Teilnahme eines Oberarztes an Experten-Kolleg verstößt gegen Nebentätigkeitsverbot

von RA, FA MedR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, christmann-law.de

Die Teilnahme eines in einer Klinik angestellten Oberarztes an einem sechsstündigen Experten-Kolleg, das von einem Medikamentenhersteller veranstaltet wird, inklusive eines Vortrags ist keine privilegierte (d. h. bevorrechtigte) Nebentätigkeit. Sie bedarf der Genehmigung durch den Dienstherren (Landesarbeitsgericht [LAG] Schleswig-Holstein, Urteil vom 08.11.2016, Az. 5 SaGa 5/16)..

Sachverhalt

Der Kläger ist als nephrologischer Oberarzt bei der beklagten Klinik angestellt. Er behandelte Patienten mit dem hochpreisigen Medikament J.® (T.) von der Firma O. P. In einer ADPKD(Autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung)-Board-Besprechung, in der regelmäßig der Medikamenteneinsatz abgestimmt wurde, legte der Oberarzt trotz ausdrücklicher Nachfrage nicht offen, dass er zumindest zwei weitere Patienten mit J. behandelte. Der Oberarzt zeigte gegenüber der Klinik dann die beabsichtigte Annahme und Durchführung u. a. einer ca. sechsstündigen „Referenten-/Vortragstätigkeit Experten-Kolleg ADPKD“ bei der „O. P. GmbH“ für ein Honorar von ca. 1.200 Euro nebst Auslagenersatz von ca. 500 Euro an. Die Klinik untersagte die angezeigte Nebentätigkeit. Das LAG bestätigte die Untersagung.

Entscheidungsgründe

Die von dem Oberarzt beantragte Nebentätigkeit ist nicht als privilegierte Vortragstätigkeit gemäß § 73 Abs. 2 Landesbeamtengesetz (LBG) anzusehen. Dazu rechnet man lediglich die reine Vortragsdauer. Die Obergrenze eines solchen Vortrags liegt regelmäßig bei vier Stunden. Die aktive Teilnahme an einem sogenannten Experten-Kolleg ist i. d. R. eine Podiumsdiskussion mit Experten, die in eher kurzen (Impuls-)Referaten ihre Statements abgeben und sodann in eine Diskussion mit den Teilnehmern treten bzw. deren Fragen beantworten. Solche nebenberufliche Fortbildungstätigkeiten unterliegen indessen nicht der Privilegierung des § 73 Abs. 2 LBG. Das LAG geht auch davon aus, dass die Teilnahme an dem lukrativen Experten-Kolleg das Verordnungsverhalten des Oberarztes beeinflussen und damit die dienstlichen Interessen der Klinik beeinträchtigen kann. Das Verhalten des Oberarztes auf der ADPKD-Board-Besprechung stützt diese Einschätzung.

PRAXISHINWEIS | Die Nebentätigkeiten sind in den Landesgesetzen bundesweit ähnlich geregelt. Insofern hat die Entscheidung – hier zu § 73 LBG Schleswig-Holstein – bundesweite Bedeutung. Der Schutz der ärztlichen Verordnungs- und Behandlungsentscheidung gegen Beeinflussungen hat mit der Einführung des § 299a Strafgesetzbuch (StGB) eine stärkere Bedeutung erhalten. Die Klinikärzte sind gut beraten, jeden Eindruck einer Beeinflussung zu vermeiden. Im vorliegenden Fall wurde dem Oberarzt zum Nachteil gereicht, dass er die Behandlung zweier Patienten mit einem sehr teuren Medikament verschwieg.