Recht

Krank wegen Tätowierung? Kein Lohnanspruch bei Arbeitsunfähigkeit

Wer sich freiwillig eine Tätowierung stechen lässt und danach wegen einer Infektion arbeitsunfähig wird, hat die Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet. In diesem Fall darf der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern.

von Volker Görzel, Fachanwalt für Arbeitsrecht, VDAA, Köln
und Jens Klarmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht VDAA, Kiel

Tätowierungen gehören längst zum Alltag – auch am Arbeitsplatz. Doch was passiert, wenn sich das Tattoo entzündet und man krankgeschrieben wird? Wer sich freiwillig tätowieren lässt, trägt auch das Risiko. Das hat jetzt das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschieden.

Eine Pflegehelferin hatte sich ein Tattoo auf den Unterarm stechen lassen, das sich kurz darauf entzündete. Die Frau wurde für mehrere Tage krankgeschrieben. Der Arbeitgeber verweigerte die Lohnfortzahlung für diese Zeit. Die Begründung: Die Entzündung sei selbstverschuldet, da die Frau durch das Tätowieren freiwillig in eine Körperverletzung eingewilligt und damit die Krankschreibung selbst verschuldet habe. Das Risiko einer späteren Infektion habe sie daher allein zu tragen. Ein „normales Krankheitsrisiko“ habe hier nicht vorgelegen.

Anspruch auf Lohnfortzahlung? Nur ohne eigenes Verschulden!

Der Arbeitgeber zahlte für die Zeit der Krankschreibung keinen Lohn. Die Frau war empört – und klagte. Sie berief sich auf das Entgeltfortzahlungsgesetz. Danach bekommen Arbeitnehmer im Krankheitsfall bis zu sechs Wochen lang ihr Gehalt weiter – aber nur, wenn sie die Krankheit nicht selbst verschuldet haben. Die Frau argumentierte, die Entzündung sei ein unglücklicher Zufall gewesen – und nicht ihre Schuld. Nur ein bis fünf Prozent aller Tätowierungen entzünden sich. Außerdem gehöre das Stechen einer Tätowierung zu ihrer privaten Lebensführung.

Das Gericht: Wer sich tätowieren lässt, trägt das Risiko!

Der Arbeitgeber sah das anders – und bekam Recht. Bereits das Arbeitsgericht Flensburg hatte gegen die Frau entschieden. Nun bestätigte auch das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein das Urteil.

Die Richter stellten klar: Wer sich freiwillig tätowieren lässt, muss mit einer Entzündung rechnen – auch wenn das Risiko nur bei fünf Prozent liegt. Damit habe die Frau ihre Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz entfällt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers einen groben Verstoß gegen das eigene gesundheitliche Interesse darstellt – z.B. wenn ein verständiger Mensch im eigenen Interesse anders gehandelt hätte.

Die Frau habe damit rechnen müssen, dass sich die Tätowierung entzünde, da dies in bis zu 5 Prozent der Fälle nach der Tätowierung vorkomme. Diese Wahrscheinlichkeit sei nicht unerheblich und stelle auch keine außergewöhnliche oder völlig fernliegende Komplikation dar. Wer ein solches Risiko bewusst eingehe, verstoße mit seinem Verhalten grob gegen seine eigenen Gesundheitsinteressen, so das Landesarbeitsgericht.

Klare Worte des Gerichts: „Verschulden liegt vor!“

Nach dem Gesetz liegt ein Verschulden vor, wenn ein Arbeitnehmer in grober Weise gegen vernünftiges Verhalten im eigenen Interesse verstößt. Genau das sah das Gericht hier als gegeben an. Die Frau hätte wissen müssen, dass Komplikationen möglich sind – und sich entsprechend verhalten müssen.

Die Richter verglichen das Risiko sogar mit dem von Medikamenten: Bereits ab einem Prozent gelte eine Nebenwirkung als „häufig“. Auch hier gilt: Die Frau hätte mit Problemen rechnen müssen. Und wer ein bekanntes Risiko eingeht, hat keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung.

[!] Das Urteil ist ein Weckruf für viele Arbeitnehmer: Private Entscheidungen wie Tätowierungen, Schönheitsoperationen oder riskante Hobbys können den Lohn kosten, wenn es schief geht. In diesem Fall blieb die Frau auf dem finanziellen Schaden sitzen – und die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, 22.05.2025 – 5 Sa 284 a/24
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