Recht

Arzthaftung: Die Verjährung beginnt nicht schon, wenn die Behandlung keinen Erfolg hatte

Wendet der Arzt in einem Arzthaftungsprozess ein, dass der Patient aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hätte, dass ein Behandlungsfehler vorlag (§ 199 I Nr. 2 BGB), so ist zu Gunsten des Patienten zu berücksichtigen, dass dieser nicht ohne Weiteres aus einer Verletzungshandlung, die zu einem Schaden geführt hat, auf einen schuldhaften Behandlungsfehler zu schließen braucht. Der Einwand des Arztes, der Arzthaftungsanspruch sei verjährt, führt damit selten zum Erfolg.

von Philip Christmann, Fachanwalt für Medizinrecht, Berlin/ Heidelberg
www.christmann-law.de

Die Erbin eines mittlerweile verstorbenen Patienten warf dem behandelnden Urologen vor, einen Prostatkrabebs nicht erkannt und falsch behandelt zu haben: Sie meint, der Urologe habe bei den Vorsorgeuntersuchungen des Verstorbenen in den Jahren 2005, 2006, 2007, 2008 und 2009 fehlerhaft das Blasenkarzinom und das Prostatakarzinom nicht erkannt. Der Urologe hätte – so die Klägerin weiter – zur Abklärung der Ursache der Beschwerden (Blut im Urin, erschwerte Blasenentleerung im Sitzen, vergrößerte Prostata) weitere Schritte (MRT, Biopsie) vornehmen müssen.

Der Arzt wandte u.a. ein, die gegen ihn gerichteten Arzthaftungsansprüche seien mittlerweile verjährt. Der Patient habe schon früh erkennen können, dass die Behandlung zu einem Schaden geführt habe.

Das OLG Frankfurt wies diese Verjährungseinrede des Arztes ebenso wie das LG Gießen zurück: Es bestehe für den Gläubiger (Patient) nämlich keine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers (Arzt) an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten, sprich: die Entstehung des Schadens prüfen zu lassen.

In Arzthaftungssachen sei bei der Prüfung, ob grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 199 I Nr. 2 BGB vorliegt, zu Gunsten des Patienten zu berücksichtigen, dass dieser nicht ohne weiteres aus einer Verletzungshandlung, die zu einem Schaden geführt hat, auf einen schuldhaften Behandlungsfehler zu schließen braucht. Denn der Patient sei in seinen Möglichkeiten, dies zu erkennen, eingeschränkt, weil er ein medizinischer Laie sei.

Deshalb führe allein der negative Ausgang einer Behandlung (ohne weitere sich aufdrängende Anhaltspunkte für ein behandlungsfehlerhaftes Geschehen) nicht dazu, dass der Patient zur Vermeidung der Verjährung seiner Ansprüche Initiative zur Aufklärung des Behandlungsgeschehens entfalten müsste.

[!] Will sich ein Arzt auf Verjährung gegenüber dem Patienten berufen, muss er im Einzelnen vortragen, warum genau der Patient wann Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Behandlung und dem daraus resultierenden Gesundheitsschaden gehabt haben soll. Ansonsten scheitert er regelmäßig mit der Verjährungseinrede.

OLG Frankfurt, 10.9.2019 – 8 U 43/17