Überversorgung. Man kann derzeit als Krankenhaus nur mühevoll abschätzen, wohin es geht, aber es geht definitiv nicht aufwärts und man kann nicht ein Jahr im Voraus sinnvoll planen, weil die Regierung sich wieder irgendwelche Veränderungen und Sanktionen ausdenkt.

Die Geschwindigkeit der gravierenden Entscheidungen ist hoch. Die rein betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise muss ein Ende haben, wir brauchen eine sachliche Diskussion um Krankheitskosten aus gesellschaftspolitischer Perspektive und nicht immer nur Tiefpreise.

In Zeiten der Rationierung und Priorisierung muss eine Grundversorgung sichergestellt werden und auch die Politik muss den Mut haben, dies so zu artikulieren. Viele Kliniken sind weder organisatorisch noch wirtschaftlich ausreichend auf die Ambulantisierung vorbereitet und die ambulanten Versorgungsketten nicht auf alternde und hilfsbedürftige Patienten.

Die bisher strikte Trennung zwischen ambulanten und stationären Leistungen wird sich zu Gunsten abgestimmter Konzepte zunehmend auflösen müssen. Die Frage ist, ob jetzt aktuell der ambulante Sektor genügend hoch erfahrene Operateure aufbieten kann, die sich diesen hochkomplexen, aus dem stationären Bereich ausbrechenden Leistungen widmen können.

Derzeit ist die Zahl der Anbieter definitiv zu hoch, wir haben eine hohe Zahl an kleinen Kliniken, die nicht spezialisiert sind. Diese haben langfristig keine Daseinsberechtigung oder müssen in integrierte Zentren umfunktioniert werden. Die übrig bleibenden Kliniken müssen fehlende Fälle mit sicheren stationären Leistungen auffüllen. Dies birgt zunehmend eine Gefahr der Monokultur und höchster Preisabhängigkeit einzelner Leistungen.

Kliniken können ad hoc keine Mehrleistungen bringen, falls Mindestmengen angepasst werden, auch die Weiterbildung geht bei diesem Konstrukt verloren. Die Insolvenzen spielen sich jetzt ab und nicht in mehreren Jahren, wo die Klinikreform greifen soll, somit ist eine bessere Finanzierung jetzt zu fordern. Kleinere Kliniken müssen vom Netz gehen können, dafür muss man sie aber auch seitens der lokalen Politik vom Netz gehen lassen. Auch den großen und den Fachkliniken droht bei unveränderter Honorierung ebenso das Aus, basierend auf der Gefahr der Monokultur und als Opfer des InEK-Prinzips (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus). Dies birgt zunehmend eine Gefahr der Monokultur und höchster Preisabhängigkeit einzelner Leistungen, die in der Vergangenheit schon insbesondere bei Fachkliniken zu deutlichen Preisreduktionen geführt haben. Kliniken können ad hoc keine Mehrleistungen bringen, falls Mindestmengen angepasst werden, auch die Weiterbildung wird sich bei diesem Konstrukt verändern und muss sektorenübergreifend erfolgen.

[!] Zusammenfassend ist festzustellen: Eine Zentralisierung und eine Mindestmenge sind auch wissenschaftlich belegt definitiv ratsam. Die Ergebnisse in Häusern mit einer hohen Zahl an Versorgungen sind klar besser. Bei einer adäquaten Höhe der Mindestmenge hat diese definitiv einen Einfluss auf die Versorgungslage. Eine Klinikreform mit besserer Honorierung qualitativ hochwertiger Leistungen ist lange überfällig. Bei momentaner Honorierung ist eine hochwertige Versorgung in Gefahr.

Online-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik (AE)

anlässlich des 25. AE-Kongresses vom 8. bis 9.12.2023 in Leipzig Dienstag, 5. Dezember 2023.