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Zwangsweise Fixierung von Psychiatrie-Patienten künftig nur mit Richtergenehmigung

Patienten in der Psychiatrie dürfen nur nach richterlicher Genehmigung für eine längere Zeit fixiert werden. Einschlägige Vorschriften des Landes Baden-Württemberg wurden für verfassungswidrig erklärt. Der baden-württembergische und der bayerische Gesetzgeber (der bislang keine spezielle Rechtsgrundlage für Fixierungen erlassen hat) wurden vom Bundesverfassungsgericht verpflichtet, bis zum 30. Juni 2019 einen verfassungsgemäßen Zustand herbeizuführen.

Sowohl eine 5-Punkt- als auch eine 7-Punkt-Fixierung weisen eine Eingriffsqualität auf, die von der richterlichen Unterbringungsanordnung nicht gedeckt ist und eine Einordnung als eigenständige Freiheitsentziehung rechtfertigt. Eine Freiheitsentziehung erfordert grundsätzlich eine vorherige richterliche Anordnung. Eine unverzügliche nachträgliche richterliche Entscheidung ist nur dann zulässig, wenn der mit der Freiheitsentziehung verfolgte verfassungsrechtlich zulässige Zweck nicht erreichbar wäre, sofern der Maßnahme die richterliche Entscheidung vorausgehen müsste. Dies wird bei der Anordnung einer 5-Punkt- oder 7-Punkt-Fixierung zur Abwehr einer von dem Betroffenen ausgehenden akuten Selbst- oder Fremdgefährdung allerdings regelmäßig der Fall sein.

[!] Das müssen Sie wissen

In Baden-Württemberg ist der jedenfalls für 5-Punkt- und 7-Punkt-Fixierungen geltende Richtervorbehalt während eines Übergangszeitraums bis zum 30. Juni 2019 unmittelbar anzuwenden. Das Verfahren kann in dieser Zeit den §§ 312 ff. FamFG und §§ 70 ff. FamFG entsprechend durchgeführt werden. Zudem folgt in der Übergangszeit die Pflicht der behandelnden Ärzte, den Betroffenen nach Erledigung der Fixierungsmaßnahme auf die Möglichkeit hinzuweisen, eine richterliche Entscheidung zu beantragen.

Dass es in Bayern derzeit insgesamt an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für die Anordnung von Fixierungen im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung fehlt, führt für eine Übergangszeit bis zum 30. Juni 2019 nicht zur Unzulässigkeit einer solchen Maßnahme. Die Anordnung von Fixierungen muss daher auch im Freistaat Bayern vorübergehend ohne die an sich erforderliche gesetzliche Grundlage hingenommen werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass Fixierungen untergebrachter Personen im Freistaat Bayern in der Übergangszeit beliebig zulässig wären. Vielmehr ist bei jeder Fixierung zu prüfen, ob und wie lange diese unerlässlich ist, um eine gegenwärtige erhebliche Selbstgefährdung oder eine gegenwärtige erhebliche Gefährdung anderer abzuwenden. Zudem gilt jedenfalls für die 5-Punkt- und die 7-Punkt-Fixierung der Richtervorbehalt aus Art. 104 Abs. 2 GG unmittelbar. Auch ist der Betroffene nach Beendigung der Maßnahme auf die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung hinzuweisen.

Mitteilung des BVerfG Nr. 62/2018 vom 24.07.2018