Wann wird es kritisch für den Oberarzt als ständigen ärztlichen Vertreter des Chefarztes?
von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und Medizinrecht, Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte Hannover, www.armedis.de
Oberärzte werden bei Wahlleistungen oft als sogenannte „ständige ärztliche Vertreter“ anstelle des Wahlarztes tätig. Eine Abrechnung solcher wahlärztlicher Leistungen ist unter zwei Bedingungen möglich: Entweder die Leistung ist in der GOÄ (§ 4 Abs. 2 S. 3) aufgeführt und der Oberarzt in der Wahlleistungsvereinbarung als ständiger ärztlicher Vertreter des Wahlarztes benannt; oder der Wahlarzt konnte aus – bei Abschluss der Vereinbarung – unvorhersehbaren Gründen nicht selbst behandeln.
Verschiedene Wahlleistungsvereinbarungen in Kliniken
Viele Krankenhäuser operieren mit Wahlleistungsvereinbarungen, in denen nur ein Oberarzt als ständiger ärztlicher Vertreter des Wahlarztes (meist ist dies der Chefarzt) benannt worden ist. Andere wiederum haben Vordrucke, in denen mehrere ständige ärztliche Vertreter des Wahlarztes aufgeführt sind – zum Teil werden dabei ein oder mehrere besondere Zuständigkeitsbereiche genannt. Sind solche unterschiedlichen Regelungen zulässig?
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„Der Arzt kann Gebühren nur für selbstständige ärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen). (…) Als eigene Leistungen im Rahmen einer wahlärztlichen stationären, teilstationären oder vor- und nachstationären Krankenhausbehandlung gelten nicht
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Urteil des Bundesgerichtshofs (20. Dezember 2007)
In diesem Urteil hat der BGH klargestellt: Grundsätzlich ist nur ein ständiger ärztlicher Vertreter pro Wahlarzt zulässig. Zur Begründung verwies er u. a. auf § 4 Abs. 2 S. 3 GOÄ, wo von dessen „ständigen ärztlichen Vertreter“ im Singular gesprochen wird (Az. III ZR 144/07, A).
Beschluss des Landgerichts Aschaffenburg (29. Oktober 2013)
Mit Beschluss vom 29. Oktober 2013 hat das LG Aschaffenburg das Strafverfahren gegen einen Chefarzt der Gynäkologie erst gegen Zahlung einer Geldauflage von 150.000 Euro eingestellt (Az. 104 Js 13948/07, Abruf-Nr. 145204). Der Vorwurf: gewerbsmäßiger Abrechnungsbetrug. Dem Arzt wurde vorgehalten, wahlärztliche Leistungen abgerechnet zu haben, die er nicht selbst erbracht hat. Tätig geworden waren stattdessen sechs Oberärzte.
Diese Oberärzte waren in der Wahlleistungsvereinbarung des Klinikums zwar als ständige ärztliche Vertreter des Chefarztes benannt worden; allerdings waren ihnen keine speziellen Zuständigkeitsbereiche zugeordnet worden, sodass wahlärztliche Leistungen somit – für Patienten nicht ersichtlich – mal durch diesen, mal durch jenen Oberarzt erbracht wurden.
Angeklagt war der Chefarzt, weil er nicht selbst persönlich tätig geworden ist, die Voraussetzung für eine wirksame Vertretung wegen der mangelhaften Wahlleistungsvereinbarung aber nicht vorlagen. Da Oberärzte an der ärztlichen Leistungserbringung mitgewirkt haben, wäre es auch denkbar gewesen, diese ebenfalls auf die Anklagebank zu setzen – wegen des Verdachts auf Beihilfe zum Abrechnungsbetrug.
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Urteile des Oberlandesgerichts Celle (15. Juni 2015)
In zwei Entscheidungen hatte sich das OLG Celle damit zu befassen, ob eine Wahlleistungsvereinbarung wirksam ist, in der einer Chefärztin für psychosomatische Medizin zwei Oberärzte als ärztliche Vertreter zugewiesen waren (Az. 1 U 97/14 und 1 U 98/14). Jeder der beiden Oberärzte war alleiniger ständiger ärztlicher Vertreter der Chefärztin – für jeweils eine der beiden zu ihrer Klinik gehörenden Stationen.
Das OLG Celle sah diese Regelung als rechtmäßig an, obwohl hier mehrere ständige ärztliche Vertreter benannt worden sind – entgegen dem Wortlaut von § 4 Abs. 2 S. 3 GOÄ, das den Singular benutzt (vgl. BGH-Urteil auf der vorangehenden Seite). Das Argument der Richter: Die Regelung sei zulässig, da der Zuständigkeitsbereich der Chefärztin so aufgeteilt war, dass jeder der beiden Oberärzte alleiniger ständiger ärztlicher Vertreter in einem genau definierten Bereich der Chefärztin wurde. Die Regelung müsse allerdings transparent sein – der Patient müsse also erkennen, welcher Oberarzt die Chefärztin vertritt, wenn diese unvorhersehbar verhindert ist.
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