Recht

Ein arbeitsunfähiger Mensch fehlt nicht unentschuldigt

Ein arbeitsunfähiger Mensch fehlt nicht unentschuldigt, egal ob er diese Arbeitsunfähigkeit anzeigt oder nachweist

Weiß ein Arbeitgeber zumindest im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung von der bestehenden und fortdauernden Arbeitsunfähigkeit seines Arbeitnehmers, liegt kein Verstoß mehr gegen die Anzeigepflicht nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz vor. Eine Kündigung ohne Abmahnung zuvor ist dann im Regelfall nicht möglich.

Eine Arbeitnehmerin war unmittelbar im Anschluss an den Urlaub für mehrere Wochen zur stationären Behandlung im Krankenhaus. Ob der Arbeitgeber durch ein Telefonat einer Freundin der Klägerin mit der Geschäftsführerin der Beklagten und durch die Information eines Mitarbeiters der Beklagten durch die Tochter der Klägerin über den Krankenhausaufenthalt informiert war, ist zwischen den Parteien strittig. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung war der Arbeitgeber aber über die Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin informiert.

Selbst wenn ein Arbeitnehmer wochenlang seine Anzeige- und/oder Nachweispflicht aus dem EntgFG verletzt haben sollte, handelt es sich hierbei um eine auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers beruhende Vertragspflichtverletzung, bei welcher grundsätzlich davon auszugehen ist, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus.

LAG Berlin-Brandenburg, 13.07.2023 – Az. 10 Sa 625/23