Sprachbarriere im Aufklärungsgespräch – im Zweifel Dolmetscher hinzubestellen

von Rainer Hellweg, Fachanwalt für Medizinrecht, armedis Rechtsanwälte, Hannover, www.armedis.de

Sprechen Sie dari oder arabisch? Nein? Dann könnten Sie Probleme bei der Aufklärung afghanischer oder syrischer Flüchtlinge bekommen. Denn in Zeiten der aktuellen Flüchtlingszahlen haben es die Klinikärzte immer öfter mit Patienten zu tun, die kein Deutsch sprechen. Besteht eine Sprachbarriere im Aufklärungsgespräch, wirft dies nicht nur praktische Probleme auf – es bestehen auch haftungsrechtliche Risiken! Der Oberarzt sollte daher wissen, wie man sich in dieser Situation richtig verhält.

Entscheidend: Das persönliche Gespräch

Aus dem Behandlungsvertrag folgt für den Arzt die Verpflichtung, den Patienten vor der Behandlung umfassend und ordnungsgemäß aufzuklären. Dabei sollen dem Patienten die wesentlichen Umstände, Risiken und Folgen der ärztlichen Behandlung deutlich vor Augen geführt werden. Nur so kann der Patient die Tragweite einschätzen und auf dieser Grundlage selbst entscheiden, ob er die betreffende Behandlung möchte oder nicht.

Wichtig | Wird der Patient ohne vorherige hinreichende Aufklärung behandelt, liegt keine wirksame Einwilligung in den Eingriff vor. Die juristische Folge: Der Heileingriff ist eine rechtswidrige Körperverletzung.

Aufklärungsformular allein reicht nicht

Der Arzt hat das Aufklärungsgespräch am Patienten auszurichten: Dies betrifft sowohl dessen intellektuelle als auch sprachlichen Kapazitäten. Der Arzt muss sich vergewissern, dass der Patient alles richtig verstanden hat. Durch die Rechtsprechung ist anerkannt: Es reicht nicht, dem Patienten ein Aufklärungsformular oder eine Informationsbroschüre in dessen Sprache zu überreichen. Für eine ordnungsgemäße Aufklärung genügt es auch nicht, dem Patienten in dessen Sprache verfasste medizinische Literatur zu überreichen, so umfangreich und didaktisch gut aufbereitet diese auch sein mag.

Das Gesetz ist nur vage formuliert

Welche Anforderungen genau bei nicht Deutsch sprechenden Patienten gelten, ist auch durch das 2013 in Kraft getretene Patientenrechtegesetz nicht konkretisiert worden. Dort wird lediglich pauschal gefordert, dass die Aufklärung „für den Patienten verständlich“ sein muss. In der Gesetzbegründung wird ausgeführt, dass bei Patienten, die „nach eigenen Angaben oder nach der Überzeugung des Behandelnden “ kein Deutsch verstehen, die Aufklärung in einer Sprache erfolgen müsse, die der Patient verstehe. Falls erforderlich, sei eine sprachkundige Person oder ein Dolmetscher hinzuzuziehen.

Welche Anforderungen gelten konkret?

Die Anforderungen, die die Gerichte an ein hinreichendes Aufklärungsgespräch stellen, sind in den letzten Jahren höher geworden. 1986 hat es das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe noch ausreichen lassen, dass der Arzt bei sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten seine Ausdrucksweise dem Verständnisvermögen des ausländischen Patienten anpasst (Urteil vom 17.12.1986, Az. 7 U 43/84) – nach dem Motto: „Bei ausländischen Patienten reicht es aus, wenn man etwas langsamer spricht.“

Dies wird heute nicht mehr akzeptiert. In jüngeren Gerichtsentscheidungen wird gefordert, dass bei der Behandlung eines ausländischen Patienten zum Aufklärungsgespräch in jedem Falle eine sprachkundige Person hinzugezogen werden muss, wenn nicht sicher ist, dass der Patient die deutschsprachigen Erklärungen versteht. Dies gilt sowohl für das präoperative Aufklärungsgespräch vor einem geplanten Eingriff als auch für die Aufklärung und das Gespräch im Rahmen der Behandlung selbst.

Achtung: Haftungsfalle im Prozess!

Die Beweislast für das ordnungsgemäße Aufklärungsgespräch liegt komplett aufseiten des Arztes. Er muss daher auch beweisen, dass der Patient der Aufklärung sprachlich folgen konnte. Es kommt nicht selten vor, dass nicht Deutsch sprechende Patienten im Gerichtsprozess rügen, die Aufklärung sei mangelhaft gewesen. Hier sollte der Oberarzt gewappnet sein.

Ein Gegenargument des Arztes könnte z. B. sein, dass der Patient seine Vorerkrankungen dezidiert angeben konnte – ein deutliches Indiz für ausreichende Deutschkenntnisse! Doch Vorsicht: Die „Aufklärungsrüge“ ist für den Patienten ein relativ leichter Weg, um einen Schadenersatzanspruch zu erhalten, ohne einen Behandlungsfehler nachweisen zu müssen.

PRAXISHINWEIS | Führen Sie als Oberarzt das Aufklärungsgespräch und sind sich sicher, dass ein ausländischer Patient hinreichend gut Deutsch spricht, sollten Sie dies in der Dokumentation schriftlich vermerken. Hierzu reicht ein kurzer handschriftlicher Zusatz im Aufklärungsbogen.

 

Was tun bei gescheiterter Verständigung?

Wenn der Arzt festgestellt hat, dass der ausländische Patient selbst nicht genug Deutsch versteht, um dem Aufklärungsgespräch zu folgen, muss ein der Patientensprache mächtiger Klinikangestellter oder eine sonstige Person zu dem Gespräch hinzugezogen werden.

Dabei muss sichergestellt werden, dass die übersetzende Person sowohl die nötige sprachliche Kompetenz als auch einen hinreichenden Verständnishorizont hat, um den Inhalt des Aufklärungsgesprächs richtig zu vermitteln. Mit anderen Worten: Die fremdsprachige Putzfrau wird nicht immer ausreichen! Auch minderjährige Angehörige des Patienten sind nicht in allen Fällen geeignet. Das Risiko einer Fehleinschätzung trägt der Arzt.

Wer muss den Dolmetscher bezahlen?

Wenn ein Dolmetscher hinzugezogen wird, stellt sich die Frage, wer für ihn aufkommen muss. Gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung besteht kein Anspruch darauf, die Kosten ersetzt zu bekommen. Zudem sind weder der Krankenhausträger noch der behandelnde Arzt verpflichtet, die Kosten des Dolmetschers zu tragen.

Patient muss die Kosten tragen

Somit ist es der Patient, der die Kosten für einen beim Aufklärungsgespräch hinzugezogenen Dolmetscher ersetzen muss. Auch in der Gesetzbegründung zum Patientenrechtegesetz wird dies ausdrücklich klargestellt. Da es aber in den meisten Fällen nicht realistisch sein wird, den Patienten mit diesen Kosten zu belasten, stellt sich die Frage, wie dann eine Lösung aussieht?

Was passiert, wenn der Patient nicht zahlen kann?

Falls der ausländische Patient die Kosten des Dolmetschers nicht ersetzen kann, gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  • Nicht ratsam ist es, den Patienten im Falle von Verständigungsschwierigkeiten zu einem Aufklärungsverzicht zu drängen. Die Gerichte setzen nämlich hohe Maßstäbe daran, dass ein solcher Verzicht rechtlich wirksam ist. Die Juristen haben entschieden: Nur derjenige kann wirksam auf die Aufklärung verzichten, der weiß, worum es bei der ärztlichen Aufklärung im konkreten Fall gehen würde. Dies kann insbesondere bei Flüchtlingen aus fernen Ländern zweifelhaft sein, zumal dort meist eine völlig andere Kultur des Arzt-Patient-Verhältnisses besteht.

  • Die Klinik kann auch aus eigenem Entschluss heraus entscheiden, dass sie die Kosten für den Einsatz von Dolmetschern übernimmt. Der Oberarzt sollte dies in jedem Fall grundsätzlich mit seinem Chefarzt oder der Klinikleitung abstimmen, um sich keine unangenehmen Fragen gefallen lassen zu müssen.

  • Hat die Klinik vielleicht mit einer Behörde einen Vertrag über die Behandlung von Flüchtlingen geschlossen, der auch regelt, wer die Kosten eines Dolmetschers übernimmt? Auch in diesem Fall sollte der Oberarzt das Gespräch mit der Klinikleitung oder seinem Chefarzt suchen, um diese Frage vor Beginn einer Behandlung zu klären.

  • Ansonsten kann die Behandlung abgelehnt werden. Hierzu ist die Klinik z. B. bei elektiven Eingriffen berechtigt, nicht jedoch bei einem medizinischen Notfall – hier besteht eine Behandlungspflicht. Ist der Notfall eilbedürftig, kann die Pflicht zur vorherigen Aufklärung entfallen.