Recht

Auch MVZs, Ärzte-GmbHs etc. müssen sich an die Gebührenordnungen halten

Der in § 1 Abs. 1 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) beschriebene Anwendungsbereich der GOÄ setzt nicht voraus, dass Vertragspartner des Patienten ein Arzt ist, sondern dass die Vergütung für die beruflichen Leistungen eines Arztes geltend gemacht wird. Das hat der Bundesgerichtshof klargestellt – und einem Urteil des OLG Frankfurt/ Main widersprochen, dass Ärzte-GmbHs Honorare losgelöst von den Gebührenordnungen berechnen können. Für die GOZ gilt das analog, betont der Ausschuss Gebührenrecht der Bundeszahnärztekammer.

[!] Die GOÄ und die GOZ finden deshalb auch dann Anwendung, wenn der Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person, zum Beispiel einem MVZ oder einem Krankenhausträger, abgeschlossen wird und ambulante Leistungen durch Ärzte erbracht werden, die lediglich im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses in der Erfüllung ihrer eigenen Dienstaufgaben tätig werden und selbst mit dem Patienten keine Vertragsbeziehung eingehen.
Widersprüchliche Urteile …

Im Januar und Februar 2024 gab es zwei widersprüchliche Urteile zur Reichweite der GOÄ.

Das OLG Frankfurt am Main (Az.: 6 W 69/23 vom 21.09.2023) hatte geurteilt, dass die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) nur bei Verträgen zwischen Ärzten und Zahlungspflichtigen heranzuziehen sei, bei einer Behandlung in Institutionen, die als Gesellschaft mit beschränkter Haftung betrieben werden (z.B. in Medizinischen Versorgungszentren), die Vergütungen jedoch losgelöst von den Bestimmungen der GOÄ vereinbart werden könnten. Ärzte-GmbH oder MVZ-GmbH seien nicht verpflichtet, ihre Leistungen an Selbstzahler nach Maßgabe der GOÄ abzurechnen, sondern könnten ihre Preise mit den zur Zahlung Verpflichteten unabhängig von der GOÄ und formfrei („pauschal“) vereinbaren.

Kurz zuvor war das OLG Köln (Az.: 5 U 32/22 vom 16.08.2023) zu der gegenteiligen Auffassung gelangt und hatte erklärt, die GOÄ sei unabhängig davon anzuwenden, ob die ärztliche Leistung durch einen Arzt als natürliche Person erbracht wird oder von einem Arzt in abhängiger Beschäftigung bei einer juristischen Person: „Fielen nämlich ambulante Behandlungen durch bei einer juristischen Person beschäftigte Ärzte aus dem Anwendungsbereich der GOÄ heraus, könnten sich Ärzte durch eine entsprechende Gestaltung und die Gründung einer juristischen Person relativ einfach einer Bindung an die GOÄ zum Nachteil des Patienten entziehen.“

und die Klarstellung des Bundesgerichtshofs

Dieser Widerspruch wurde nun durch höchstrichterliche Rechtsprechung zugunsten der Ärzte- und Zahnärzteschaft aufgelöst. Der Bundesgerichtshof (Az.: III ZR 38/23 vom 4.04.2024) nämlich hat wie folgt entschieden: „Die GOÄ findet … auch dann Anwendung, wenn der Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person, zum Beispiel einem Krankenhausträger, abgeschlossen wird und ambulante Leistungen durch Ärzte erbracht werden, die lediglich im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses in der Erfüllung ihrer eigenen Dienstaufgaben tätig werden und selbst mit dem Patienten keine Vertragsbeziehung eingehen.“

 

Zwei Juristen, zwei Meinungen…

Es war bislang höchstrichterlich nicht geklärt, ob die GOÄ auf ambulante Leistungen einer juristischen Person (im aktuellen Fall: Hochschulklinik und Anstalt des öffentlichen Rechts), die durch einen Arzt in einem Anstellungs- oder Beamtenverhältnis in Erfüllung seiner Dienstaufgaben erbracht werden, anwendbar ist.

(1) Nach einer Ansicht findet die GOÄ in solchen Fällen keine Anwendung. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz soll nur insoweit gelten, als der Arbeitgeber oder Dienstherr dem Arzt ein Liquidationsrecht einräumt, wie das § 17 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG), der vorliegend allerdings nicht einschlägig ist, für die Behandlung von (stationär behandelten) Wahlleistungspatienten im Krankenhaus vorsieht. Begründet wird dies damit, dass Adressaten der GOÄ ausschließlich Ärzte als Vertragspartner des Patienten aus dem Behandlungsvertrag im Sinne des § 630a Abs. 1 BGB seien. Dagegen sei eine juristische Person als Leistungserbringer und Behandelnder nicht verpflichtet, ihre Leistungen gegenüber Selbstzahlern nach der GOÄ abzurechnen. Sie könne – anders als Ärzte – freie Preise vereinbaren (zB OLG Frankfurt a. Main, wonach die GOÄ bei einem Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person „an sich“ nicht anwendbar sei, dem Anwendungsbereich der GOÄ jedoch gleichwohl ambulante Leistungen unterfielen).

(2) Nach der Gegenmeinung sind ambulante ärztliche Leistungen auch dann nach der GOÄ abzurechnen, wenn der Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person (z.B. einem Krankenhausträger) oder einem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) abgeschlossen wird und die Leistungen durch Ärzte im Anstellungs- oder Beamtenverhältnis erbracht werden. Dabei wird im Ausgangspunkt auf den Wortlaut des § 1 Abs. 1 GOÄ abgestellt, wonach es für die Anwendung der GOÄ maßgeblich auf die Erbringung von „beruflichen Leistungen der Ärzte“ ankomme und unerheblich sei, mit wem der Patient den Behandlungsvertrag abschließe. Da die Gebührenordnung den Interessenausgleich zwischen denjenigen anstrebe, die die Leistungen erbrächten, und denjenigen, die zu ihrer Vergütung verpflichtet seien, komme sie zwangsläufig immer dann zur Anwendung, wenn die beruflichen Leistungen der Ärzte abgerechnet würden, unabhängig davon, ob der Arzt oder ein Dritter (juristische Person) Vertragspartner des Patienten geworden sei.

…und die Meinung des obersten Gerichts

Der Bundesgerichtshof entschied die Streitfrage nunmehr dahin, dass die letztgenannte Auffassung vorzugswürdig ist. Für sie spricht nicht nur der weit gefasste Wortlaut von § 1 Abs. 1 GOÄ, sondern auch – und vor allem – der Sinn und Zweck der in der GOÄ enthaltenen Vorschriften. Nicht entscheidend ist, ob der Patient den Behandlungsvertrag über die Erbringung ambulanter Leistungen unmittelbar mit dem Arzt oder mit einer juristischen Person, zum Beispiel einem Krankenhausträger oder einer MVZ-GmbH, abschließt.

Gemäß § 1 Abs. 1 GOÄ bestimmen sich die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist. Bei der ärztlichen Gebührenordnung handelt es sich um ein für alle Ärzte geltendes zwingendes Preisrecht. Eine bundesgesetzliche Regelung, die eine andere Bestimmung zur Abrechnung der Behandlung trifft und daher einer Abrechnung nach der GOÄ entgegensteht, existiert nicht. Auch handelt es sich bei ambulant erbrachten Leistungen in einem MVZ o.ä. nicht um eine stationäre Krankenhausbehandlung, für die ein anderes Preisrecht in Betracht kommt.

Nach dem weit gefassten Wortlaut von § 1 Abs. 1 GOÄ ist die Verordnung auf alle „beruflichen Leistungen der Ärzte“ anwendbar, ohne dass zwischen Leistungen differenziert wird, die auf Grund eines Behandlungsvertrags zwischen Arzt und Patient oder von Ärzten im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses ohne eine eigene vertragliche Beziehung zum Patienten erbracht werden. Aus § 11 Satz 1 der Bundesärzteordnung (BÄO), der Ermächtigungsgrundlage zur GOÄ, ergibt sich nichts Abweichendes. Dort ist – ohne weitere Einschränkungen – bestimmt, dass die Bundesregierung ermächtigt wird, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die „Entgelte für ärztliche Tätigkeit“ in einer Gebührenordnung zu regeln. Auch der BÄO liegt somit ein weit gefasster Wortlaut zugrunde, wonach „berufliche Leistungen der Ärzte“ in einem umfassenden Sinne zu verstehen sind. § 1 Abs. 1 GOÄ und § 11 Satz 1 BÄO beziehen sich explizit auf „Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte“ beziehungsweise – inhaltlich gleichbedeutend – auf „Entgelte für ärztliche Tätigkeit“ und nicht auf die Regelung von Forderungen der Ärzte (für ihre ärztliche Tätigkeit). Dafür, dass von der Verordnungsermächtigung nur diejenigen Fälle erfasst werden sollten, in denen die tätig werdenden Ärzte die von ihnen erbrachten Leistungen auch selbst in Rechnung stellen, gibt der Wortlaut nichts her .

[!] Allein dieses weite Verständnis des Anwendungsbereichs der GOÄ wird deren Sinn und Zweck gerecht, der darin besteht, einen angemessenen Interessenausgleich herbeizuführen zwischen denjenigen, die die Leistung erbringen, und denjenigen, die zu ihrer Vergütung verpflichtet sind. Dies ist unabhängig davon, ob der Arzt oder ein Dritter (juristische Person) Vertragspartner des Patienten geworden ist.

Bundesgerichtshof, 04. 04. 2024 – III ZR 38/23