Außertarifliche Mitarbeiter haben keinen Anspruch auf die volle Tariflohnerhöhung
Viele Beschäftigte freuen sich, wenn ihr Arbeitgeber auch ohne Tarifbindung regelmäßig Lohnerhöhungen nach dem Branchentarifvertrag gewährt. Doch was passiert, wenn das Unternehmen damit plötzlich aufhört, beispielsweise nach einem Eigentümerwechsel? Kann sich ein Arbeitnehmer dann auf die „betriebliche Übung” berufen und die Weitergabe der nächsten Tariferhöhung verlangen?
Mit genau dieser Frage musste sich das Landesarbeitsgericht Köln beschäftigen. Das Urteil vom 19. Februar 2025 (AZ: 4 SLa 399/24) macht deutlich: Freiwilligkeit bleibt freiwillig – jedenfalls solange keine klaren Signale für eine dauerhafte Bindung gesetzt wurden.
Gehaltsanpassung nach Tarif – aber nur teilweise
Ein langjähriger Mitarbeiter eines Versicherungsunternehmens klagte gegen seinen Arbeitgeber auf vollständige Weitergabe der Tariferhöhung. Der Kläger war seit dem Jahr 2000 tätig und hatte ein übertarifliches Gehalt bezogen. Zwar enthielt der Arbeitsvertrag einen Bezug zu den Tarifverträgen der Versicherungsbranche, jedoch war keine dynamische Anpassung der Vergütung vereinbart worden. Nach einem Betriebsübergang im Jahr 2019 hatte der neue Arbeitgeber zwar weiterhin Lohnsteigerungen gewährt, jedoch nur auf den tariflichen Anteil. Das wollte der Mitarbeiter nicht hinnehmen. Er berief sich auf eine betriebliche Übung und machte geltend, er habe aufgrund der bisherigen Praxis einen Anspruch auf vollständige Weitergabe der Tarifsteigerungen, also auch auf den übertariflichen Anteil.
Gericht: Keine automatische Bindung an frühere Praxis
Das LArbG Köln sah das anders, wie die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt. Weder aus dem Arbeitsvertrag noch aus dem Verhalten des Arbeitgebers lasse sich ein Anspruch ableiten. Die Richter verwiesen auf die gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Demnach setzt eine betriebliche Übung voraus, dass der Arbeitgeber durch wiederholtes Verhalten einen vertraglichen Bindungswillen zum Ausdruck bringt. Genau daran fehlte es hier. Eine Tarifbindung sei nicht vereinbart gewesen und auch das bisherige Verhalten lasse nicht auf eine dauerhafte Verpflichtung schließen.
Insbesondere bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern ist regelmäßig davon auszugehen, dass sie ihre Entscheidungsspielräume behalten möchten, um beispielsweise flexibel auf wirtschaftliche Entwicklungen reagieren zu können. Deshalb lasse sich die Weitergabe von Lohnerhöhungen in der Vergangenheit nicht ohne weiteres als vertragliches Angebot mit Bindungswirkung werten.
Entscheidung stärkt die Position der Arbeitgeber
Die Entscheidung stärkt die Position nicht tarifgebundener Arbeitgeber. Sie dürfen sich an Tarifentwicklungen orientieren, ohne gleich befürchten zu müssen, daran dauerhaft gebunden zu sein. Gleichzeitig zeigt das Urteil, wie wichtig eine sorgfältige und transparente Kommunikation bei freiwilligen Leistungen ist. Arbeitgeber tun gut daran, die Freiwilligkeit solcher Leistungen ausdrücklich zu betonen – auch, um spätere Missverständnisse zu vermeiden.
- Quelle: www.dav-arbeitsrecht.de
- Landesarbeitsgericht Köln, 19. Februar 2025 – 4 SLa 399/24