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„Stress, lass nach!“: Wie Führungskräfte für eine stresspräventive Teamarbeit geschult werden können

Psychische Belastungen sind seit vielen Jahren ein wichtiges Thema im betrieblichen Arbeitsschutz. Dies gilt gerade auch für Beschäftigte im Krankenhaus – eine Situation, die die Corona-Pandemie noch verschärft hat. Um das Arbeitsklima in der Klinik zu verbessern und Stressbelastung zu reduzieren, haben Tübinger Mediziner ein Schulungsprogramm entwickelt, das Führungskräfte darin unterstützt, sich selbst und ihre Mitarbeiter vor Überlastung zu schützen. Für die Fortbildung mit dem Titel „Ressourcen stärken! Teamorientierte Führung im Krankenhaus“ wurde Projektleiter Professor Dr. med. Florian Junne nun mit dem Award Arbeitsmedizin des Arbeitgeberverbands Südwestmetall ausgezeichnet.

Die Arbeitsabläufe im Krankenhaus werden immer komplexer – und sie können nur im Team bewältigt werden. Gerade der mittleren Führungsebene kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: „Die Führungskräfte müssen den Spagat zwischen eigenen Drucksituationen, stressbelasteten Mitarbeitern und den übergeordneten Zielen der Einrichtung leisten“, sagt Professor Dr. med. Florian Junne. Wie groß ihre Bedeutung für das Stresserleben der Mitarbeitenden ist, sei den Führenden dabei oft nicht bewusst. Bei der Fortbildung – einem Teilprojekt des BMBF-geförderten Forschungsverbunds SEEGEN (Seelische Gesundheit am Arbeitsplatz Krankenhaus) – gehe es daher zunächst einmal darum, Sensibilität für das Thema zu wecken.

In insgesamt vier Modulen, die im zweiwöchentlichen Rhythmus stattfinden, werden die Teilnehmer über den Zusammenhang zwischen Führung und Gesundheit informiert, analysieren, wie sie selbst Stress erleben, und erlernen Methoden zur Stressbewältigung. Darüber hinaus werden verschiedene Führungsstile vorgestellt und die grundlegenden Konzepte einer wertschätzenden Kommunikation vermittelt. „Durch achtsame Führung und bewusste Kommunikation wird ein gesundheitsförderliches Führungsverhalten erst ermöglicht“, betont Junne, der mittlerweile als Professor für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an die Universität Magdeburg berufen wurde.

Das von Junne und seinen Mitarbeitenden entwickelte Coaching basiert auf dem Konzept der Transformationalen Führung, das unter anderem die Offenheit für Veränderungen, die Vorbildrolle des Führenden und die Entwicklungspotentiale der Mitarbeitenden betont. Die Module beziehen auch die Grundlagen des so genannten Leader-Member-Exchange (LMX) mit ein, wonach die individuelle Beziehung zwischen Führendem und jedem einzelnen Teammitglied mit entscheidend für die psychische Belastung am Arbeitsplatz ist.

Im Rahmen einer Pilotstudie durchliefen insgesamt 87 Führungskräfte die Fortbildung, die mit einem fünften Modul zu „Reflexion und Austausch“ endete. In einer Befragung drei Monate nach der Fortbildung gaben die Führungskräfte an, die Teilnahme habe ihre Kommunikationsfähigkeiten und die Beziehung zu ihren Mitarbeitenden verbessert, den Umgang mit eigener psychischer Belastung positiv verändert sowie für das Thema der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz sensibilisiert. Außerdem vergaben die Teilnehmenden hohe Werte für die Praxisrelevanz des Projekts und würden auch anderen Führungskräften eine Teilnahme empfehlen.

“Junnes Studie hat gezeigt, wie stresspräventive Verfahren im medizinischen Führungsbereich wirksam eingesetzt werden könnten – eine Erkenntnis, die sich aufgrund des setting-unspezifischen Zugangs auch auf andere Bereiche übertragen lässt.”
Dipl.-Ing. Kai Schweppe, Geschäftsführer Arbeitspolitik bei Südwestmetall