Urlaub nach Mutterschutz und Elternzeit: Wann verfällt er wirklich?
Eine Arbeitnehmerin wollte nach ihrer Elternzeit ihren alten Urlaub nutzen – doch ihr Arbeitgeber lehnte ab. Er meinte: Die Urlaubstage seien nach dem Tarifvertrag längst verfallen. Doch das sah das Landesarbeitsgericht Hamm anders.
von Volker Görzel, Fachanwalt für Arbeitsrecht VDAA – www.hms-bg.de
Die Frau konnte im Jahr 2021 wegen eines Beschäftigungsverbots und anschließendem Mutterschutz sechs bewilligte Urlaubstage nicht mehr nehmen. Danach war sie vom August 2022 bis Dezember 2024 in Elternzeit. Als sie zurückkehrte, verlangte sie 13 Urlaubstage aus den Jahren 2021 und 2022 – vergeblich. Der Arbeitgeber berief sich auf den Manteltarifvertrag, der einen Verfall bis zum 30. April des Folgejahres vorsieht.
Gericht: Mutterschutz und Elternzeit stoppen Verfall von Urlaub
Das LAG Hamm stellte klar: Tarifliche Verfallsfristen gelten nicht, wenn eine Arbeitnehmerin wegen Mutterschutz oder Elternzeit ihren Urlaub nicht nehmen konnte. Grund: Die Schutzvorschriften des Mutterschutzgesetzes (§ 24 Satz 2 MuSchG) und des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (§ 17 Abs. 2 BEEG) haben Vorrang.
Diese Gesetze verhindern, dass Urlaub, der vor Beginn der Schutzzeiten nicht genommen werden konnte, verfällt – egal ob gesetzlicher Mindesturlaub oder tariflicher Mehrurlaub. Der noch offene Urlaub bleibt daher bis Ende 2025 bestehen.
Was Beschäftigte jetzt wissen sollten
- Urlaub rechtzeitig beantragen – sonst kann er tatsächlich verfallen.
- Wer wegen Schwangerschaft, Mutterschutz oder Elternzeit nicht arbeiten konnte, sollte seine alten Urlaubsansprüche prüfen.
- Auch tariflicher Mehrurlaub fällt unter den gesetzlichen Schutz.
- Arbeitgeber können sich nicht auf tarifliche Fristen berufen, wenn gesetzliche Schutzzeiten greifen.
Das Urteil stärkt die Rechte von Arbeitnehmerinnen deutlich. Auch tariflicher Mehrurlaub bleibt geschützt, wenn Mutterschutz oder Elternzeit vorliegen.
Der Autor ist Leiter des Fachausschusses „Betriebsverfassungsrecht und Mitbestimmung“ des VDAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte mit Sitz in Stuttgart.